MDR KLIMA-UPDATE | 4. März 2022 Es gibt Hoffnung. 🥦
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Aber bald ist es nicht mehr noch nicht ganz zu spät.
04. März 2022, 11:17 Uhr
Es ist noch nicht alles verloren, das können Sie uns glauben. Und selbst der Weltklimarat IPCC sagt das. Aber es muss endlich losgehen, Klima, Mensch und Natur als ein großes Ganzes zu denken. Wenn das nur gerade so einfach wäre.
Liebe Lesende,
musste grad an Brokkoli denken, seines Zeichens ein tendenziell gesundes Nahrungsmittel mit einer schönen Farbe. Also … das nur so.
Oder wie würden Sie diesen Newsletter in dieser Woche beginnen? Ich habe – ehrlich gesagt – keine Ahnung. Was soll man auch sagen, was nicht schon gesagt ist. Außer vielleicht, dass das, was gerade die Nachrichten dominiert, in allerlei Hinsicht auch ein Klima-Thema ist. Dazu später mehr.
Ich wollte diesen Newsletter eigentlich mit dem Satz "Bald ist es nicht mehr noch nicht ganz zu spät" überschreiben. Mittwochmorgen beim Zähneputzen kam mir dann so in den Sinn, dass man besser daran täte, ein bisschen Hoffnung anbei zu senden. 🥝 (Kiwi. Auch gut.) Denn eigentlich wissen wir ja, dass es mit dem Handeln gegen die Erderwärmung fast schon zu spät ist. Aber fast heißt nicht komplett zu spät, das unterstreicht der – bitte kurz festhalten, Satzungetüm – zweite Teil des Sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC, der am Montag veröffentlicht wurde.
💡 Wir erinnern uns kurz: Der IPCC-Bericht ist der wissenschaftliche Goldstandard, wenn es um Forschung zum Klimawandel geht. Ich lese in der Veröffentlichung verschiedene Kernbotschaften. Fangen wir mal mit der ersten an:
1️⃣ Es gibt noch Handlungsspielraum.
Dazu möchte Ihnen erstmal eine Grafik zeigen, die ich mir vom IPCC entliehen und etwas vereinfacht habe:
Sagen wir es mal so: Viele Wege führen zu einer Erholung des Klimas. Die Frage ist nur, wann wir endlich die notwendigen Hebel in Bewegung setzen und was schließlich am Ende rausspringt. Wir müssen bis zum Ende des Jahrhunderts definitiv mit einer Erwärmung der Erde rechnen (und den entsprechenden Folgen). Um das gänzlich zu verhindern, haben wir zu viele Chancen verpasst. Aber diese Erwärmung wird zu bewältigen sein, sofern wir jetzt an den richtigen Stellschrauben und -schräubchen drehen. Allen voran die massive Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen.
Das Modell zeigt, dass sich aufgeschobenes Handeln auch auf den maximal möglichen Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel auswirkt. Und, so ehrlich ist die Grafik: Unvorhersehbare Ereignisse können jeden eingeschlagenen Pfad außer Kontrolle bringen. Dazu zählen durch den Klimawandel verursachte Katastrophen genauso wie andere Krisen – z.B. die Covid-19 Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Wichtig ist, dass die Maßnahmen nicht irgendwann, sondern jetzt passieren. Maßnahmen, die den Klimaschutz betreffen, aber auch solche zur Anpassung an die neuen Gegebenheiten. 🫒
(Mögen Sie auch so gern Oliven?)
2️⃣ Anpassung und Gegenmaßnahmen müssen Hand in Hand gehen.
Die Grafik oben und die generelle Festlegung auf das 1,5-Grad-Ziel zeigen, dass wir eine Erderwärmung grundsätzlich nicht verhindern können. Es geht demnach nicht nur darum, das Schlimmste zu verhindern. Sondern wir müssen auch lernen, mit wärmerer Temperaturen und den Folgen umzugehen, zum Beispiel mit dem steigenden Meeresspiegel.
