Eine Frau reibtsich die Füße ein.
"Bei Erkrankungsbeginn geben zwischen 20-50 Prozent der Patienten Probleme an den Füßen an", sagt Orthopädin Ulrike Lorenz. Bildrechte: Colourbox.de

Symptome und Therapie Schmerzen im Fuß – wann Rheuma dahinter steckt

18. April 2024, 12:59 Uhr

Eine rheumatische Entzündung wird häufig an geschwollenen Fingergelenken erkannt. Tritt sie jedoch zuerst in den Füßen auf, werden die Warnsignale lange nicht wahrgenommen. Die Zerstörung der Gelenke kann so unaufhaltsam voranschreiten. Wir haben mit Dr. Ulrike Lorenz, Oberärztin der Orthopädie am Marienstift Arnstadt, über die wichtigsten Anzeichen von Rheuma gesprochen und darüber, wie man sie behandeln kann.

So vielfältig wie die Krankheiten des rheumatischen Formenkreises sind auch ihre Symptome. Auf welche generellen Warnsignale sollte man achten?

Ulrike Lorenz: Tatsächlich können die Erstsymptome in Abhängigkeit der auftretenden rheumatischen Erkrankung variabel sein. Die am häufigsten vorkommende entzündlich-rheumatische Erkrankung, die rheumatoide Arthritis, beginnt oft mit Ruhe- und Belastungsschmerzen und Schwellungen in Hand-, Finger- oder Zehengelenken. Diese Schwellungen werden meist von einer mehr als 30 Minuten dauernden Morgensteifigkeit – also der Schwierigkeit, diese Gelenke frühmorgens nach dem Aufstehen uneingeschränkt bewegen zu können – begleitet. Nicht selten treten die Schwellungen symmetrisch, also an beiden Händen oder Füßen gleichzeitig, auf. Selten können auch große Gelenke, so z.B. die Knie- oder Schultergelenke, zuerst von der Entzündung betroffen sein.

Bei einer anderen Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankung, bei der neben den Gelenken auch die Wirbelsäule betroffen sein kann, können erste Warnsymptome die schmerzhafte Entzündung von Sehnenansätzen, frühmorgendliche Ruheschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich, die sich unter Bewegung bessern, oder auch Entzündungen von einzelnen ganzen Fingern oder Zehen sowie asymmetrische Entzündungen weniger Gelenke sein. Diese Frühsymptome können von sehr unspezifischen Krankheitszeichen wie z. B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber und Gewichtsverlust begleitet werden.

Ulrike Lorenz
Ulrike Lorenz ist Oberärztin der Orthopädie am Marienstift Arnstadt. Bildrechte: Marienstift Arnstadt


Untersuchungen zufolge kann der Rheumafaktor als Antikörper im Blut nur bei etwa der Hälfte aller Betroffenen nachgewiesen werden. Wie erhält man eine sichere Diagnose?

Ulrike Lorenz: Rheumafaktoren und auch andere nachweisbare Laborparameter müssen nicht bei allen rheumatischen Erkrankungen im Blut vorhanden sein. Deshalb besteht die Diagnosesicherung immer aus mehreren Untersuchungsverfahren. Die Blutuntersuchung ist nur ein Teil davon. Ganz entscheidend sind die Anamnese, also die Angaben zu den bestehenden Beschwerden, und die anschließende sorgfältige Untersuchung von Kopf bis Fuß. Ein weiterer Teil der Untersuchung sind bildgebende Verfahren, so z. B. eine Ultraschalluntersuchung der Gelenke oder auch eine MRT-Aufnahme z. B. der Wirbelsäule oder der Kreuz-Darmbeingelenke.

