Biodiversität Das wird wichtig bei der UN-Artenschutzkonferenz COP15
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12. Dezember 2022, 18:37 Uhr
Mitte Dezember geht die UN-Artenschutzkonferenz in Montréal über die Bühne. Dort geht es um den Schutz der biologischen Vielfalt – ein Thema, das uns alle angeht, aber bisher noch nicht bei allen ins Bewusstsein gedrungen ist. MDR WISSEN gibt einen Überblick darüber, was bei dem Treffen wichtig wird und wie künftig besser über das Thema "Biodiversität" berichtet werden kann.
Bei der CBD COP15 treffen sich vom 7. bis 19. Dezember Vertreter der Vertragsstaaten des internationalen Umweltabkommens CBD (Convention on Biological Diversity – Übereinkommen zur Biodiversität) im kanadischen Montréal zu ihrer COP (Conference of The Parties, also Vertragsstaatenkonferenz, die Abkürzung kennen Sie auch von der Weltklimakonferenz). Dabei ist die die Hoffnung auf einen "Paris-Moment" groß, wie Elizabeth Maruma Mrema, die Chefin der UN-Biodiversitätskonvention, vorher erklärte. In Paris hatten sich 2015 die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz darauf geeinigt, die Erderhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Wirtschaft künftig im Einklang mit der Natur?
In Montréal wird nun Ähnliches erhofft: Ein richtungsweisendes globales Abkommen für den Artenschutz – denn es gehe um nicht weniger als das Überleben der Menschheit, so Mrema: "Es wird nicht leicht, es wird harte Arbeit, aber es ist entscheidend, um die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten sicherzustellen." In einer "Frankfurter Erklärung" hatten deutsche Wissenschaftler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zuvor einen grundlegenden Wandel im Wirtschaftssystem gefordert. Dieses müsse in Zukunft im Einklang mit der Natur stehen und die Kosten des Artenverlusts abbilden.
Ursprünglich hätte der 15. Weltnaturgipfel (wie die Konferenz auch bezeichnet wird) schon 2020 in China stattfinden sollen, wurde dann aber wegen der anhaltenden pandemischen Lage dort verschoben und zerteilt. Der erste Verhandlungsteil fand im vergangenen Oktober hauptsächlich online in Kunming statt, der zweite nun in Montreal, allerdings weiter unter chinesischem Vorsitz. Zwischendurch gab es zahlreiche Vorbereitungstreffen auf verschiedenen Ebenen und an verschiedenen Orten.
Über Natur-Seite kann Faszination nähergebracht werden
Während der Zeit der Konferenz wird das Thema "Biodiversität" medial relativ groß behandelt, abseits davon fristet es jedoch oft ein Nischendasein und wird von anderen Themen wie dem Klimawandel oder aktuell dem Ukraine-Krieg überlagert – obwohl es für die Menschen weltweit große Relevanz besitzt. Bei einem Workshop des Wissenschaftsdienstes "Science Media Center" wurde diskutiert, wie sich dies ändern lässt.
Ein Problem sei, dass in der Berichterstattung über die Biodiversität immer noch die gleichen Fehler gemacht würden wie vor 20 Jahren. Vor allem der richtige Zugang für die normale Bevölkerung sei schwierig, denn die bekomme vom Artenrückgang derzeit noch nicht viel mit und dadurch seien die damit einhergehenden Risiken auch noch weit weg. "Der Grund dafür liegt teilweise auch in der zunehmenden Entfremdung von der Natur", so eine Wissenschafts-Journalistin.
Doch wie lässt sich das ändern? Eine Möglichkeit wäre eine spezielle Natur-Seite in den Zeitungen oder auf Online-Plattformen, losgelöst vom Wissenschafts-Ressort, so ein Vorschlag in der Diskussion. Dabei könnten auch neue Formen der Berichterstattung und des Zusammenschlusses einzelner Journalisten helfen. Beispiele wie eine "Journalisten- Genossenschaft" seien ein möglicher Weg, um umfangreich über Biodiversität berichten zu können, mit anderen Finanzierungsmodellen, unabhängiger von den monetären Zwängen, denen andere Medien unterliegen.
