Aktuelle PIK-Studie Learnings aus den letzten 20 Jahren: Das macht effektive Klimapolitik aus
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30. August 2024, 13:29 Uhr
Im Wahlkampf in Sachsen und Thüringen werben diverse Parteien damit, dass sie sich ums Klima kümmern wollen. Aber es stellt sich die Frage, welche der geplanten Maßnahmen tatsächlich effektiv CO2 einsparen werden. Eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat 1.500 Klimapolitik-Maßnahmen von 1998 bis 2022 untersucht. Als erfolgreich wurden 63 von ihnen eingestuft. Aus den Erfolgsbeispielen lassen sich Regeln für eine bessere Klimapolitik ableiten.
Die aktuelle Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung versucht, Klimaschutz-Maßnahmen einzelner Nationen mit realen "CO2-Brüchen" in Verbindung zu bringen. Haben sich die Emissionen in einem bestimmten Wirtschaftssektor eines bestimmten Landes schlagartig verändert, so haben die Forschenden untersucht, ob sich die Veränderung mit politischen Maßnahmen, die vorher in diesem Land stattfanden, in Verbindung bringen lässt. So gelang es, besonders erfolgreiche Politiken mit großen Effekten in der realen Welt zu identifizieren. Aus diesen erfolgreichen Politiken lassen sich neue Erkenntnisse darüber gewinnen, was in der Klimapolitik funktioniert – und was nicht.
1. Viel hilft nicht immer viel
23 Milliarden Tonnen CO2 muss die Weltgemeinschaft laut den Vereinten Nationen bis 2030 einsparen – und zwar zusätzlich zu den Zielen, die sich die einzelnen Staaten bereits gesetzt haben. Das schreit nach mehr Klimaschutz-Maßnahmen auf allen politischen Ebenen. Moritz Schwarz ist Klimaökonom und einer der Autoren der aktuellen PIK-Studie. Er gibt zu bedenken: "Nur etwas anzukündigen oder umzusetzen führt nicht zwangsweise zu den gewünschten Effekten." Wenn man national und international Treibhausgasneutralität erreichen wolle, müsse man sich auch ansehen, mit welchen Instrumenten man das schaffen wolle.
Die Studie identifiziert vier politische Instrumente, die in der Klimakrise die wichtigsten Rollen spielen (hier aus dem Englischen übersetzt): Subventionen und Förderungen, Bepreisung, Verbote und Vorschriften sowie Informationskampagnen. Obwohl in der medialen Diskussion gerne mal Ausdrücke wie "Verbotspartei" fallen, spielen Verbote in der Klimapolitik tatsächlich eher eine untergeordnete Rolle. Moritz Schwarz sagt: "Wir sehen in unserer Sammlung von Maßnahmen nur wenige Verbote. Regierungen verbieten sehr selten etwas, oft versucht man eher, den Weg zu einem politischen Ziel ein wenig zu regulieren."
2. Bepreisung wirkt
Ein politisches Instrument, das in der Studie in allen 41 Nationen sehr erfolgreich war, ist die Bepreisung fossiler Energieträger. "Den ökonomischen Anreiz richtig zu setzen, scheint eine Wirkung zu haben und ein essentieller Bestandteil einer funktionierenden Klimapolitik zu sein", betont Klimaökonom Schwarz. International spielt die Bepreisung fossiler Energieträger dennoch eher eine untergeordnete Rolle. Von den 1.500 untersuchten Politik-Maßnahmen der vergangenen 20 Jahre waren nur 116 als Bepreisung einzuordnen. Unter den marktbasierten Politiken waren Subventionen deutlich beliebter, wie die Studie ermittelt hat.
3. Es kommt auf den Mix an
Eine einzelne Klimaschutz-Maßnahme kann wirken, aber besonders erfolgreiche Klimaschutz-Maßnahmen sind häufig Kombinationen aus unterschiedlichen politischen Instrumenten. "Wir sollten uns immer ansehen, wie wir vielleicht auch politische Instrumente kombinieren können", erläutert Moritz Schwarz. Wenn man beispielsweise neue Standards für die Industrie vorgebe, müsse man sich überlegen, wie diese Standards dann auch umgesetzt werden können und wo gezielte Förderungen hilfreich sein könnten.
Die Grafik zeigt, wie die Kombination von politischen Maßnahmen in diversen Sektoren wirken kann. Dort, wo sich die Kreise überlagern, wurden mehrere Maßnahmen in einem politischen Programm vereint. Zu sehen sind ausschließlich Modelle aus den Industrienationen, die in der Studie untersucht wurden. In Entwicklungs- und Schwellenländern sieht es mitunter etwas anders aus, aber auch in diesen Ländern haben kombinierte Maßnahmen einen hohen Anteil an der Vermeidung von CO2-Emissionen.
