Der Redakteur | 27.01.2023 Strompreis: Welche Zumutungen muss ich hinnehmen - welche nicht?
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27. Januar 2023, 18:55 Uhr
Für viele Stromkunden war die Preiserhöhung bisher nur eine mediale Veranstaltung. Doch zunehmend passiert genau das, was ständig berichtet wurde. Es kommt ein Schreiben vom Versorger mit einer Preiserhöhung, die sich teilweise gewaschen hat. Dabei sinken doch die Preise auf den Märkten gerade wieder - wie kann das sein?
Um die 1.400 Stromlieferanten haben wir in Deutschland. Das heißt nicht, dass die auch selbst Strom produzieren. Das Geschäftsmodell sieht dann so aus, dass die Anbieter in der Regel an der Strombörse große Mengen einkaufen und dann an die Haushalte und Firmen verkaufen. Je nach Geschäftsmodell wird dieser Strom eher kurzfristig oder langfristig gekauft. Meistens ist es eine Mischform. Wer erst jetzt sein Stromerhöhungsschreiben bekommt, der hatte von dieser Langfristigkeit profitiert.
Aber wenn ein Beschaffungsvertrag ausgelaufen ist, dann musste sich der Anbieter natürlich irgendwann zu den zwischenzeitlich massiv erhöhten Preisen eindecken, um den Kunden gegenüber nicht blank dazustehen. Und das erklärt, warum Marktpreise und Endverbraucherpreise nicht im Gleichschritt marschieren. Wer jetzt plötzlich statt 23 Cent 44 Cent zahlen muss, der hat es noch gut, konstatiert Jürgen Kipp, Ombudsmann Schlichtungsstelle Energie. Er kennt Fälle, da geht es in Richtung 90 Cent pro Kilowattstunde.
Nach den Daten, die mir bekannt sind, beträgt der durchschnittliche Kilowattstunden-Preis zwischen 40 und 48 Cent.
Natürlich steht der Vorwurf im Raum, dass der Strompreisdeckel von 40 Cent, zumindest für die ersten 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs, ein Anreiz für die Anbieter ist, nach oben keine Grenzen zu kennen. Aber mittlerweile ist der Wettbewerb wieder angelaufen. Das heißt: Es werden wieder Neukunden angenommen, vergleichen lohnt sich durchaus.
Was macht die Schlichtungsstelle Energie?
Verkürzt gesagt kann die Schlichtungsstelle Energie in vielen Fällen den Gerichtsweg ersetzen. Da ihre Hilfe kostenlos und eine vom Gesetzgeber geschaffene Einrichtung ist, sind die Fälle natürlich sprunghaft angestiegen. Zuständig ist die Schlichtungsstelle für Strom und Erdgas. Zum Vergleich: 2021 hatte man bundesweit 7.000 Anträge, 2022 waren es 18.000 und im Januar 2023 schon wieder 2.000, sagt Jürgen Kipp. Und die Zahlen sind beinahe noch geschönt.
Denn früher konnten oft Hunderte gleichgelagerte Fälle mit einem unverschämten oder nahezu kriminellen Discountanbieter auf einmal erledigt werden. Heute sind es in der Regel oft Einzelfälle. Wichtig ist: Auf dem Weg zur Schlichtungsstelle muss der Verbraucher sich selbst gewehrt haben. Die Beschwerde sollte schriftlich erfolgen. Normalerweise sollte eine E-Mail ausreichen, wenn Sie eine Bestätigung bekommen. Manchmal ist auch ein Einschreiben sinnvoll. In jedem Fall hat der Versorger vier Wochen Zeit zu antworten. Ist die Antwort unbefriedigend oder kommt gar keine, dann kann online ein Schlichtungsantrag gestellt werden, gegebenenfalls können Sie sich auch ein Formular zuschicken lassen.
Was tun, wenn der Strompreis steigt? Eine Erhöhung muss sechs Wochen vorher angekündigt werden. Die Ankündigung muss transparent und deutlich erfolgen, nicht im Kleingedruckten. Wird der Preis erhöht, darf der Kunde fristlos kündigen aber: erst Alternative suchen! Unberechtigte Lastschrift-Abbuchungen bei der Bank zurückbuchen lassen!
Wucher-Abschläge ohne Ankündigung
Es gab Fälle, da wurden die Verbraucher quasi rausgeworfen von ihrem Versorger und plötzlich buchte irgendein anderer "Rechtsnachfolger" monatlich mehr als das Doppelte ab. Und zwar ohne Ankündigung. Aber man ist auch in solchen Extremfällen nicht machtlos. Auch hier sollten Verbraucher schriftlich deutlich machen, dass einem das nicht gefällt und innerhalb von acht Wochen zur Bank gehen und ohne Angaben von Gründen die Lastschrift zurückbuchen lassen. Bei einer unberechtigten Abbuchung ohne Mandat hat man sogar 13 Monate Zeit, das Geld zurückbuchen zu lassen. Wichtig: den korrekten ursprünglichen vereinbarten Abschlagsbetrag unter Angabe von Vertragsnummer und so weiter überweisen.
Und auch wenn die Kollegen in der Schlichtungsstelle im Moment überlaufen, bei geschätzten 40 Millionen Stromverträgen in Deutschland sind 18.000 Fälle, die richtig aus dem Ruder laufen, ein relativ geringer Anteil. Immerhin ist der Anbieterwechsel jetzt wieder problemlos möglich und auch der Preisvergleich lohnt sich wieder. Was man mittlerweile aber wieder vermeiden sollte, ist der Rückfall in den Grundversorgertarif, der war ja für kurze Zeit für einige Kunden, deren Discounter extreme Preise aufgerufen haben, sehr lukrativ.
Diese Zeiten sind allerdings vorbei, die Grundversorgertarife sind wieder auf einem "normal"“ hohen Niveau. Und noch ein Hinweis: Wenn Sie in den Vergleichsportalen nach einem neuen Anbieter suchen, vergleichen Sie die Tarife erst einmal, ohne Wirkung der Strompreisbremse. Das sorgt nämlich sonst für ein ziemlich schiefes Bild und kann für unangenehme Überraschungen sorgen, wenn Sie die 80-Prozent-Verbrauchsschwelle überschreiten.
MDR (thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 27. Januar 2023 | 16:40 Uhr