Evolutionsforschung am iDiv Leipzig Wie das Aussterben der Dinosaurier die Pflanzen verändert hat
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03. Mai 2022, 11:59 Uhr
Wenn Fressfeinde fehlen, verändert sich nicht nur die Tierwelt. Auch Pflanzen passen sich evolutionär an die neuen Umstände an. Aber zum Teil anders, als man bislang dachte.
Das Fehlen großer Pflanzenfresser nach dem Aussterben der Dinosaurier hat die Pflanzenevolution verändert. Die mehrere Millionen Jahre lange Abwesenheit der "Megaherbivoren" verlangsamte die Entwicklung neuer Pflanzenarten. Verteidigungsmerkmale wie Stacheln bildeten sich zurück, und die Früchte wurden größer. Das hat eine Forschungsgruppe unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig am Beispiel von Palmen nachgewiesen.
Dazu untersuchte das Team fossile und heute lebende Palmen. Mit Hilfe genetischer Analysen konnte die evolutionäre Entwicklung der Pflanzen während und nach der Abwesenheit der großen Pflanzenfresser nachvollzogen werden. Die gängige wissenschaftliche Annahme, dass viele Palmenarten zur Zeit der Dinosaurier große Früchte trugen und mit Stacheln und Dornen an Stamm und Blättern versehen waren, wurde bestätigt.
Eine weitere Erkenntnis war dann aber neu: Das Forschungsteam stellte fest, dass die "Evolutionsgeschwindigkeit", mit der neue Palmenarten mit kleinen Früchten entstanden, während der Megaherbivoren-Lücke abnahm. Die Evolutionsgeschwindigkeit derjenigen mit großen Früchten blieb hingegen nahezu konstant. Die Größe der Früchte selbst nahm jedoch ebenfalls zu. Es gab also auch noch nach dem Aussterben der Dinosaurier Palmen mit großen Früchten. Offenbar konnten viel kleinere Tiere ebenso große Früchte fressen und die Samen mit ihren Ausscheidungen verbreiten.
Damit konnten wir die bisherige wissenschaftliche Annahme widerlegen.
"Damit konnten wir die bisherige wissenschaftliche Annahme widerlegen, dass das Vorkommen großer Palmfrüchte ausschließlich von Megaherbivoren abhing", sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Renske Onstein von iDiv und der Universität Leipzig. "Wir gehen daher davon aus, dass der fehlende Einfluss großer Pflanzenfresser zu dichteren Vegetationen führte, in denen Pflanzen mit größeren Samen und Früchten einen evolutionären Vorteil hatten."
Anders war das bei den Verteidigungsmerkmalen der Pflanzen, also Stacheln und Dornen an Blättern und Stängeln. Die Zahl der Palmenarten mit solchen Verteidigungsmerkmalen nahm während der Megaherbivoren-Lücke ab. "Ohne Fressfeinde boten Verteidigungsmerkmale offenbar keine evolutionären Vorteile mehr", so Onstein, "sie kehrten aber bei den meisten Palmenarten zurück, als sich neue Megaherbivoren entwickelten, im Gegensatz zu den Veränderungen bei den Früchten, die bestehen blieben."
Die Forschungsarbeit wirft ein neues Licht auf die Evolution und Anpassung während einer der rätselhaftesten Perioden in der Geschichte der Evolution großer Pflanzen. Wenn man versteht, wie sich das Aussterben von Megaherbivoren auf die Pflanzenevolution in der Vergangenheit ausgewirkt hat, so die Autorinnen und Autoren, kann man auch zukünftige ökologische Entwicklungen besser vorhersagen.
(rr)
Links/Studien
Die Studie ist unter dem Titel "The megaherbivore gap after the non-avian dinosaur extinctions modified trait evolution and diversification of tropical palms" in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B" erschienen.