Klimagipfel COP27 Das wird wichtig auf der Weltklimakonferenz in Ägypten
Hauptinhalt
06. November 2022, 10:51 Uhr
Am Sonntag (06.11.2022) beginnt die Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el-Scheich, in Ägypten. Große Entscheidungen werden von Experten nicht erwartet, aber neue Schwerpunkte: Etwa die Behandlung von unvermeidlichen Schäden durch den Klimawandel, dem sogenannten "Loss and Damage".
Die 27. UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich wird eine besondere, denn in diesem Jahr steht das Treffen von Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten zur Bekämpfung des Klimawandels unter dem Eindruck des russischen Einmarschs in die Ukraine. Die damit verbundenen Probleme etwa für die Energiebeschaffung in Europa und die globale Nahrungsmittelverteilung haben die Erderwärmung teilweise von der aktuellen Berichterstattung verdrängt. Experten fordern aber, sie wieder auf die Tagesordnung zu holen – wie etwa bei einem Virtuellen Press Briefing, das das Science Media Center im Vorfeld der Klimakonferenz abhielt.
Versprechen an ärmere Länder mehrfach gebrochen
Seit der letzten Klimakonferenz in Glasgow habe sich kaum etwas getan, was auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun habe, der viele Pläne durcheinandergebracht habe, erklärt Prof. Niklas Höhne. "Aber das Klimaproblem geht nicht weg" betont der Leiter des New Climate Institute in Köln. Das habe man gerade erst wieder an Extremereignissen wie dem Hitzesommer in Deutschland oder den Überschwemmungen in Pakistan gesehen. Solche Entwicklungen werde es in Zukunft auch geben, wenn das 1,5-Grad-Ziel von Paris 2015 erreicht werde, so Höhne. Wenn nicht, wonach es derzeit aussieht, könnte die Situation "katastrophal" werden.
Sein Kollege Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie erinnerte an das auf der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen gegebene Versprechen, dass ab 2020 die ärmeren Länder 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhalten sollen, um sich besser an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können. "Diese Versprechungen wurden mehrfach gebrochen, was auch die Verhandlungen in Scharm el-Scheich belasten könnte", meinte Obergassel. Nach Berechnungen der Industrieländer-Organisation OECD beliefen sich die Zahlungen 2020 auf rund 80 Milliarden Dollar, die Entwicklungsländer kommen auf eine deutlich geringere Summe.
Kleinster gemeinsamer Nenner wird nach vorn verschoben
Was ist nun von der anstehenden Konferenz zu erwarten? Einige Experten sehen das Thema "Loss and Damage" ganz oben auf der Tagesordnung. Dabei geht es darum, wie unvermeidliche Verluste (loss) und die Schäden (damage), die durch den Klimawandel entstehen, ausgeglichen werden können. Denn komplett lässt sich die globale Erwärmung nicht mehr verhindern und auch nicht überall kann man sich daran anpassen. Obergassel nennt als Beispiel die notwendige Umsiedlung von Menschen, die auf Inseln leben, die bald unter dem Meeresspiegel liegen werden.
"Loss and Damage" ist vor allem ein Anliegen der Entwicklungsländer, während sich die Industriestaaten dagegen sträuben, da sie hohe Entschädigungszahlen fürchten. "Die USA sind da beispielsweise sehr zurückhaltend, weil die Kosten theoretisch endlos werden können", erklärt Niklas Höhne. Bei den Initiativen dazu habe sich darum bisher kaum etwas getan und auch eine Organisation, die sich um eine mögliche Finanzierung kümmern könnte, wurde noch nicht geschaffen.
Daran, dass Klimakonferenzen nicht immer ergebnislos enden müssen, erinnerte Dr. Lambert Schneider vom Berliner Öko-Institut: "Paris 2015 war eine Sternstunde, die die meisten Erwartungen übertroffen hat." Letztlich einige man sich auf solchen Treffen zwar fast immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, aber der werde eben auch immer weiter nach vorne verschoben. Wichtig sei, sich nicht nur auf die jährlichen Klimakonferenzen zu verlassen, sondern auch dazwischen neue Regeln zu schaffen und sich daran zu halten.
Leipziger Forscher schlägt "Loss-and-Damage"-Fond vor
Mit in Scharm el-Scheich dabei sein wird auch Prof. Reimund Schwarze vom Leipziger Umweltforschungszentrum (UFZ). Vor seiner Abreise hat sich der Klimaökonom zur Ausgangslage für die Klimakonferenz geäußert und dabei betont, dass er wegen der Kriege und Krisen der vergangenen Jahre "so gut wie keine Fortschritte" sieht bei der Umsetzung der Beschlüsse von Glasgow u.a. für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverbrennung und dem genannten Versprechen der 100 Milliarden Dollar jährlich für die Klimaschäden in ärmeren Ländern.
Auch für Schwarze wird "Loss and Damage" wohl das bestimmende Thema der COP27 sein. "Eine gegenüber der humanitären Hilfe gut abgegrenzte Form wäre zum Beispiel die Schaffung eines Loss-and-Damage-Fonds für schleichende Klimaschäden - etwa für die wachsende Zahl der Menschen, die aufgrund von Wasserstress ihre bäuerliche Existenz aufgeben müssen und auf der Suche nach Arbeit in die Slums der Großstädte abwandern", schlägt der Forscher vor.
Ich erwarte, dass die EU ihre freiwilligen Zusagen zum Klimaschutz aufstockt.
Eine andere Idee wäre die Schaffung eines Hilfsfonds für langfristig angelegte Maßnahmen des Wiederaufbaus nach Naturkatastrophen. "Die Gelder dafür müssen allerdings noch gefunden werden. Das ist schwierig in dieser krisengeplagten Zeit, sollte aber keine unüberwindliche Hürde darstellen", resümiert Schwarze. "Eine wichtige Rolle in Scharm el-Scheich werden auch Deutschland und die EU spielen", so der Klimaforscher. "Ich erwarte nach den jüngsten Booster-Beschlüssen zum EU-Klimaschutzpaket "Fit for 55" - darunter dem Bekenntnis auch von Deutschland zum Verbrenner-Aus bis 2035 -, dass die EU ihre freiwilligen Zusagen zum Klimaschutz aufstockt."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. November 2022 | 11:10 Uhr