Gorilla Abeeku aus dem Leipziger Zoo
Flachlandgorilla Abeeku im Zoo Leipzig. Seine frei lebenden Artgenossen sind extrem gefährdet. Bildrechte: Zoo Leipzig

Artensterben Warum die Tiere sterben und der Artenschutz nicht funktioniert

13. Oktober 2022, 16:40 Uhr

Die weltweiten Tierbestände schrumpfen massiv. Artenschutzgesetze, so das Beispiel aus den USA, können daran nur wenig ändern. Zu diesen Ergebnissen kommen zwei Studien des WWF und der Columbia University. Die Lage ist dramatisch, vor allem, da Artensterben und Klimakrise in einer fatalen Wechselwirkung stehen, so der WWF.

Viele Tierarten sterben schneller aus, als wir zählen können. In den kommenden Jahren könnten über eine Millionen Arten betroffen sein. Weltweit sind nahezu ein Drittel aller Tiere und Pflanzen bedroht, hatte der Weltbiodiversitätsrat IPBES in seinem letzten Bericht im Sommer festgestellt.

Die Zahlen, die der WWF jetzt vorlegt, bestätigen diesen Trend einmal mehr. Die Bestände wildlebender Wirbeltiere sind demnach in den vergangenen 50 Jahren massiv geschrumpft. Zwischen 1970 und 2018 sei bei den mehr als 31.000 untersuchten Populationen ein Rückgang von im Schnitt 69 Prozent zu beobachten gewesen, schreiben die Umweltstiftung WWF und die Zoologische Gesellschaft London im am Donnerstag (13. Oktober) veröffentlichten "Living Planet Report 2022". Insgesamt wurden Daten zu mehr als 5.200 Wirbeltierarten ausgewertet. Dazu gehören Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien.

Wir zerstören unsere Lebensgrundlagen

Die Natur sei wie ein Turm, in dem jeder Baustein eine Tier- oder Pflanzenart darstelle, erklärte Christoph Heinrich, geschäftsführender Vorstand WWF Deutschland. Je mehr Arten ausstürben, desto instabiler werde er.

Wir zerstören diesen Turm gerade mit dem Presslufthammer und verlieren sehenden Auges unsere Lebensgrundlagen.

Christoph Heinrich, Vorstand WWF Deutschland

Besonders betroffen ist laut Report unter anderem der Westliche Flachlandgorilla. Dessen Population in einem Nationalpark in Kamerun sei allein zwischen 2005 und 2019 um rund 69 Prozent geschrumpft. Der Bestand des Amazonasdelfins in Brasilien sei von 1994 bis 2016 um rund 67 Prozent zurückgegangen. Und auch wenn die Lage in Südamerika besonders kritisch ist, auch bei uns sind heimische Arten von der Entwicklung betroffen: So hat sich die Population der Feldlerche in Europa von 1980 bis 2019 um rund 56 Prozent reduziert.

Doppelkrise: Artensterben und Klimakatastrophe

Die Autoren und Autorinnen des Reports warnen vor einer "fatalen Wechselwirkung" zwischen dem Artensterben und der Klimakrise. Dem Weltklimarat (IPCC) zufolge wird sich die Wirkung der Klimakrise auf die Artenvielfalt bis 2100 dramatisch erhöhen, heißt es in einer Mitteilung. "Umgekehrt heizt der fortschreitende Verlust an biologischer Vielfalt die Klimakrise weiter an."

Besonders gut lässt sich dieser Zusammenhang am afrikanischen Waldelefanten beobachten, schreibt der WWF. Dessen Bestände seien in einigen Gebieten bereits um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Doch ohne den Waldelefanten verändere sich die Zusammensetzung des Waldes, so dass dieser deutlich weniger Kohlenstoff speichern könne. Gleichzeitig sei die Nahrungsversorgung und damit die Gesundheit der Tiere durch die Klimakrise in Gefahr.

Die Autorinnen und Autoren des Reports forderten die Politik auf, die Klimaziele des Pariser Abkommens umzusetzen und die erneuerbaren Energien auszubauen. Zudem müssten Wilderei und illegaler Handel mit bedrohten Arten gestoppt werden. Der WWF forderte, den Verlust von Lebensraum zu stoppen, die Erderhitzung zu begrenzen und die Übernutzung von Tieren und Natur zu beenden.

Wissen

Bodenstück mit bedrohten Tierarten, darunter Feldhamster, Schmetterlinge, Regenwurm, Maulwurf und Maikäfer. Im Hintergrund zeichnet sich ein Baum vor blauem Himmel ab.
Im Dezember findet der Artenschutzgipfel COP 15 in Montréal/ Kanada statt. Die internationale Politik möchte sich dort auf einen neuen Gesetzerahmen zum weltweiten Artenschutz verständigen. MDR WISSEN begleitet die Konferenz mit aktuellen Informationen zum Artenschutz. Bildrechte: MDR

Artenschutzgesetze in den USA helfen nicht

Dass dieses Umdenken zwingend nötig ist, bestätigt eine ebenfalls heute (13.10.) erschienene Studie der Columbia Climate School/USA. Die Forscher David Wilcove und Andrew Dobson hatten darin untersucht, wie der US Endangered Species Act (ESA), das stärkste Gesetz zur Verhinderung des Artensterbens in den Vereinigten Staaten, seit seiner Einführung 1973 gewirkt hat. Das Ergebnis ist ernüchternd. Von den tausenden Arten, die seit Anfang der 1970er-Jahre gelistet wurden, haben sich nur 54 so weit erholt, dass sie nicht mehr geschützt werden müssen.

Hauptgründe für das Versagen sind den Forschern zufolge unzureichende Finanzierung und lange Bearbeitungszeiten. Die meisten Arten erhalten keinen Schutz, bis ihre Populationen prekär klein sind, was ihre Aussichten auf Erholung trübt. "Wir stellen fest, dass geringe Populationsgrößen zum Zeitpunkt der Auflistung, gepaart mit verzögertem Schutz und unzureichender Finanzierung, weiterhin eines der weltweit strengsten Gesetze zum Schutz der biologischen Vielfalt untergraben", schreiben sie.

Wilcove und Dobson hoffen, dass die UN-Artenschutzkonferenz im Dezember in Montreal neue Impulse gibt, um bedrohte Arten auf der ganzen Welt besser zu schützen und zu erhalten.

Links/Studien

  • Der Living Planet Report 2022 des WWF
  • Liste der gefährdeten Arten in den USA
  • Bericht des Weltbiodiversitätsrates von 2022
  • Studie "Zu wenig, zu spät: US Endangered Species Act durch Untätigkeit und unzureichende Finanzierung untergraben." Erschienen in PLOS ONE

dpa/gp/pm

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