Mediziner klärt auf Abnehmspritze: Schlägt hier der Jojo-Effekt zu?
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05. Februar 2025, 14:02 Uhr
Bis zu 20 Prozent Körpergewicht in einem Jahr verlieren. Das sollen Abnehmspritzen möglich machen. Doch wer bekommt sie? Was kostet die Behandlung? Und was ist mit dem Jojo-Effekt? Dr. Carsten Lekutat erklärt es.
Inhalt des Artikels:
- Die Abnehmspritze gibt es auf Rezept. Wo bekomme ich das?
- Innerhalb eines Jahres sind bis zu 15 Prozent Gewichtsabnahme durchaus drin. Das klingt doch gut?
- Die Kosten müssen die Patienten und Patientinnen übernehmen?
- Es gibt Abnehmspritzen verschiedener Hersteller. Funktionieren die bei jedem gleich gut?
- Ist konventionelles Abnehmen, mit Ernährungsumstellung und Bewegung, nachhaltiger?
- Welche positiven Gesundheitseffekte hat Semaglutid neben dem Senken des Hungergefühls?
- Kann man die Spritze einfach wieder absetzen, oder kommt dann der Jojo-Effekt?
- Kann es zu Spätfolgen durch Abnehmspritzen kommen?
Die Abnehmspritze gibt es auf Rezept. Wo bekomme ich das?
Dr. Carsten Lekutat: Mit dem Arzt sprechen! Er klärt, ob die Voraussetzungen vorliegen. Ein BMI von 30 aufwärts ist eine der Richtlinien. Es ist aber auch möglich, bei Menschen mit einem BMI ab 27, wenn durch das Übergewicht andere Krankheiten wie Diabetis oder Bluthochdruck bestehen.
Innerhalb eines Jahres sind bis zu 15 Prozent Gewichtsabnahme durchaus drin. Das klingt doch gut?
15 Prozent weniger Körpergewicht klingen erst einmal großartig – aber ob das die Kosten von rund 3.000 Euro rechtfertigt, ist eine individuelle Frage. Zum Vergleich: Andere Maßnahmen wie Magenballons oder operative Eingriffe sind oft teurer und mit deutlich größeren Risiken verbunden.
Wer unter starkem Übergewicht leidet und dadurch gesundheitliche Probleme hat, für den kann die Investition durchaus lohnenswert sein. Für jemanden, der "nur ein paar Kilo" loswerden möchte, sind die Kosten dagegen eine eher sportliche Summe. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Für einen gesundheitlichen Effekt zählt jedes Kilo.
Die Kosten müssen die Patienten und Patientinnen übernehmen?
Das Thema Kostenübernahme ist momentan eine Grauzone. Offiziell gilt Semaglutid zur Gewichtsreduktion als Lifestyle-Medikament und wird daher von den gesetzlichen Krankenkassen nicht regulär übernommen. Allerdings gibt es Einzelfallentscheidungen, insbesondere wenn eine starke Adipositas mit Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck vorliegt. Hier lohnt es sich, direkt bei der Krankenkasse nachzufragen.
Private Versicherer sind etwas flexibler – ob sie die Kosten übernehmen, hängt vom jeweiligen Tarif ab. Wer privat versichert ist, sollte das Gespräch mit der Versicherung suchen, da manche Tarife Medikamente zur Gewichtsreduktion mit einschließen.
Private Versicherer sind etwas flexibler – ob sie die Kosten übernehmen, hängt vom jeweiligen Tarif ab.
Es gibt Abnehmspritzen verschiedener Hersteller. Funktionieren die bei jedem gleich gut?
Medikamente wirken nie bei jedem gleich. Es sind aber auch ganz andere Präperate, als wir früher hatten: Es sind keine Appetitzügler oder Stoffwechselaktivatoren mehr. Das sind heute Stoffe, die tief in den Stoffwechsel eingreifen. Und die haben schon eine immense Wirkung.