Vom hässlichsten Vogel zum Medienstar
Auf der anderen Seite der Berichterstattung steht Johannes Fritz, der als Projektmanager beim "Waldrappteam Conservation & Research" fungiert. Dabei geht es um die Wiederansiedlung des Waldrapps, der "als hässlichster Vogel der Welt" schon ein kleiner Medienstar geworden ist, wie der Österreicher Fritz erklärt. Doch genau diese mediale Präsenz", unter anderem in der "Bild-Zeitung", bei Markus Lanz und Jan Böhmermann hilft dem Vogel, der als eine der wenigen Tierarten weltweit in den vergangenen Jahren auf der Roten Liste eine Stufe nach oben gewandert ist und nun nur noch "stark gefährdet" und nicht mehr "vom Aussterben bedroht" ist.
Ein Vorbild auch für andere Arten? Fritz jedenfalls berichtet davon, dass man natürlich das Label des hässlichsten Vogels für die Publicity nutzt und dazu auch mit modernen Geräten arbeitet, um etwa die Flugbewegungen verfolgen zu können. Dabei gibt es auch beim Waldrapp Probleme, über die noch mehr medial berichtet werden müsste. So sterben allein 40 Prozent der Tiere an Stromschlägen, wie auch viele andere Vogelarten. Dazu kommt die illegale Jagd, die besonders in Italien ausgeprägt ist. Und schließlich ist da noch der Klimawandel, der massiv zum Artensterben beiträgt. Ein wichtiges Thema, das mit Sicherheit auch die UN-Artenschutzkonferenz in Montréal prägen wird.
Wem gehören die genetischen Informationen der Natur?
Ein weiteres Problem, das beim CBD COP15 verhandelt werden wird, ist der Streit über den Zugang zu internationalen Datenbanken mit genetischen Informationen über Pflanzen, Tiere und Mikroben. Dabei geht es um die Frage, ob die Ursprungsländer von genetischen Ressourcen an Profiten teilhaben sollten, die daraus entstehen. Dazu gehören vor allem Staaten des globalen Südens.
Damit würde das seit 2010 bestehende sogenannte Nagoya-Protokoll verschärft, mit dem der Zugang zu genetischen Ressourcen geregelt wird. Auf der anderen Seite stehen vor allem Biodiversitätsforschende, die argumentieren, dass sie ohne die uneingeschränkte Verfügbarkeit von genetischen Daten nicht richtig forschen könnten – und damit auch der Artenschutz beeinträchtigt wird. Profite seien dabei kein Treiber dieser Forschung.
Letzteren Standpunkt vertritt beispielsweise Dr. Jens Freitag vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben in Sachsen-Anhalt: "Digitale Sequenzinformationen sind ein öffentliches Gut, dessen Monopolisierung verhindert und das in einem multilateralen Kontext geregelt werden muss." Der Geschäftsstellenleiter beim IPK fordert daher universell anwendbare Regelungen und eine pragmatische Herangehensweise für eine sinnvolle und zukunftssichere Lösung.
Alle Aichi-Ziele bisher verfehlt
In Nagoya wurden zudem die sogenannten Aichi-Ziele verabschiedet, mit denen sich die Vertragsstaaten zu einen strategischen Plan zum Erhalt der Biodiversität bis 2030 verpflichteten. Dazu gehören unter anderem die Ausdehnung der Schutzgebiete zu Land auf 17 Prozent der Oberfläche und auf zehn Prozent auf See. Bis jetzt wurde keines der 20 Kernziele erfüllt, auch nicht die Beseitigung von Subventionen, die schädlich für die Biodiversität sind. In Deutschland lagen diese Fördermaßnahmen laut Umwelbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau 2018 bei rund 65 Milliarden Euro. Was kann man da machen?
Gelder für den Naturschutz sollten vor allem in den Ländern mit geringeren Einkommen eingesetzt werden, denn dort entfalteten sie eine größere Hebelwirkung, antwortet Prof. Martin Quaas vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv). Dazu seien auch Zahlungen für die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen ein probates Mittel. Dabei wird beispielsweise die Umstellung von umweltschädlichem Landwirtschaften auf profitablen Umweltschutz gefördert, wie aktuell bei Kleinbauern in Bolivien und Peru.
Für Dr. Andreas Burger vom UBA sind jene Konzepte besonders effizient, bei denen ökologische Ziele mit einer Maßnahme direkt verknüpft werden. Beispiele dafür seien die (Wieder-)Aufforstung und der Waldschutz sowie der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten. Sein Kollege Prof. Bernd Hansjürgens vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) nennt das Mittel der Kompensationszahlungen, die beim Verzicht auf die Nutzung von Naturressourcen gezahlt werden. Diese Zahlungen müssten vor allem in die globalen Länder des Südens geleitet werden, denn hier seien die Notwendigkeiten für den Biodiversitätsschutz besonders dringlich.
cdi/dpa