Innovation der TU Bergakademie Freiberg Wie eine Plasmafackel die Metallindustrie klimafreundlich machen soll
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13. Dezember 2024, 12:06 Uhr
Die Metallindustrie ist traditionell energieintensiv und setzt noch immer in hohem Maße auf fossile Technologien. An der TU Freiberg hat man eine Plasmafackel entwickelt, die die Metallindustrie klimafreundlicher machen soll. Nach rund vier Jahren Arbeit steht die strombasierte Fackel nun kurz vor der industriellen Umsetzung.
Freiberg, 2020: Der Fahrzeugbau-Student Tobias Wanner sucht nach einem Thema für seine Masterarbeit. In den Aushängen der Technischen Universität findet er ein Thema, das spannend und praxisnah klingt. Bietet sich an für eine Abschlussarbeit. Vier Jahre später ist er Doktorand, immer noch an der TU Freiberg. Sein Masterarbeitsthema hat ihn nicht mehr losgelassen. "Er ist drangeblieben wie ein Terrier, sonst wäre das Ding nie ins Laufen gekommen", sagt Betreuer Gotthard Wolf, Professor am Gießerei-Institut der TU. Nun steht das Ergebnis der Masterarbeit kurz vor der Industriereife und könnte einen Beitrag dazu leisten, die Klimabilanz der gesamten Metallindustrie entscheidend zu verbessern.
Zum Kontext: Die Metallindustrie trägt in hohem Maße zum Klimawandel bei. Sechs Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen derzeit allein auf das Konto der Stahl- und Aluminiumindustrie. Jährlich sind das ungefähr 4,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Eine Studie von 2019 prognostiziert, dass der gesamte Metall-Produktionssektor durch die steigende Nachfrage für Energie, Bauwesen, Sicherheit und Transport bis 2050 um 200 Prozent wachsen könnte. Wenn wir bis dahin klimaneutral sein wollen, muss der gesamte Sektor sich radikal verändern. Hochöfen, die man für die Stahlerzeugung verwendet, haben eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten – das bedeutet, dass man schon jetzt in Politik und Industrie die Weichen stellen müsste. Einfach ist das nicht, weil die Metallindustrie eine energieintensive Industrie ist, die immer noch stark auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas setzt.
Kohle bzw. der daraus entstandene Brennstoff "Koks" wird beispielsweise im Hochofenprozess als Reduktionsmittel für Eisenoxid eingesetzt. Das ist für die Eisen- und im Nachgang auch für die Stahlherstellung wichtig. Der Hochofenprozess ist schon sehr alt und gewissermaßen ein Klassiker im Chemieunterricht. Mittlerweile wird im Hochofen teilweise Erdgas eingesetzt, was die CO2-Emissionen bereits ein wenig reduziert. Als Nachfolger des Hochofens wird aktuell das wasserstoffbasierte Direktreduktionsverfahren gehandelt. Die Umstellung auf dieses Verfahren kostet viel Geld: Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp nennt für die eigenen Anlagen eine Summe von sieben Milliarden Euro.
Metalle schmelzen in der Mikrowelle
Daneben gibt es auch noch eine weitere Möglichkeit, die Emissionen der Metallindustrie zu senken: Man könnte auch den Anteil an Schrott, der von der Industrie wiederverwertet wird, erhöhen. Ein Metall einzuschmelzen, braucht deutlich weniger Energie, als es durch Reduktion aus seinem Erz zu gewinnen. Handelt es sich um reinen Stahlschrott, gibt es mit dem Lichtbogenofen bereits eine strombasierte Technologie. Für alles andere kommt Tobias Wanners Masterarbeit ins Spiel: Eine dreieinhalb Tausend Grad heiße Plasmafackel. Wanner verteilt Schutzbrillen, dann schaltet er die Fackel mit drei schnellen Griffen an. Die Flamme erinnert an eine Gasflamme mit ungewöhnlich weißer Farbe. Allerdings ist das schon der erste Trugschluss: Was aussieht wie eine Flamme, ist nichts als ionisierte Luft.
Im Grunde funktioniere die Plasmafackel ähnlich wie eine Mikrowelle, erklärt Tobias Wanner. Die zunächst gasförmige Luft im Inneren der Plasmafackel wird mit der Strahlung immer weiter erhitzt. "Wenn man dem Gas dann immer mehr Energie zuführt, dann wird das Gas irgendwann ionisiert, es spalten sich Außenelektronen ab und damit erreichen wir den Plasmazustand." Das ist neben fest, flüssig und gasförmig ein vierter Aggregatzustand. Was dann nach außen strömt und wie eine Flamme aussieht, ist also nicht das Produkt einer Verbrennung, sondern nichts als heiße Luft.