Die Niederlande etwa liegen bekanntlich zu größeren Teilen unterhalb des Meeresspiegels. Im Nordosten Amsterdams ist zum Beispiel zu beobachten, dass man beginnt, mit dem Wasser zu leben, statt es zu verhindern. Das geht freilich nur in begrenztem Umfang. Dennoch zählt zum Klimawandel die Überlegung, welche Lebensräume wir weiter nutzen können und welche wir aufgeben müssen. Okay, leicht gesagt – und erklären Sie das mal der Bevölkerung eines Inselstaates, die am Ende nicht mal was für den steigenden Meeresspiegel kann.
Auch unsere Städte werden sich verändern müssen. Grüne Städte, grüne Architektur, genug Frischluft. Denn gerade Ballungszentren sind von Hitzerisiken besonders betroffen. Besonders in den dicht besiedelten Gebieten Europas wird das ein zunehmendes Problem mit Wasserknappheit und deutlich steigenden Zahlen von Hitzeopfern. Damit zum dritten Punkt.
3️⃣ Der Klimawandel ist auch vor unserer Haustür ein dickes Ding.
Hier mal noch eine Grafik, die ganz spannend für Sie sein könnte:
Wir müssen hier nicht ins Detail gehen, um zu erkennen, dass auf dem Kontinent insbesondere unsere Breiten von der Klimakrise betroffen sind. Schon jetzt erwärmt sich Europa schneller als der globale Durchschnitt. Anders als in vielen anderen Ecken der Erde stehen uns deutlich mehr Ressourcen zur Verfügung, der Erderwärmung zu begegnen. Die müssen wir auch dringend nutzen, schließlich ist der Großteil der Treibhausgasemissionen nicht auf den globalen Süden zurückzuführen, sondern auf die Industriestaaten, die da seit Jahrzehnten weitestgehend in Saus und Braus leben.
4️⃣ Es ist alles eins.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Das beste Rezept gegen eine unverhältnismäßig hohe Erwärmung der Erde ist eine intakte Natur. So ist die Biodiversitätskrise – Stichwort Artensterben – und der Rückgang von Räumen für Ökosysteme auch eine Klimakrise. Und andersrum. Im aktuellen Bericht mahnt der Weltklimarat, solche Krisen mehr zusammen zu denken und nicht in ihren einzelnen Silos getrennt voneinander zu betrachten.
Die Rückkehr zur Natürlichkeit ist auch das, was uns u.a. helfen wird, uns an die klimatischen Veränderungen anzupassen. Nachhaltige Städte mit grünen Fassaden und genug frischer Luft sind schon mal ein guter Anfang.
🥒 (Eine saftige Gurke. Nicht schlecht.)
👓 Weiterlesen:
➡️ Hier lesen Sie meine Notizen zu den Einzelheiten des aktuellen IPCC-Berichts 📄
➡️ Hier geht es noch mal konkret um Europa 🇪🇺
Und der Krieg?
Russlands militärische Invasion der Ukraine wirkt nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt – wobei an dieser Stelle festzuhalten ist, dass Krieg immer und überall zu einem schlechten Zeitpunkt kommt. Die Menschheit hat mit der Covid-19-Pandemie und dem Klimawandel gerade andere existenzielle Probleme. Und so wird sich dieser durch nichts zu rechtfertigende Krieg wie auch die Pandemie negativ auf die Bekämpfung der Klimakrise auswirken. Der Klimaforscher Hans-Otto Pörtner ist Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des 6. IPCC-Berichts – er geht von einer Verzögerung durch den Konflikt in der Ukraine aus. Und bringt es auf den Punkt:
Es kann nur kontraproduktiv sein, die nationalen Ressourcen in die Verteidigung zu stecken.
Es geht aber auch um Aufmerksamkeits-Ressourcen. Bestes Beispiel dafür ist die Nachrichtenlage am Montag: Die Veröffentlichung des Berichts war in vielen Medien nur eine Randnotiz – auch auf mdr.de – und wenn überhaupt, dann eine Push-Mitteilung von vielen auf den Sperrbildschirmen der Smartphones. Der Fokus lag (verständlicherweise) komplett woanders und die mehr als deutliche Botschaft des Berichts hat es kaum geschafft, das ihr zustehende Maß an Mindestaufmerksamkeit zu erreichen.
