"Selbstbestimmt" | In der ARD-Mediathek Frauen und Macht: Wie schwer ist das?
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19. April 2024, 15:12 Uhr
Frauen in Führungspositionen sind noch immer eine Seltenheit. Wie sich das ändern lässt, erkundet "Selbstbestimmt"-Hostin Gina Rühl mit Verena Bentele, die einst bei den Paralympics Medaillen holte und heute den größten deutschen Sozialverband VdK leitet. Sie triff Chefärztin Veronika Wolter, die mit Cochlea Implantat lebt und in einer HNO-Klinik praktiziert. Sie besucht Simone Thedens, die ein Familienunternehmen leitet und empfiehlt: "Hört auf, Blau und Rosa zu denken." Influencerin Gina Rühl fragt: "Frauen und Macht – Wie schwer ist das?"
Ob in Wirtschaft, Medizin oder Politik: Frauen in Führungspositionen sind noch immer eine Seltenheit. Nur 17 Prozent der Geschäftsleitungen in deutschen Unternehmen sind von Frauen besetzt und auch im Bundestag sind nur 31 Prozent der Abgeordneten weiblich. Warum das so ist und wie sich das ändern könnte, erkundet Gina Rühl als Hostin von "Selbstbestimmt". Die Influencerin trifft Frauen mit und ohne Behinderung, die sich in Führungspositionen vorgekämpft haben.
Unternehmerin Thedens: "Hört auf, Blau und Rosa zu denken"
Wie zum Beispiel Simone Thedens, Geschäftsführerin eines Familienunternehmens für Karosseriebau und Fahrzeuglackierung in Düsseldorf. Sie setzt sich für mehr Frauen im Handwerk ein. Laut Statistischem Bundesamt sind nur 10,6 Prozent der Erwerbstätigen in Handwerksberufen weiblich. Und nur jeder fünfte Handwerksbetrieb wird laut Zentralverband des Deutschen Handwerks von einer Frau geführt. Simone Thedens achtet daher bei ihren Auszubildenden darauf, dass auch Frauen eine Chance bekommen. Für Mütter hat sie deshalb individuelle Arbeitszeitmodelle in ihrem Unternehmen geschaffen. Und ihr Betrieb bezahlt gerade die Meisterschule für eine junge Frau. Simone Thedens will helfen, überholte Stereotype zu überwinden:
Hört auf, Blau und Rosa zu denken. Berufe sind für Menschen, nicht männlich oder weiblich.
Heute führt sie ein Unternehmen mit 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an drei Standorten. Gelernt hat sie von der Pike auf, gegen das Vorurteil ihres Großvaters, als Frau weniger kompetent und durchsetzungsfähig zu sein, aber dank der Unterstützung durch ihren Vater und mit ihrem ganz eigenen, aufs Team orientierten Führungsstil. Sie findet es wichtig, dass erfolgreiche Frauen nach vorne gehen und ihren Nachwuchs mitnehmen.
Chefärztin Wolter setzt auf flache Hierarchien und Teamdenken
Mit Vorurteilen war auch Veronika Wolter in ihrer Karriere konfrontiert: "Ich sollte nicht Medizin studieren, ich sollte nicht Ärztin werden und ich sollte schon gar nicht in den OP." Heute ist sie Chefärztin der HNO- und Hörklinik Oberbayern am Helios Klinikum München-West. Und damit eine Ausnahme. Nur 13 Prozent der Chefarztstellen sind laut Deutschem Ärztebund mit Frauen besetzt. Während ihres Studiums wurde sie als angehende Ärztin von männlichen Kollegen oft unterschätzt oder nicht ernst genommen, weil sie eine Frau ist und auch wegen ihrer Behinderung.
Veronika Wolter ist seit ihrem neunten Lebensjahr taub. Sie ist deshalb auf ein Cochlea-Implantat angewiesen, eine Art Hörgerät, das direkt mit dem Hörnerv verbunden ist. So weiß sie, wie die Patientinnen und Patienten sich fühlen, die sie heute operiert. Sie hat sich durchgesetzt, und die "gläserne Decke" durchbrochen, um gestalten zu können, nicht um der Macht willen, wie sie betont. Als Chefärztin trägt sie heute die Verantwortung für ein 12-köpfiges Team. Flache Hierarchien sind für Veronika Wolter die Voraussetzung für ein gutes Miteinander:
Wenn die Leute merken: Okay, wir sind alle hier und kämpfen für eine gemeinsame Sache, nämlich um die optimale Versorgung der Patienten, dann entsteht auch ein guter Teamgeist.
VdK-Chefin Bentele: Das eigene Netzwerk stärken
Gehen Frauen anders mit Macht um als Männer? In Berlin trifft Gina Rühl Verena Bentele. Einst holte sie Goldmedaillen bei den Paralympics, war Weltmeisterin im Biathlon sowie im Skilanglauf. Von 2014 bis 2018 war sie Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, als erste Frau mit Behinderung. Heute ist sie Präsidentin des größten deutschen Sozialverbandes VdK.
Wie sie ihre Arbeit managt und was ihr dabei hilft, erzählt sie Gina Rühl, die sie einen Tag lang begleitet. So ist Gina auch bei einem Treffen mit Familienministerin Lisa Paus dabei. Wie wichtig das Netzwerken von Frauen in politischen Ämtern ist, erklärt Verena Bentele nach der Zusammenkunft so:
Wir haben verstanden, dass auch wir Frauen zusammenarbeiten müssen, deutlich intensiver als bisher. Männliche Machtstrukturen funktionieren ja auch so, dass man sich gegenseitig unterstützt und informiert. Und wir Frauen im politischen Berlin können das ebenso.
Von wegen Quotenfrau
Für die Frauen, die Gina Rühl getroffen hat, ist Macht lediglich ein Mittel, um in ihrem Arbeitsbereich etwas zu verändern. Sie haben sich durchgesetzt, auch wenn andere ihnen das anfangs vielleicht nicht zutrauten. Als "Expertin für weibliche Macht" erfährt sie von Simone Menne, dass Frauenquoten durchaus ein Weg sind, um Chancengleichheit herzustellen. Menne war Finanzchefin der Lufthansa AG, sie sitzt heute in mehreren Aufsichtsräten und macht den Podcast "Die Boss". Sie stellt klar: "Sie brauchen, um diese Systeme zu durchbrechen, eine kritische Anzahl von Frauen. Mit der Quote muss man zunächst mal arbeiten, damit Frauen überhaupt gesehen werden. Deswegen führt die Quote nicht dazu, dass sie die schlechtere Frau nehmen, sondern die genauso gute oder bessere Frau finden!"
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt | 21. April 2024 | 08:00 Uhr