Auf dem Weg zur Gleichberechtigung Im Osten sind mehr Frauen in Führungspositionen als im Westen
Hauptinhalt
07. März 2025, 15:26 Uhr
Der Anteil von Frauen im Management von mittelständischen Unternehmen ist deutschlandweit recht unterschiedlich, im Osten aber durchschnittlich deutlich höher als im Westen. In einer Studie wurde nach möglichen Gründen geforscht. Ein Ergebnis: Dort, wo Frauen ohnehin besser in den Arbeitsmarkt integriert sind, zum Beispiel wegen mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, ist auch meist ihr Anteil in den Führungsebenen der Unternehmen höher.
Es gibt sie auch im 35. Jahr nach der Wiedervereinigung noch: diese auf aktuellen Daten basierenden, eingefärbten Karten von Deutschland, bei denen schon auf den ersten Blick ersichtlich ist, welche Umrisse die DDR einmal hatte. Die Bundestagswahl hat es wieder gezeigt. Ein ganz anderes Beispiel kommt aus der Wirtschaft und ist Teil einer Studie, die BWL-Doktorandin Natalie Welch von der Universität Trier mit einem Team durchgeführt hat. Es ging um die Frage, ob regionale Gegebenheiten Einfluss auf den Anteil von Frauen in Führungspositionen haben. Und eine dieser untersuchten Gegebenheiten ist der Anteil der Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen.
Genau 400 Stadt- und Landkreise gibt es in Deutschland. 75 davon (ohne Berlin) liegen in Ostdeutschland. Und tatsächlich lag die angesprochene Kinderbetreuungsquote im Untersuchungszeitraum in jedem einzelnen der 75 ostdeutschen Kreise höher als in jedem einzelnen der restlichen 325. Im Osten zwischen 67,5 und 48,9 Prozent. Im Westen und Berlin zwischen 47,6 und 16,8 Prozent. Grafisch sieht das dann so aus:
Was aber hat das nun mit Frauen in Führungspositionen zu tun? Genau dieser Frage ging auch die Trierer Forschungsgruppe nach. Denn es könnte ja sein, dass schon die generelle Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt von Region zu Region unterschiedlich ist – und dass sich das dann auch auf den Frauenanteil in den Chefetagen auswirkt. Drei statistische Faktoren hat das Team aus Trier ausgemacht, die über die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt in der jeweiligen Region Aufschluss geben. Außer der angesprochenen Kinderbetreuungsquote sind das der Anteil der Kindsväter, die in Elternzeit gehen und natürlich die Beschäftigungsquote unter den Frauen selbst.
Alle drei Faktoren wurden von der Forschungsgruppe auf Kreisebene ausgewertet. Die Ergebnisse können Sie in der oberen Grafik sehen, indem Sie auf die jeweilige Schaltfläche über der Karte klicken. Nicht überall ist der Ost-West-Unterschied so groß wie bei der Kleinkindbetreuung, bei der Frauen-Beschäftigungsquote aber auch sichtbar, mit leichter Tendenz zu einem Südost-Nordwest-Gefälle, das wiederum beim letzten Faktor, den Elternzeit-Vätern, noch ausgeprägter wird.
Indikator für "regionale Arbeitsmarktintegration von Frauen"
Aus allen drei Faktoren zusammen hat die Forschungsgruppe dann einen Indikator berechnet, der für jeden der 400 deutschen Kreise angibt, wie gut oder schlecht Frauen in den Arbeitsmarkt integriert sind. Das Ergebnis ist nach Ansicht der vorherigen drei Karten erwartbar. Die positiven Spitzenwerte bei diesem Indikator findet man im Osten (Hildburghausen und Greiz in Thüringen, Bautzen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Sachsen), die negativen im Westen (Gelsenkirchen und Duisburg in Nordrhein-Westfalen, Frankenthal in Rheinland-Pfalz, Bremerhaven).
Auf Bundesland-Ebene betrachtet, liegen die "neuen" Länder (ohne Berlin) geschlossen an der Spitze: Sachsen vor Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Frauen im Osten sind also generell deutlich besser in den Arbeitsmarkt integriert als im Westen. Aber bis hierhin war alles nur Grundlage für die entscheidende Frage: Wirken sich diese zum Teil deutlichen regionalen Unterschiede, zumindest statistisch, auch auf den Frauenanteil in unternehmerischen Führungspositionen aus? Die Forschungsgruppe um Natalie Welch hat sich dazu fast 25.000 mittelständische Unternehmen (50 bis 500 Beschäftigte) mit deutschen Eigentümern angeschaut.
Ost-West-Gefälle auch bei Frauen in Führungspositionen
Und da kamen zwei Phänomene zum Vorschein. Erstens eine überraschend große Varianz, was den Frauenanteil im Management angeht. Die Ergebnisse lagen im Durchschnitt bei 23,49 Prozent, reichten aber auf Kreisebene von 8,8 (Ansbach, Bayern) bis 46,4 Prozent (Frankfurt/Oder). Und zweitens ein letztlich doch wieder sichtbares Ost-West-Gefälle.
