Eine Ausgrabungsstätte an einem See
Ausgrabungsgelände in Neumark-Nord im Geiseltal: Vor 125.000 Jahren prägten Neandertaler die Landschaft. Bildrechte: Wil Roebroecks/Universität Leiden

Vor 125.000 Jahren Wie Neandertaler in Sachsen-Anhalt die Umwelt veränderten

16. Dezember 2021, 20:01 Uhr

Bereits vor 125.000 Jahren veränderten Menschen im Süden Sachsen-Anhalts die Landschaft. Es waren Neandertaler, die bei Neumark-Nord im Geiseltal 2.000 Jahre lang für eine auffällig offene Vegetation sorgten. Möglicherweise der früheste Beweis für den prägenden Einfluss von Menschen auf die Umwelt.

Bereits lange vor der Neolithischen Revolution - also dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht vor über 11.000 Jahren - veränderten Menschen ihre Umwelt nachhaltig. In Australien sorgten Jäger und Sammler vor 46.000 Jahren maßgeblich für das Aussterben der Megafauna. Feuer spielte dabei eine entscheidende Rolle, wie neuste Forschungen aus den Wäldern von Queensland belegen.

Bislang älteste Brandrodung "nur" 85.000 Jahre

Riesenwaran Megalania
Riesenwaran Megalania in Australien. Menschen sorgten vor 46.000 Jahren für sein Aussterben. Bildrechte: imago/StockTrek Images

Beinahe doppelt so alt ist die nachgewiesene Einflussnahme des Menschen auf die Umwelt am Malawisee im südlichen Zentralafrika. Dort setzten Jäger und Sammler bereits vor 85.000 Jahren Feuer ein, um einen dichten, geschlossenen Wald in bewaldetes Grasland zu verwandeln. Die Spuren vom Malawisee galten bislang als die ältesten Belege menschlicher Einflüsse auf die Vegetationsstruktur eines Gebiets. Sowohl dort als auch in Australien war Homo sapiens für die "Umweltschäden" verantwortlich, sprich der moderne Mensch.

Neandertaler-Aktivitäten im Geiseltal

Doch aus dem Süden Sachsen-Anhalts gibt es nun Hinweise, dass bereits unsere frühen Verwandten, die Neandertaler, vor 125.000 Jahren ihre Umwelt nachhaltig veränderten. Das hat ein Team um den Prähistoriker Wil Roebroecks von der Universität Leiden in den Niederlanden anhand von paläoökologischen und archäologischen Feindaten nachgewiesen.

Steinartefakte und bearbeitete Knochen

Rekonstruktion eines Neandertalers im Neandertalmuseum in Mettmann
Rekonstruktion eines Neandertalers im Neandertalmuseum in Mettmann. Bildrechte: imago/Olaf Döring

Sie entstammen Ausgrabungen an der Fundstelle Neumark-Nord im Geiseltal, einer historischen Landschaft im heutigen Saalekreis südlich von Halle. Dort lebten während der letzten Zwischeneiszeit vor rund 125.000 Jahren Gruppen von Neandertalern.

Die Wissenschaftler konnten deren Anwesenheit für einen Zeitraum von 2.000 Jahren durch zahlreiche Steinartefakte und bearbeitete Knochenstücke nachweisen. Den Einfluss der Neandertaler auf ihre Umgebungslandschaft ermittelten die Forscher anhand von Sediment- und Pollenanalysen. Dabei stellten sie fest, dass das Gebiet von Neumark-Nord während der Phase der Neandertaler-Besiedlung verglichen mit anderen Orten der Region eine auffällig offene Landschaft hatte.

Unter den Faktoren, die die Vegetationsstruktur in dieser Seenlandschaft geprägt haben, identifizieren wir einen deutlichen ökologischen Fußabdruck menschlicher Aktivitäten, einschließlich der Nutzung von Feuer.

Wil Roebroecks und Kollegen Science Advances

Wälder teilweise verbrannt

Neandertaler
Neandertaler bei der Teilung ihrer Jagdbeute, Illustration von 1930. Bildrechte: imago images/imagebroker

Holzkohleablagerungen zeigten den Prähistorikern außerdem, dass die Wälder um Neumark-Nord vor 125.000 Jahren teilweise verbrannt waren. Ob die Neandertaler das erste Feuer in der Region selbst legten oder dieses natürlich entstand, konnten die Forscher nicht nachweisen. Allerdings sind sie sich ziemlich sicher, dass die frühen Bewohner der Region in den 2.000 Jahren ihrer Aktivitäten maßgeblich zur Erhaltung der offenen Landschaft beitrugen. Schließlich habe ihnen diese Vegetationsstruktur eine breite Palette an Ressourcen geboten, "die sie möglicherweise in das Gebiet lockten und sie dazu veranlassten, zur Erhaltung dieser Bedingungen beizutragen."

Nahrungsressourcen nahmen stetig zu

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Roebroecks und Kollegen vermuten jedenfalls, dass das wiederholte Anzünden von Lagerfeuern rund um die Seen der Region sowie andere Verbrennungs- und Jagdaktivitäten die "Vegetationsstruktur und die ökologischen Gemeinschaften um Neumark-Nord so verändert haben, dass die verfügbaren Nahrungsressourcen über mehrere Generationen hinweg zunahmen." Dazu gehörte wohl auch eine wachsende Bedeutung pflanzlicher Nahrungsmittel. Reste von Haselnuss, Eichel und Schlehe, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden, deuten jedenfalls darauf hin.

Doch bis stärkehaltige Pflanzen die Hauptgrundlage menschlicher Nahrung bilden würden, sollten noch eine Eiszeit und rund 114.000 Jahre vergehen. Aber das ist schon eine andere Geschichte.

(dn)

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