Insekten Studie Halle
Viele Insekten erfüllen wichtige Funktionen in unseren Ökosystemen, schreiben die Forscher. Bildrechte: MDR/ iDiv/ Gabriele Rada

Metastudie zum Artensterben Wie schlimm ist das Insektensterben wirklich?

10. Mai 2023, 16:24 Uhr

Die Insekten werden weniger. Das ist ein Fakt. Doch dies ist nicht überall auf der Welt der Fall, zeigt die bislang umfassendste Studie dazu. Doch in Deutschland ist der Rückgang besonders stark - zumindest an Land.

Ist Ihnen das auch schon einmal aufgefallen – die Windschutzscheibe am Auto war früher deutlich dreckiger. Heute kleben viel weniger Insekten daran. Denn die Bienen, Grashüpfer oder Mücken verschwinden. Einige Studien berichten von drastischen Rückgängen: 75 Prozent in 30 Jahren. Ganz so drastisch ist es offenbar nicht, doch eine Entwarnung in Sachen Artensterben können die Forscher vom iDiv – dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig – mit ihrer aktuellen Studie auch nicht geben.

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Bildrechte: MDR/ iDiv/ Gabriele Rada

Das Forschungsteam hat einen riesigen Datenberg zusammengetragen: 166 Langzeitstudien an weltweit fast 1.700 Orten, die im Zeitraum zwischen 1925 und 2018 durchgeführt wurden, haben sie für ihre komplexe Meta-Analyse zusammengetragen. Das sind fast alle weltweit verfügbaren Daten. Sie stammen von überall her, erklärt der Ökologe und Entomologe Roel van Klink vom iDiv: viele aus Europa, aber auch von allen anderen Kontinenten. Nur in Indien und dem mittleren Osten haben sie nichts gefunden, sagt van Klink: "Unsere wichtigsten Ergebnisse sind, dass es nicht einheitlich ist: Es geht auf manchen Plätzen in der Welt hoch und an anderen runter und auf ganz vielen Plätzen bleibt's eigentlich gleich." Der Mittelwert wäre bei 24 Prozent weniger in 30 Jahren.

Insekten an Land werden weniger

Insekten Studie Halle
Die Zahl der landlebenden Insekten ist weltweit zurückgegangen. Bildrechte: MDR/ iDiv/ Gabriele Rada

Ein Viertel weniger Insekten innerhalb von 30 Jahren also. Im weltweiten Durchschnitt seien die an Land lebenden Insekten wie etwa Schmetterlinge, Heuschrecken oder Ameisen um rund ein Prozent pro Jahr zurückgegangen. Die Forschenden sprechen deshalb auch von einem leisen Verschwinden. Denn ein Prozent pro Jahr, klingt erst einmal nicht nach so viel, erläutert Insektenforscher van Klink: "Das fällt eigentlich nicht auf, bis man nach zehn Jahren oder sogar 30 Jahren zurückgeht an den gleichen Platz. Dann sieht man: es gibt jetzt viel weniger oder gar keine Insekten mehr."

In Deutschland Rückgang deutlich stärker

Besonders oft könnte einem das in Deutschland passieren. Denn hier ist der Rückgang deutlich stärker als anderswo auf der Welt, zeigt die Studie. "In Deutschland sieht's tatsächlich ziemlich schlimm aus. Fast alle Datensätze, die wir zur Verfügung hatten, zeigen Abnahmen", sagt van Klink. Allerdings nicht alle. "Da gab's einige, die stabil geblieben sind, aber die meisten haben Abnahmen gezeigt und das stimmt überein insgesamt mit einer Abnahme von zwei Prozent pro Jahr."

Entwicklung der Insektenbestände: Die Zahle der Landinsekten nimmt ab, die der Süßwasser-Insekten nimmt zu.
Entwicklung der Insektenbestände: Die Zahl der Landinsekten nimmt ab, die der Süßwasser-Insekten nimmt zu. Bildrechte: MDR/ iDi/ Grafik Roel van Klink

Die negativen Trends hätten sich in den letzten Jahren verstärkt, so die Forschenden. Die größten Rückgänge seien seit 2005 beobachtet worden. Doch es gibt Unterschiede: Vom Insektensterben sind insbesondere die Tiere betroffen, die ihren Lebensraum an Land haben, erläutert van Klink. Aber auch die im Flug gefangenen Insekten seien zurückgegangen. Lediglich bei den Arten, die in Bäumen leben, habe sich nichts verändert.

Süßwasser-Insekten werden mehr

Wasserläufer
Die Zahl der Süßwasser-Insekten nimmt zu. Bildrechte: MDR/ iDiv/ Oliver Thier

Dagegen sorgte die Gruppe der Süßwasser-Insekten für eine Überraschung: Ihre Zahl ist im Durchschnitt um rund ein Prozent pro Jahr gestiegen. Das entspreche 38 Prozent im Zeitraum von 30 Jahren. Den Grund dafür vermuten die Forschenden darin, dass einstmals verdreckte Seen und Flüsse heute eine viel bessere Wasserqualität hätten. Ein gutes Zeichen also: Mit den richtigen Maßnahmen, können sich auch die an Land lebenden Insekten erholen, glaubt Insektenforscher van Klink. Wie die jedoch aussehen, müsse von Ort zu Ort individuell entschieden werden. 

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