Ist konventionelles Abnehmen, mit Ernährungsumstellung und Bewegung, nachhaltiger?
Man sollte heute auch Übergewicht multimodal therapieren und nicht nur auf eine Sache setzen. Man kommt sicher um eine Ernährungsumstellung und Bewegung nicht drum herum. Aber den Start können solche Medikamente sehr erleichtern und auch erfolgreicher machen.
Welche positiven Gesundheitseffekte hat Semaglutid neben dem Senken des Hungergefühls?
Semaglutid kann weit mehr als nur das Hungergefühl dämpfen. Es wirkt sich positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit aus und kann das Risiko für schwere Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall um bis zu 20 % senken – ein Effekt, der in der sogenannten SELECT-Studie nachgewiesen wurde.
Zudem verbessert es oft Blutzuckerwerte, auch bei Menschen ohne Diabetes, und hilft dabei, den Cholesterinspiegel zu optimieren. Auch die Leber profitiert: Es gibt Hinweise darauf, dass sich eine Fettleber durch die Therapie zurückbilden kann. Insgesamt hat das Medikament also ein deutlich breiteres Wirkprofil als nur "Hilfe beim Abnehmen".
Auch die Leber profitiert: Es gibt Hinweise darauf, dass sich eine Fettleber durch die Therapie zurückbilden kann.
Welche negativen Nebenwirkungen sind bekannt?
Wo Wirkung, da Nebenwirkung – das gilt auch für Semaglutid. Am häufigsten treten Magen-Darm-Probleme auf: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung stehen ziemlich weit oben auf der Liste. Diese Beschwerden sind meist vorübergehend, können aber zu Beginn der Therapie unangenehm sein.
In selteneren Fällen wurden Gallensteine oder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse beobachtet. Außerdem berichten einige Patienten von Müdigkeit, Kopfschmerzen oder leichten Reaktionen an der Injektionsstelle. Insgesamt gilt das Medikament als gut verträglich, aber es ist definitiv nichts für Menschen mit empfindlichem Magen.
Kann man die Spritze einfach wieder absetzen, oder kommt dann der Jojo-Effekt?
Wir haben noch nicht so viele Daten. Die Spritzen sind ja noch relativ neu. Aber erste Studien zeigen, dass nach dem Absetzen das Gewicht langsam, aber stetig wieder ansteigt, wenn keine grundlegenden Ernährungs- und Lebensgewohnheiten geändert wurden. Das ist nicht verwunderlich, denn Semaglutid wirkt ja nicht dauerhaft auf den Stoffwechsel, sondern hilft nur so lange, wie es regelmäßig angewendet wird.
Wer also nach Erreichen des Wunschgewichts das Medikament absetzt, sollte gut vorbereitet sein und aktiv an neuen Gewohnheiten arbeiten, um nicht in alte Muster zurückzufallen. Im Prozess des Abnehmens und der Therapie ändert sich das Leben meist sowieso stark, weil sich die Ernährungsgewohnheiten automatisch mit ändern und die Menschen auch wieder beweglicher werden und anfangen, wieder Sport zu machen.
Kann es zu Spätfolgen durch Abnehmspritzen kommen?
Langzeitstudien gibt es bislang nur begrenzt, da Semaglutid zur Gewichtsreduktion noch nicht so lange auf dem Markt ist. Bisherige Untersuchungen zeigen jedoch keine alarmierenden Langzeiteffekte. Wichtig ist, dass das Medikament nicht als schnelle Lösung gesehen wird, sondern nur als unterstützender Teil eines umfassenden Ansatzes, der Ernährung und Bewegung mit einbezieht.
Ob es nach Jahren der Anwendung unvorhergesehene Folgen gibt, wird sich erst mit der Zeit zeigen – deshalb sollte eine langfristige Einnahme immer gut mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Es sind schon sichere Präperate, aber es sind eben auch Medikamente, die verordnet werden müssen.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Mittagsmagazin | 04. Februar 2025 | 12:00 Uhr