Ansicht von oben: Ein Koala-Weibchen trägt ihr Baby auf dem Rücken und läuft auf Waldboden, Blätter im Vordergrund.
Koalas leisten einen wichtigen Beitrag in australischen Ökosstemen. Ihr Bestand ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen – auch durch Klimakatastrophen. Bildrechte: IMAGO / agefotostock

Gastbeitrag zum IPCC-Bericht Biodiversität und Klimawandel gemeinsam denken – ohne die Lorbeeren zu ernten

03. März 2022, 16:38 Uhr

Im neuen Teil des aktuellen Weltklimaberichts stehen die Zusammenspiele von Ökosystemen und Klima, Anpassung und Handeln im Vordergrund. Nur so kann der Kampf gegen die Erderwärmung gelingen, findet auch Umweltforscher Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle. Menschen müssten aber beginnen, für etwas zu kämpfen, ohne den Erfolg noch selbst mitzubekommen.

Der neue Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarates unterstreicht nicht nur die bislang vorhandenen Erkenntnisse bezüglich der Folgen des Klimawandels, unserer Verletzlichkeit und Möglichkeiten der Anpassung, sondern begibt sich viel weiter als in vorhergehenden Berichten in Richtung umfassender Integration. Dies betrifft z.B. die Integration und Ansprache von indigenen Bevölkerungsgruppen und lokalen Akteuren, vor allen Dingen aber die Notwendigkeit den Klimawandel im Kontext von Biodiversität und sozialen Faktoren in den Griff zu bekommen, zumal alle drei Faktoren eng miteinander verknüpft sind.

Betrachten wir beispielsweise die sogenannten Kipppunkte (also irreversible Veränderungen), die im Kontext des Klimawandels zentral diskutiert werden. Sie reichen vom Verschwinden der Korallenriffe über die Eisschmelze in den Polargebieten und die Veränderung der Monsun-Regen bis zur Veränderung wichtiger Meeresströmungen sowie dem Verlust der Wälder in den Tropen und im Norden. Sie sind mit einer weiteren großen Umweltkrise eng verbunden, dem Verlust der Biodiversität. Letztlich kann man auch jede ausgestorbene Art als eine verstehen, die einen Kipppunkt überschritten hat und unwiederbringlich verloren ist. Pflanzen, Tiere und andere Lebewesen der Erde halten gemeinsam wichtige globale Kreisläufe aufrecht, die auch die Grundlage für menschliches Leben sind. Wie viele Arten aussterben dürfen bis ökologische Systeme zusammenbrechen, wissen wir nur dann wirklich, wenn es zu spät ist. Es geht beim Klimawandel und dem Verlust von Arten, genauso wie bei der Vermeidung des Ausbruches von Epidemien und Pandemien darum, präventiv zu agieren.

Die Bevölkerung muss sich also zu Veränderungen bekennen, deren Erfolge sie selbst nicht mehr mitbekommt – ein Grunddilemma präventiver Vorgehensweisen.

Josef Settele UFZ

Ein wichtiger Punkt, wenn es um das Erreichen der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung inklusive Ökosysteme und Klima geht, ist die Beteiligung der Gesellschaft als relevanter Treiber der Veränderung. Politik passiert nämlich immer dann, wenn die Gesellschaft Druck ausübt. Dafür müssen die Menschen sich mit dem Thema identifizieren können. Beim Klimaschutz wie beim Schutz der Biodiversität geht es häufig um Maßnahmen, deren Ergebnisse erst später sichtbar werden. Die Bevölkerung muss sich also zu Veränderungen bekennen, deren Erfolge sie selbst nicht mehr mitbekommt – ein Grunddilemma präventiver Vorgehensweisen. Merken wir beim Klima bereits die Auswirkungen, ist das bei der Biodiversität nicht so einfach, da Ökosysteme annähernd unendlich komplex sind. Umso wichtiger ist es, die Natur und deren Schutz erlebbar und sichtbar zu machen – eine wichtige Komponente beim sogenannten mainstreaming (also dem Bekannt- und Vertrautmachen) dieses Themas, welches auch die Regierungen, die im Weltbiodiversitätsrat zusammenarbeiten, als wichtiges Ziel herausgearbeitet haben.

