Jede dritte Frau betroffen Wechseljahre: Jahrelanges Leiden, überforderte Ärzte
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04. September 2023, 05:00 Uhr
Gut neun Millionen Frauen in Deutschland sind gerade in den Wechseljahren. Ungefähr jede Dritte von ihnen leidet durch das Auf und Ab der Hormone unter Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Herzstolpern oder Hitzewallungen. Der Leidensdruck ist bei vielen so groß, dass sie im Job kürzer treten oder sogar ganz aufhören wollen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das auch ein großes Problem für Wirtschaft und Gesellschaft. Mediziner fordern eine politische Debatte über das Thema und Aufklärung.
- Mehr als 30 Symptome in den Wechseljahren möglich
- Hoher finanzieller Schaden durch Ausfall von Frauen in der Menopause
- Weiterbildungen für Ärztinnen und Ärzte sinnvoll, auch für Hausärzte
- Neuer Podcast "Hormongesteuert" will für Aufklärung sorgen
Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Herzstolpern, Hitzewallungen: Mehr als neun Millionen Frauen in Deutschland sind gerade in den Wechseljahren. Für viele bringt diese Hormonumstellung jahrelange Einschränkungen mit sich. Es ist ein langer Prozess, der sich im weiblichen Körper abspielt. Statistisch gesehen dauern die Wechseljahre sieben Jahre. Bei manchen Frauen können es auch zehn Jahre sein.
Es sei ein ständiges Auf und Ab der Hormone, erzählt Dr. Katrin Schaudig, Frauenärztin in Hamburg und Präsidentin der Deutschen Menopausegesellschaft ist. Nach ihrer Aussage sind bei Frauen in den Wechseljahren mehr als 30 Symptome möglich: "Man kann sagen, ungefähr ein Drittel aller Frauen hat schon einen erheblichen Leidensdruck."
Wenn Frauen jetzt reihenweise ausfallen, kann sich das die Gesellschaft eigentlich nicht leisten.
Hoher finanzieller Schaden durch Ausfallzeiten
Viele Frauen schaffen ihren Alltag nicht mehr, fallen für längere Zeit im Job aus. Nach einer aktuellen Studie aus Großbritannien denken 49 Prozent der Frauen in den Wechseljahren darüber nach, kürzer zu treten oder ganz aus dem Job auszusteigen.
Das hat in Zeiten von Fachkräftemangel wirtschaftliche Folgen. Weltweit wird der Gesamtschaden durch Ausfallzeiten auf 150 Milliarden Euro geschätzt. Tendenz steigend, denn 2030 wird ein Viertel der Weltbevölkerung in den Wechseljahren sein.
Nach Angaben von Frauenärztin Schaudig kommen Frauen im Durchschnitt mit 45 Jahren in die Wechseljahre: "Das ist übrigens eine Phase, in der Frauen in der Arbeitswelt Leistungsträger sind. Wenn Frauen jetzt reihenweise ausfallen, kann sich das die Gesellschaft eigentlich nicht leisten. Wenn wir unablässig vom Fachkräftemangel sprechen, ist das ein Thema, dass mal in der Politik ankommen soll."
Das Problem ist, dass Wechseljahresbeschwerden oft nicht richtig diagnostiziert und nicht richtig behandelt werden. Die Frauen seien medizinisch unterversorgt, belegt eine Studie der Gesetzlichen Krankenversicherung aus dem April 2022.
Falsche Diagnosen und Behandlungen häufen sich
Frauen in den Wechseljahren werden nicht gut beraten und aufgeklärt. Sie warten im Schnitt fast anderthalb Jahre auf eine Therapie. Leider kennen sich viele Ärztinnen und Ärzte mit dem Thema aus Sicht von Katrin Schaudig nicht gut aus: "Das ist in aller Regel kein böser Wille von den Ärzten, wenn sie sagen, da müssen die Frauen jetzt irgendwie durch."
Das Problem sei, dass es an Ausbildung fehle, meint die Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe entwickle man aber gerade Module, um Assistenzärzte besser zu schulen. Auf freiwilliger Basis funktioniert das nach den Erfahrungen Schaudigs nicht.
Weiterbildungen für Ärztinnen und Ärzte sinnvoll
Neben Gynäkologinnen müssten auch Hausärzte und andere Fachbereiche über das Thema Wechseljahre Bescheid wissen, betont Schaudig. Deshalb habe es sich die Deutsche Menopause Gesellschaft zur Aufgabe gemacht, Ärztinnen und Ärzte für das Thema zu sensibilisieren und weiterzubilden. Aber das Wichtigste ist ihrer Meinung nach, dass die Frauen selbst gut informiert sind.
Ich glaube, dass es total wichtig ist, dass Frauen genau Bescheid wissen, was in ihrem Körper passiert. Dann können sie auch alle Symptome besser verstehen und mit Ärzten auf Augenhöhe diskutieren.
Für Aufklärung will Katrin Schaudig im neuen MDR-AKTUELL-Podcast "Hormongesteuert" sorgen. Dort spricht sie offen über alle heiklen Themen der Hormonumstellung, räumt mit Tabus und Vorurteilen auf. Außerdem beantwortet sie Fragen von Hörerinnen. Den Podcast "Hormongesteuert" gibt es ab sofort werbefrei in der ARD-Audiothek zu hören, bei Spotify, Amazon, Apple Podcasts, Google Podcasts und auch auf YouTube.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 04. September 2023 | 06:52 Uhr