Ähnliches gilt für die Jahrhundertflut im Südosten Australiens 🇦🇺 – nach den Waldbränden 2019/2020 eine weitere große Katastrophe, die durch die Dominanz eines sinnlosen Krieges kaum Aufmerksamkeit erfährt – und auch in diesem Newsletter nur eine Randnotiz ist, siehe unten.
Gleichzeitig wird darüber diskutiert, wie sicher Deutschlands Energieversorgung ohne russisches Gas- und auch Öllieferungen ist. Und ob es denn nicht eine gute Idee wäre, den Kohleausstieg zu vertagen und die ausgemusterten AKWs wieder hochzufahren bzw. länger laufen zu lassen. (Das halten selbst die Betreiber für unklug.)
Möglicherweise führt die Russland-Krise aber dazu, dass der Spieß umgedreht wird: eine politisch unabhängige und gleichzeitig zukunftsfähige Energieversorgung kann nur durch erneuerbare Energien passieren. Deren Ausbau könnte jetzt deutliche Beschleunigung erfahren, so auch die Auffassung von Expertinnen und Experten, eben weil bei Sonnen- und Windkraft beschleunigtes Handeln möglich ist (anders als bei Kernkraftwerken).
Mehr Notizen zum Thema lesen Sie hier:
➡️ Was bedeutet die Russland-Ukraine-Krise für Energieversorgung und Energiewende? 🔌
🎓 Das sagt der Experte:
Wir haben den Umwelt- und Biodiversitätsforscher Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig-Halle gebeten, uns eine Einschätzung zum neuen Teil des Weltklimaberichts zu notieren. Darin unterstreicht Herr Settele die Aussagen des Berichts, u.a. dass Mensch, Klima und Natur nicht voneinander getrennt gedacht werden dürfen. Und spricht dabei einen wichtigen Punkt an:
Na dann, gehen wir das Dilemma mal an, was?
📰 Was sonst noch so los war
- 🌡 Der Winter 2021/2022 war zu warm – und ist der elfte in Folge. So lagen die Temperaturen im Schnitt 3,1 Grad über denen des langjährigen Mittels bzw. 1,9 Grad über dem Mittel ab 1990. Die höchste Temperatur erreichte Rheinfelden im Südwesten Baden-Württembergs am 4. Januar mit 18,2 Grad – die niedrigste wurde im bayerischen Oberstdorf mit -19,2 Grad am 22. Dezember gemessen. Alle Infos beim DWD.
- ⛽️ Biokraftstoffe seien umweltschädlicher als herkömmlicher Sprit – zu dieser Feststellung kommt eine Studie, die die Deutsche Umwelthilfe in Auftrag gegeben hat. Sie fordert einen sofortigen Ausstieg. Grund sei der hohe Flächenverbrauch. Der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie weist das zurück. Hintergründe hat die tageszeitung.
- 🐨 Australien hat in zwei Bundesländern den Gefährdungsstatus von Koalas auf "bedroht" gesetzt. U.a. durch den Klimawandel begünstigte Katastrophen haben der Population schwer zugesetzt. Offiziellen Zahlen zufolge hat sich die in den vergangenen Jahren mehr als halbiert. Mehr gibt's bei der Deutschen Welle.
- 🌊 Unterdessen breitet sich die Flutkatastrophe im Südosten Australiens weiter aus. Australiens Ostküste erlebt die schlimmsten Überflutungen seit Menschengedenken, so die tagesschau. Bereits zehntausende Menschen mussten sich in Sicherheit bringen. Nun bedroht das Wasser den Großraum Sydney.
👋 Zum Schluss
Essen Sie grünes Obst und Gemüse. Es hält gesund und macht hoffnungsvoll. 🍐
Und passen Sie auf sich und die Welt auf.
Herzlich
Florian Zinner
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