Das sei zum einen auf die schon angesprochene bessere Arbeitsmarktintegration von Frauen in Ostdeutschland zurückzuführen, sagt Projektleiter Jörn Block, BWL-Professor in Trier. Zum anderen könnte es aber auch historische Gründe haben. "Es könnte immer noch daran liegen, dass Frauen in der ehemaligen DDR besser in den Arbeitsmarkt integriert waren und es dementsprechend 'selbstverständlicher' ist, dass Frauen Führungspositionen in Unternehmen innehaben", so Block. In Westdeutschland dagegen sprächen die genannten Faktoren häufig gegen den beruflichen Aufstieg von Frauen in das Management von mittelgroßen Unternehmen.
Die schon erwähnte recht hohe Varianz auf Kreisebene sorgt dafür, dass die Karte nicht ganz so homogen gefärbt ist wie die Karten zuvor. Starke Ausreißer im Osten nach unten (Kreis Havelland in Brandenburg 12,6 Prozent) und im Westen nach oben (Kreis Garmisch-Partenkirchen in Bayern 42,8 Prozent) sind vorhanden. Die Trierer Forschungsgruppe hat die Werte aber auch auf Bundesland-Ebene berechnet. Und da ist das Ost-West-Gefälle dann noch deutlicher sichtbar. Die Spanne beim Frauenanteil in Führungspositionen reicht von 29,6 Prozent in Sachsen-Anhalt bis zu 21,2 Prozent in Nordrhein-Westfalen.
Außerdem sichtbar in folgender Grafik: der Zusammenhang mit dem eingangs berechneten Indikator für die Arbeitsmarktintegration. Bundesländer mit positivem Indikator sind auch bei der Führungspositionsquote vor allem vorn zu finden, Länder mit negativem Indikator vor allem hinten.
Sozialforscherin Allmendinger: Ostdeutsche Frauen sind "Ikonen des Lebens"
Sozialforscherin Jutta Allmendinger, Deutschlands bekannteste Expertin beim Thema Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Beruf und Familie, hat in einem Interview mit MDR Wissen gesagt, Kulturen seien "klebrig". Sie meint damit, dass sich eingeschliffene Verhaltensweisen, selbst wenn sie aus einer Zeit vor der Wiedervereinigung stammen, nur langsam verändern. Aber für eine Sozialwissenschaftlerin wie Allmendinger sei absolut faszinierend zu sehen, "dass so viele Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung die ostdeutschen Frauen noch so richtige Vorbilder sind, so richtige Ikonen des Lebens. Die haben von ihren Müttern, von ihren Großeltern ganz andere Selbstverständlichkeiten des Erwerbstätigseins mitbekommen." Und außerdem seien eben Strukturen von Kitas und Ganztagsschulen im Osten immer noch besser. Daher das Ost-West-Gefälle.
Das typische (oder durchschnittliche) mittelständische Unternehmen in Deutschland sieht laut den Zahlen der neuen Studie aus Trier übrigens folgendermaßen aus: Es hat 122 Beschäftigte, die Führungsebene besteht aus vier Personen, nämlich typischerweise drei Männern und einer Frau. Ost-West-Gefälle hin oder her, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auf Führungsebene ist das natürlich noch längst nicht.
Familienunternehmen unterscheiden sich beim Frauenanteil nicht sonderlich
Ein weiterer Fokus der Studie lag auf Familienunternehmen. Aber zwischen Familien- und Nicht-Familienunternehmen konnte kein genereller Unterschied im Anteil von Frauen im Management festgestellt werden. "Spannend ist aber, dass die regionalen Faktoren bei Familienunternehmen einen geringeren Einfluss haben", sagt Studienautorin Natalie Welch.
Für Rena Haftlmeier-Seiffert von der EQUA-Stiftung zur Erforschung von Familienunternehmen, die Fördergelder für diese Studie zur Verfügung gestellt hat, kommt dieses Teilergebnis überraschend. "Wir erleben immer wieder, dass Töchter die Geschäftsführungsnachfolge antreten, weshalb der Eindruck entstanden war, dass es in Familienunternehmen mehr weibliche Führungskräfte geben müsste." Die EQUA-Geschäftsführerin vermutet daher, dass sich zumindest in den jüngeren Jahrgängen ein höherer Frauenanteil bei familiengeführten Firmen zeigen würde. Das wurde in der Studie allerdings nicht untersucht.
Für die Forschungsgruppe um Natalie Welch und Jörn Block aus Trier ergeben sich durch die Studie klare Handlungsmöglichkeiten für die Politik: kulturelle und strukturelle Hindernisse für Frauen thematisieren, mehr Betreuungsplätze schaffen und flexiblere Arbeitsbedingungen ermöglichen.
Und neue Ideen, was sie selbst mit der durch die Studie erbrachten Datengrundlage tun können, haben Welch und Block auch schon, nämlich herauszufinden, welche Konsequenzen der Frauenanteil im Management eines Unternehmens hat: "Im nächsten Schritt wollen wir untersuchen, wie sich Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen im Vergleich zu anderen Unternehmen in Bezug auf Performance und ökologischer Nachhaltigkeit schlagen und welchen Einfluss die genannten regionalen Faktoren darauf haben."
Links/Studien
Die Studie "Regional labor market integration of women and the share of women in management: are family firms different?" ist bei Springer Nature erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. Februar 2025 | 12:14 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/61a0c96a-854e-4334-8f54-d3fdd1fb7c93 was not found on this server.