Müllverbrennungsanlagen Senkt der hohe Strompreis die Abfallgebühren für Verbraucher?
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15. Januar 2023, 05:00 Uhr
2022 war das Jahr, in dem die Strompreise durch die Decke gingen. Der Strommarkt wiederum funktioniert so, dass der teuerste Anbieter den Preis an der Börse bestimmt. Davon profitieren auch Müllverbrennungsanlagen – denn deren Beiprodukt ist Strom. Aber heißt das auch automatisch, dass die Abfallgebühren für Verbraucher gesenkt werden?
- Einige Müllverbrennungsanlagen erwirtschaften hohe Gewinne durch die momentane Preisentwicklung.
- Sie könnten den Verbraucherpreis senken, doch das verhindere der künftige CO2-Preis, der alles verteuere, kritisieren Verbände.
- Das Bundeswirtschafts- und Klimaministerium weist die Kritik mit Blick auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes zurück.
Um die 400.000 Megawattstunden, also ein gutes Drittel der Menge an Strom, die ein Stadt wie Magdeburg im Jahr benötigt – so viel produziert das Müllheizkraftwerk Rothensee im Norden der Landeshauptstadt pro Jahr.
Explodiert seien die Gewinne 2022 allerdings nicht, sagt Geschäftsführer Rolf Oesterhoff MDR AKTUELL. Er begründet das mit langfristigen Verträgen und konstanten Strompreisen im vergangenen Jahr. Dementsprechend habe man "keine höheren spezifischen Erlöse für den Strom bekommen".
Unterschiedliche Ansätze bei Verbrennungsanlagen
Im Müllheizkraftwerk Rothensee verfolgt man eine langfristige Versorgungsstrategie, das heißt, dass sich Bestandskunden auf einen Festpreis im Jahr verlassen können, egal wie die Situation an der Strombörse ist. Oesterhoff sagt: "Das ist dann in schwierigen Zeiten immer gut, in Zeiten, wo es extrem hohe Strompreise gibt. Wie im Moment, wenn man kurzfristig über die Börse vermarkten kann, wie bei vielen anderen Anlagen. Dann profitiert man vor Ort eben nicht davon. Das ist dann halt so. Denn wir betreiben unser Geschäft über viele Jahrzehnte, deswegen gleicht’s das halt entsprechend aus."
Die Müllverbrennungsanlage Zella-Mehlis in Thüringen dagegen macht mit ihrem Beiprodukt "Strom" gute Geschäfte. Der Geschäftsleiter des dazugehörenden Zweckverbands für Abfallwirtschaft Südwestthüringen, Marius Stöckmann, erklärt dem MDR: "Seitdem diese Situation so eingetreten ist, wie sie ist, haben wir einen Durchschnittpreis von 230 Euro die Megawattstunde in diesem Jahr gehabt. Geplant hatten wir um die 30 bis 35 Euro." Und bei um die 65.000 Megawattstunden im Jahr erwirtschaftete die Thüringer Müllverbrennungsanlage 2022 nicht wie gewohnt zwei bis drei Millionen Euro, sondern fast 15 Millionen Euro.
CO2-Preis: Kritik aus der Wirtschaft
Doch Gewinne darf der Zweckverband nicht erzielen. Die Erlöse müssen wieder den "Abfallgebern" zugute kommen. Das heißt: Die Abfallgebühren sinken. Beim Zweckverband Südwestthüringen wird es voraussichtlich im nächsten Jahr günstiger werden.
Wie viel allerdings am Ende wirklich bei den Verbrauchern ankommt, ist offen. Denn ab 2024 gilt der CO2-Preis auch für Müllverbrennungsanlagen. Das heißt, pro emittierte Tonne CO2 müssen die Werke zahlen.
Geschäftsführer Oesterhoff vom Müllheizkraftwerk Rothensee kritisiert: "Das führt nur zu einer Verteuerung der Abfallentsorgung, führt dazu, dass die Stoffströme dann unschöne Wege gehen, nämlich die illegalen, und das kann eigentlich nicht im Sinne des Gesetzgebers sein."
Auch die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland ist empört. In einem schriftlichen Statement heißt es, es handele sich um "keine konventionellen Kraftwerke, und Abfall ist kein klassischer Brennstoff. Vielmehr steht hier die Entsorgung von Abfällen im Vordergrund, nicht die Energieerzeugung."
CO2-Preis als Ausgleich: Ministerium weist Kritik zurück
Im Bundeswirtschafts- und Klimaministerium ist man nicht überzeugt. Einerseits sorge ein einheitlicher CO2-Preis für gleiche und faire Wettbewerbsbedingung, heißt es. Andererseits wolle man in Deutschland und der EU den CO2-Austoß reduzieren und Recycling unterstützen.
Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilt ein Sprecher weiter schriftlich mit: "Die Verbrennung und die damit verbundene Energieerzeugung darf erst ganz am Schluss stehen, wenn alle anderen Formen des Recyclings nicht mehr funktionieren. Dazu trägt die Gleichstellung der Abfallverbrennung mit allen anderen Energieträgern im Brennstoffemissionshandel nun ausdrücklich bei." Wie genau sich das dann ab 2024 auf die Abfallgebühren auswirkt, wird sich zeigen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. Januar 2023 | 06:00 Uhr