Steckt Krieg in uns, in unserer DNA? Gibt es Krieg seit es Affen gibt?  Oder könnten wir auch ohne Krieg?   11 min
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Große Fragen in 10 Minuten Warum gibt es Kriege?

Warum gibt es Kriege?

Steckt Krieg in uns, in unserer DNA?
Gibt es Krieg seit es Affen gibt?
Oder könnten wir auch ohne Krieg?

MDR Di 04.02.2025 09:32Uhr 10:50 min

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Große Fragen in zehn Minuten Warum gibt es Krieg?

08. Februar 2025, 10:00 Uhr

Kann der Mensch nicht ohne kriegerische Auseinandersetzungen? Ist Frieden nicht der Normalzustand? Selbst in Europa rollen wieder Panzer und viele Menschen sind besorgt. Aber warum gibt es überhaupt Krieg?

MDR Wissen Redakteur Karten Möbius
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Egal, wohin und wieweit wir in die Vergangenheit schauen: Immer und überall stoßen wir auf Mord, Totschlag, Krieg. Frieden scheint immer nur eine Art Ausnahmezustand zwischen gewaltsamen Konflikten zu sein. Und auch in Europa rollen wieder Panzer, fliegen Raketen und fallen Bomben.

Kriegerische Auseinandersetzungen scheinen irgendwie zum Menschen dazu zugehören. Sie scheinen tief in unsere DNA eingewoben und irgendwie ein menschlicher Wesenszug zu sein.

Der Archäologe Harald Meller, der Historiker Kai Michel und der Evolutionsbiologe Carel van Schaik widersprechen dem vehement in ihrem neuen Buch "Die Evolution der Gewalt". Dort schreiben sie sogar, dass der Mensch der friedlichste Affe auf dem Planeten sei.

Die Evolution der Gewalt
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Der erste nachweisliche Mord der Menschheitsgeschichte

Der Mensch ist durchaus aggressiv und kann einen anderen Menschen totschlagen. Der erste nachweisliche Mord geschah laut Meller vor 400.000 Jahren. Einem Mann wurde mit einem Faustkeil und zwei kräftigen Hieben der Schädel eingeschlagen.

"Einmal, das kann auch bei einem Jagdunfall passieren, einmal kann man mit dem Kopf an die Höhlenwand schlagen – aber nicht zweimal", so Meller. Die beiden Schläge erfolgten über die Hutkrempe. "Das ist ein sicheres Mordzeichen."

Doch so etwas passiert eher individuell in einer Wutaufwallung, aus Eifersucht, aus Rache, aber eben nicht kollektiv als Krieg. Systematische, geplante, organisierte Gewalt findet man damals bislang nicht.

Verzerrung unserer Geschichte

Beim modernen Menschen gibt es eine Wahrnehmungsverzerrung. In Geschichtsbüchern gibt es etliche Beispiele von Kriegen – überall da, wo Staaten involviert waren.

Krieg ist tatsächlich etwas, was in der Menschheitsgeschichte sehr spät entsteht. Im letzten Prozent der Menschheitsgeschichte und was sehr ungewöhnlich ist.

Harald Meller – Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale)

Bei mobilen Jägern und Sammlern gab es kaum Gewaltexzesse. Bei sesshaften Jägern und Sammlern gibt es Anzeichen dafür, auch wenn eher unregelmäßig. Anders als bei den Ackerbauern, die vor ungefähr 12.000 Jahren begannen, sesshaft zu werden.

Hier begann das Problem: Besitz und Ortsfestigkeit werden ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Früher gehörte das Land niemandem und plötzlich wurde es eingezäunt.

Konflikte bei Jägern und Sammlern

Wenn es bei den Jägern und Sammlern einen Konflikt gab, trennten sich die Konfliktparteien und gingen unterschiedliche Wege. Selbst bei Nahrungsknappheit konnte jeder für sich und autonom entscheiden, ob er oder sie sich an einem Überfall auf eine andere Gruppe beteiligen. Einfacher und sicherer war es, zu einem anderen Ort aufzubrechen.

