Ernährungswissenschaftlerin im Interview Ist die Zuckersteuer eine gute Idee?
Hauptinhalt
24. November 2023, 16:07 Uhr
16 Milliarden Euro sparen und gleichzeitig die Gesundheit der Deutschen verbessern: Laut einer neuen Studie wäre das durch eine Zuckersteuer auf Erfrischungsgetränke möglich. Ernährungswissenschaftlerin Dorothea Portius aus Leipzig erklärt, was sie von der Idee hält und welche Punkte außerdem wichtig sind.
Halten Sie die Einführung einer Zuckersteuer für sinnvoll?
Prof. Dorothea Portius, Ernährungswissenschaftlerin: Es ist der erste Schritt in die richtige Richtung, weil die Menschen dadurch eventuell weniger zu den kalorienreichen, zuckerreichen Lebensmitteln greifen. Allerdings: Wenn jemand beispielsweise eine sehr große Vorliebe für Limonaden hat, wird er sie natürlich auch weiterhin kaufen. Deswegen erachte ich es als sinnvoller, hier auch mehr bei der Bildung anzusetzen und zu investieren: vor allen Dingen Bildung für Kleinkinder in Kitas, für Jugendliche in Schulen, aber auch Erwachsenenbildung in Bezug auf die Ernährung.
Studie: Deutschland könnte 16 Milliarden Euro sparen
Eine im November 2023 veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis: Eine Zuckersteuer auf Erfrischungsgetränke könnte in Deutschland innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte bis zu 16 Milliarden Euro einsparen. Die Deutschen würden weniger Zucker konsumieren und viele Erkrankungen würden vermieden. Dadurch wären weniger Behandlungen nötig und die Kosten durch Krankentage würden sinken.
Die Studie stammt von der Technischen Universität München und der britischen Universität Liverpool.
Mehr zur Studie hat die TU München unter diesem Link zusammengestellt .
Was ist das Problem an gesüßten Getränken für Heranwachsende?
Kinder und Jugendliche, das zeigen Studien, beziehen ihren Zucker größtenteils aus gesüßten Getränken. Wenn der Konsum hoch ist, erhöht das natürlich auch das Verlangen nach den Getränken. Das heißt, die Süßschwelle wird immer höher und die Kinder oder Heranwachsenden schmecken normale Sachen gar nicht mehr als süß.
Was bewirkt Zucker ansonsten noch im Körper von Kindern?
Wenn Kinder und Jugendliche zu viele Süßgetränke trinken oder viel Zucker essen, kann das bewirken, dass es zu Konzentrationsschwäche kommt, gerade ADHS kann getriggert werden, Übergewicht kann gefördert werden. Zudem ist die Entstehung von Typ-2-Diabetes möglich, vor allen Dingen auch Insulinresistenz, was die Vorstufe eines Diabetes Typ-2-Diabetes ist.
In Großbritannien wurde die Zuckersteuer 2018 eingeführt. Wie erfolgreich war das?
Studien und Reportagen zufolge scheint es erfolgreich gewesen zu sein. Ich finde den Ansatz sehr gut. Die Unternehmen wie Coca-Cola waren gezwungen, ihre Rezepturen zu ändern und den Zucker zu reduzieren. Allerdings auch hier das Ausrufezeichen: Die Lebensmittel sind immer noch hoch verarbeitet. Anstelle von Zucker werden nun Süßstoffe oder andere Zusätze verwendet, um den Geschmack gleich zu halten. Aber es ist so, dass gerade diese Ersatzstoffe auch negative Effekte, gerade auf das Darmmikrobiom, haben können.
Prof. Dr. Dorothea Portius Dorothea Portius ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin. Die Promotion mit Schwerpunkt Insulin-Resistenz, nichtalkoholische Fettleber und Leberkrebs folgte. Sie lehrt und forscht als Professorin für Ernährungstherapie an der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Außerdem hat sie eine Ausbildung zum Group Fitness Trainer abgeschlossen und sich zur ganzheitlichen Ernährungstherapeutin weitergebildet.
MDR (lk)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 23. November 2023 | 17:00 Uhr