Die Prozent-Anteile in der Grafik zeigen, welchen Anteil die jeweilige Klimaschutz-Maßnahme an der Gesamtmenge erfolgreicher Politiken in dem entsprechenden Sektor hatte.
Ein Beispiel für eine besonders erfolgreiche Kombination von Maßnahmen sei der britische Stromsektor, sagt Moritz Schwarz. 2013 habe man dort einen CO2-Mindestpreis eingeführt, der die Emissionen in diesem Sektor massiv verringert habe. Durch die CO2-Bepreisung sei es gelungen, den Kohlestrom quasi aus dem Strommix "herauszupreisen" – geschafft habe man das allerdings nur, weil es ergänzende Maßnahmen gegeben habe. Die britische Regierung habe stark auf erneuerbare Energien gesetzt, dafür Förderungen entwickelt und Maßnahmen der Regulierung umgesetzt, die einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hätten, den gesamten Sektor zu dekarbonisieren. Klimaökonom Schwarz sagt, aus seiner Sicht sei dieses Modell auch für den deutschen Sektor relevant, quasi ein Vorbild.
Auch aus Deutschland gibt es zwei Beispiele für besonders effektive Klimapolitik, beide im Verkehrssektor: Hier hat man 1999 mit der Öko-Steuerreform die Emissionen in dem Sektor um sieben Prozent gesenkt. Damals wurden Anreize gezielt so gesetzt, dass die Menschen leichtere und sparsamere Fahrzeuge kauften. 2005 gelang es dann mit der LKW-Maut, die Emissionen nochmals um elf Prozent zu senken – ein Effekt, der langfristig anhielt.
Was bei der Kombination verschiedener Politik-Maßnahmen außerdem wichtig ist: Sie muss adaptiv sein, also sich anpassen und die Gegebenheiten in verschiedenen Wirtschaftssektoren und Nationen berücksichtigen. Die Studie zeigt auch, wie unterschiedlich verschiedene Wirtschaftssektoren in diversen Ländern funktionieren. Wer gute Politik machen will, muss die entsprechenden Vorbedingungen genau kennen und sich daran adaptieren, was möglich ist und was nicht. Moritz Schwarz sagt, er fände es unter diesem Gesichtspunkt wichtig, noch mehr Daten aus Ländern auf dem afrikanischen oder asiatischen Kontinent zu erfassen. Große Entwicklungsländer wie China, Indien und Südafrika seien zwar im Vergleich zu Vorstudien erstmals beachtet worden, würden sich aber mitunter stark von den Industrienationen unterscheiden und seien in der Studie weiter unterrepräsentiert.
4. Soziale Komponenten mitdenken
Moritz Schwarz betont, Parteien müssen sich bewusst sein, dass viele Ängste und Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern mitunter durchaus berechtigt seien. "Wenn ich keine Alternativen habe, um beispielsweise auf den ÖPNV umzusteigen oder keine Möglichkeiten, klimafreundlich zu heizen, dann sind das natürlich berechtigte Bedenken." Die Politik dürfe aus seiner Sicht nicht vergessen, dass die Maßnahmen auch immer soziale und gesellschaftspolitische Konsequenzen haben. "Gerade, wenn ich speziell einkommensschwache Haushalte treffe, muss ich mir Gedanken machen, wie ich hier die Effekte abfedere."
Im Vorfeld der Wahlen in Sachsen und Thüringen versprechen diverse Parteien, sich für den Klimaschutz zu engagieren. Andere werben damit, Klimaschutzmaßnahmen reduzieren zu wollen. Klimaökonom Moritz Schwarz betont an dieser Stelle: "Wir sind bereits auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität." Die gesamte Welt sei auf diesem Kurs, das könne man auf regionaler Ebene oder nationaler Ebene vielleicht noch ein paar Jahre in Frage stellen, aber eigentlich gebe es kein Ausweichen. "Wenn wir jetzt nicht Strategien entwickeln, wie wir als starker Wirtschaftsstandort dahin kommen, dann werden wir langfristig nicht viel gewinnen."
Zur Studie
Die Studie "Climate policies that achieved major emission reductions: Global evidence from two decades" ist im Journal Science erschienen und kann hier nachgelesen werden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. August 2024 | 10:18 Uhr