Wenn Gruppen von 50, 100 oder mehr Nomaden aufeinandertrafen, waren sie eher neugierig. Es kam wohl zu Tauschgeschäften von Lebensmitteln, Utensilien und dem Austausch über Jagdgebiete. Und man ging gemeinsam auf die Jagd – dafür gibt es archäologische Beweise.

Auch Gruppenmitglieder wurden ausgetauscht. So wurden neue Ideen und Fähigkeiten für die eigene Gruppe erschlossen – und ganz nebenbei wurde Inzucht vermieden.

Hinweise auf wilde Schlachten zwischen den Kleingruppen gibt es bis heute keine. Wir sind nur deshalb zur mächtigsten Spezies geworden, weil wir Dinge gemeinsam gemacht haben. Außerdem gab es damals keinen großen Besitz. Man konnte ohnehin nur das besitzen, was man tragen kann. Worüber sollte man also streiten?

Besitz und Nahrungsknappheit – Die Wurzeln des Krieges?

Das änderte sich mit der Inbesitznahme von Land, der Sesshaftigkeit, der Anhäufung von Eigentum und Reichtum – vor allem aber durch den Aufbau von Hierarchien.

Selbst bei unseren engsten Verwandten, den Schimpansen, kann man heute noch kriegerische Auseinandersetzungen beobachten. Anders sieht es bei den Bonobos aus, die sich vor etwa zwei Millionen Jahren von den Schimpansen abgespaltet haben. Der Kongo-Fluss trennt beide Gruppen, nördlich gibt es Schimpansen, südlich die Bonobos.

Bonobos Pan paniscus in ihrem natürlichen Lebensraum in der Demokratischen Republik Kongo
Bonobos Pan paniscus in ihrem natürlichen Lebensraum in der Demokratischen Republik Kongo Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Während die Schimpansen mit den körperlich überlegenen Gorillas um Nahrung konkurrieren, haben die Bonobos keine Konkurrenten. Konflikte gibt es zwar, doch die werden meist mit Sex gelöst. Wenn Schimpansen dagegen auf andere Schimpansen treffen, kommt es zu relativ brutalen Kriegen, bei denen eine der Gruppen verdrängt wird.

Kriege sind ein Verhaltensmuster

Kriege sind damit ein Verhaltensmuster und kein Teil der DNA. Sie wurden um Ressourcen – und die werden bei über acht Milliarden Menschen auf der Welt auch heute wieder knapp – und Land geführt. Durch die Staatenbildung änderte sich das dramatisch. Ideologien und Religion sind nur ein Grund für Gewalt und Kriege. Könige, Fürsten und Führer einer autokratischen Gemeinschaft können dadurch ihre Stärke beweisen.

Zum Schutz vor Kriegen braucht es einen starken Staat. Wenn der Nachbar kriegerisch ist, muss man selbst aufrüsten und sich verteidigen – etwas, das man gerade wieder in Europa durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sieht. Die westlichen Staaten rüsten auf, Polen will sogar deutsche Soldaten zum Schutz – jenes Land, das Polen vor knapp 80 Jahren überrannt und zahllose Gräueltaten angetan hat.

Kriege sind kein Gesetz der Ewigkeit

Kriege sind laut den Autoren genauso eine kulturelle Errungenschaft wie die Sklaverei, die Leibeigenschaft oder die Monarchie. Zwar gab es bereits vor 5.000 Jahren die ersten Diktaturen, doch die Genetik des Menschen wird über Millionen von Jahren geprägt – nicht über wenige Tausend Jahre. Da zeigt sich: Wir sind eine friedliche Spezies.

"Krieg ist kein ewiges Gesetz. Aber wenn das stimmt, dann müsste es doch möglich sein, Krieg abzuschaffen?", so Meller und seine Kollegen. Dennoch sind alle genannten Ursachen von Krieg noch da: Grenzen, Bodenschätze, Besitz, Reichtum und Hierarchien. Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass Kriege wieder verschwinden. Dass der Mensch sie nicht mehr braucht, durchführt, will. Doch die Lösung dafür wäre laut Meller "eine Welt ohne Autokraten und Diktatoren".

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Dieses Thema im Programm: ARD Audio | Große Fragen in zehn Minuten | 04. Februar 2025 | 09:32 Uhr

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