Grafik zeigt verschiedene Wege im Stil von Pfaden mit Stellschrauben, wie durch Maßnahmen eine Erholung des Klimas bis 2100 erreicht werden können. Einige Wege sind schon verpasst. Bei zu spätem Handeln kann sich das Klima immer schlechter erholen. Störfaktoren wie Klimaereignisse oder Pandemien können die Wege beeinflussen.
Je weiter die Zeit voranschreitet und je weniger Stellschrauben für eine nachhaltige Erwärmung gedreht werden, desto weniger kann sich das Klima erholen. Bildrechte: IPCC/MDR WISSEN

Der vorliegende Bericht erinnert uns daran, dass es bei der Bewältigung des Klimawandels auch darum geht, verstärkt naturbasierte Lösungen anzustreben – wie den Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern oder die Wiedervernässung von Feuchtgebieten und Mooren. Aber auch, dass diese nur teilweise in der Lage sein werden, Treibhausgase zu speichern. Es bleibt dabei, dass ohne eine massive Reduzierung von Treibhausgasen das Problem nicht gelöst werden kann.

Nicht nur auf technologische Lösungen vertrauen

Technologische Lösungen wie die Einlagerung von Kohlendioxid in den Untergrund sollten weiter erforscht werden. Aber auf deren Eignung zu vertrauen ist höchst riskant und bringt auch die Gefahr mit sich, dass man aus den Augen verliert, wie wichtig die Vermeidung von Ausstößen und damit die Vorsorge ist. Auch andere, scheinbar erfolgversprechende Lösungen, wie der Anbau von Biomasse in Monokulturen zur Gewinnung von Biogas, erwiesen sich bereits als nicht nachhaltig, wie in diversen Berichten von IPCC und IPBES bereits gezeigt wurde. Und bei der Gewinnung von Biogas aus Gülle gilt es zu bedenken, dass Gülle vor allem dann in großen Mengen vorhanden ist, wenn wir es nicht schaffen, die dringend notwendige Kehrtwende in Bezug auf die Tierhaltung und letztlich unsere eigenen Ernährungsgewohnheiten (deutliche Reduktion des Fleischkonsums) zu vollziehen.

Eine für mich sehr wichtige Komponente des Berichtes – auch geprägt von einem starken Element der Prävention – besteht in der Einigung der Weltgemeinschaft, dreißig bis fünfzig Prozent der Erdoberfläche unter Schutz zu stellen. Das ist fundamental auch für das Erreichen einer Klima-resilienten Entwicklung [Erholung des Klimas, Anm. d. Red.]. Wenn man so wollte, wäre das also das 1,5-Grad-Ziel im Bereich von Biodiversität und Ökosystemen. Schutz kann hierbei sehr verschieden definiert sein und wird in aller Regel viele Gebiete umfassen, die auch weiterhin durch den Menschen genutzt werden.

Weltweit Ökosysteme schützen

Man denke nur daran, dass nahezu alle Schutzgebiete in Deutschland letztlich unter Nutzung stehen und zu einem nicht geringen Anteil ihre Biodiversität sogar einer historischen und extensiven Nutzung verdanken. Wörtlich übersetzt heißt es dazu in der Zusammenfassung des IPCC-Berichts für Entscheidungstragende: "Jüngste Analysen […] legen nahe, dass die Erhaltung der Widerstandsfähigkeit der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen auf globaler Ebene von der wirksamen und gerechten Erhaltung von etwa dreißig bis fünfzig Prozent der Land-, Süßwasser- und Meeresflächen der Erde abhängt, einschließlich der derzeitigen naturnahen Ökosysteme."

Der Verlust von Biodiversität und deren Leistungen hat kaskadenartige und langfristige Auswirkungen auf die Menschen weltweit. Der neue Sachstandsbericht zeigt wie kein anderer zuvor, wie eng Mensch, Klima und Natur zusammenhängen und wie sich aus ihrem Zusammenspiel sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen der Anpassung an den Klimawandel ergeben. Es muss also gelingen, Natur- und Klimaschutz als gemeinsames Leitbild des politischen Handelns zu verankern – und die Erkenntnisse umzusetzen!

Mann mit kürzeren grauen Haaren, grauem Schnauzbart, Brille, karietem Hemd und Weste blockt neutral-freundlich in die Kamera, dunkler unscharfer Hintergrund.
Bildrechte: Sebastian Wiedling/UFZ

Prof. Dr. Josef Settele ist Departmentleiter Naturschutzforschung am
Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung in Halle/Saale. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Ökologie von Insekten in Kulturlandschaften,
Biodiversität, Landnutzung und sozial-ökologischen Systemen.

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