Ein "Mords-Sprung"
Gefüttert wird die Plasmafackel mit sechs Kilowatt Strom. "Also in etwa die Hälfte davon, was sie brauchen, um ein Einfamilienhaus im Winter gut warm zu bekommen", erklärt Gotthard Wolf. Das ist zwar nicht unbedingt energiesparend, aber "wenn wir jetzt diese Anlage hier mit grünem Strom betreiben, dann sind wir absolut grün im Schmelzen von Metallen. Die Metallurgie war immer schon ein energieintensiver Betrieb, aber dass es uns jetzt gelingt, hier raus aus diesen karbonischen Brennmitteln zu kommen, ist schon ein Mords-Sprung", findet Wolf. "Das, was jetzt hier rauskommt aus dem Brenner, ist von den Temperaturen her vergleichbar mit einer Erdgasfackel", erklärt Doktorand Tobias Wanner. Die nächstgrößere Plasmafackel hat Wanner auch bereits daneben gebaut. "Die ist dann schon bei 60 Kilowatt". Nun arbeiten Wanner und Wolf daran, die Technologie in die Industrie zu bringen. Ein Partner aus der Praxis unterstützt die beiden bereits mit dem technischen Know-how. Noch im nächsten Halbjahr soll die Plasmafackel in die Industrie gehen.
Mit Wasserstoff ginge es auch
Ganz ohne Konkurrenz ist die Plasmafackel allerdings nicht. Parallel dazu arbeiten Forschende und Industrie auch an einem Wasserstoffbrenner, der ebenfalls zum Schmelzen von Metallschrott eingesetzt werden könnte. Mit grünem Wasserstoff betrieben, wäre diese "Wasserstofffackel" ebenfalls komplett klimaneutral. Das wirft die Frage auf, welcher Technologiezweig sich längerfristig in der Industrie durchsetzen wird.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betont immer wieder, dass er an grünen Wasserstoff glaubt. Universitätsprofessor Gotthard Wolf sieht das kritisch. "Wir merken da eine große Ernüchterung bei den Betrieben, was das Thema Wasserstoff angeht". In Sachsen wisse man nicht, wann jemals eine Wasserstoffpipeline ankommen werde, noch dazu sei unklar, ob Wasserstoff dann für mittelständische Unternehmen finanzierbar sein werde. "Deswegen haben wir gesagt, wir warten nicht, sondern fangen mit elektrischen Lösungen an, ohne auf dieses 'Wunder Wasserstoff' zu hoffen." Er hingegen könne sich vorstellen, die Plasmafackel noch mit leistungsstarken Akkus auszustatten. "Dann ist es durchaus denkbar, dass man eine ganze Schicht, wenn etwa Dunkelflaute herrscht, aus dem Akku heraus bedient."
Einfach nur den Brenner tauschen?
Mehr als 20 Anfragen von Gießereien in ganz Deutschland habe man bereits. "Die würden sofort mit uns in die Technologie einsteigen, wenn wir Brenner zur Verfügung haben, die in den entsprechenden Größenordnungen laufen", betont Wolf. Dann könnte die Plasmafackel überall eingesetzt werden, wo es bisher Erdgasbrenner gibt. "Also beim Schmelzen von Aluminium, Glas, in der Zementindustrie oder zum Vorwärmen der Gießpfannen in der Stahlindustrie." Das ginge dann sogar ganz ohne große Umbauten, prognostiziert Tobias Wanner. Man müsse einfach nur den Brenner tauschen. Bis 2030 sei ein solcher Wechsel aus seiner Sicht realistisch, sagt Gotthard Wolf.
Billig – und das sei vielleicht zuletzt noch erwähnt – ist die Transformation der Metallbranche allerdings nicht. Ganz egal, ob die Unternehmen am Ende auf Wasserstoff oder Strom setzen. "Die CO2-Freiheit müssen wir bezahlen", betont auch Gotthard Wolf. Dass klimaneutraler Stahl eines Tages mal billiger wird als der heutige Stahl? Glaube er nicht, es sei denn, der fossil produzierte Stahl werde künstlich verteuert. Das wäre beispielsweise bei einer CO2-Bepreisung der Fall.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. Dezember 2024 | 17:10 Uhr
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