Wenn man dann den Verdacht auf das Vorliegen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung hat und die Blutwerte dies bestätigen, dann kann man von einer sicheren Diagnose sprechen. Und anders herum: Wenn weder die Anamnese, noch die klinische Untersuchung, die bildgebenden Untersuchungen und die Laborwerte Hinweise auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung bieten, dann kann man die Diagnose fast sicher ausschließen. Aber es wird immer einen Graubereich dazwischen geben. Hier ist die Erfahrung des behandelnden Arztes sehr wichtig.

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Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung von rheumatischen Krankheiten ist eine frühzeitige Erkennung. Aktuelle Zahlen zeigen, dass in Deutschland auf rund 1,5 Millionen Erkrankte nur gut 600 Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie kommen. Woran liegt das?

Ulrike Lorenz: Ziel ist der Beginn der Behandlung so früh wie möglich, möglichst innerhalb von drei Monaten, besser vier bis sechs Wochen nach Symptombeginn. Leider gelingt dies nicht immer. Ein Grund dafür ist die, bezogen auf die Bevölkerungszahl, zu geringe Anzahl Internistischer Rheumatologen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zum einen ist bereits im Studium das Fachgebiet Rheumatologie häufig unterrepräsentiert: Nicht jede Universität verfügt über einen Lehrstuhl im Fach Rheumatologie. Zum anderen besteht der Mangel an Internistischen Rheumatologen schon seit vielen Jahren, damit gibt es auch nach dem Studium weniger Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Fachbereich. Auch das Krankenhausabrechnungssystem begünstigt momentan eher andere Gebiete der Inneren Medizin, in denen dann Weiterbildungsstellen finanzierbar sind. Ähnlich sieht es auch in dem Spezialgebiet der Rheumaorthopädie aus.

Im Unterschied zu Händen werden Füße bei der Suche nach Rheumazeichen oft vernachlässigt. Auf welche Symptome sollte ich besonders achten?

Ulrike Lorenz: Achten Sie auf Schmerzen, die auch in Ruhe bestehen oder in Kombination mit Schwellungen oder Rötungen von Gelenken auftreten. Zudem können auch Schmerzen und Schwellungen im Sehnenverlauf auftreten. Des Weiteren müssen auch Entzündungen eines ganzen Zehs abgeklärt werden. Bei Erkrankungsbeginn geben zwischen 20-50 Prozent der Patienten Probleme an den Füßen an. Die Füße finden jedoch nicht selten erst bei Einschränkungen der Mobilität oder Problemen in der Schuhauswahl Beachtung.

Was genau versteht man unter einem Rheumafuß? Lässt er sich vermeiden?

Ulrike Lorenz: Unter einem sogenannten "Rheumafuß" verstehen wir typische Fußveränderungen, die im Rahmen der Rheumatoidarthritis auftreten können. Im Bereich des Sprunggelenkes und der Ferse handelt es sich dabei um ein Wegknicken der Ferse nach außen, den Knickfuß, im Bereich des Mittelfußes um ein Absenken bzw. den kompletten Verlust des Längsgewölbes, den Senk- bzw. Plattfuß. Im Bereich des Vorfußes kommt es häufig zu einem Auseinanderweichen der Mittelfußknochen, dem so genannten Spreizfuß. Dieser wird häufig von Fehlstellungen der Zehen begleitet, dem Hallux valgus am Großzeh etwa, oder an den Kleinzehen von Krallenzehen bis hin zu schweren Gelenkfehlstellungen. Leider lässt er sich nicht in jedem Fall vermeiden.

Grafische Darstellung der Fußknochen bei einem Ballenzeh
Ein Rheumafuß kann etwa zu einem Hallux Valgus führen. Bildrechte: imago/Science Photo Library

Welche Therapien sind zur Behandlung des rheumatischen Fußes angezeigt?

Ulrike Lorenz: Grundlage der Behandlung ist in jedem Fall die medikamentöse Therapie mit Tabletten, Spritzen oder Infusionen: die Basistherapie. Diese systemische Therapie muss engmaschig kontrolliert und optimiert werden. Sie unterdrückt u.a. die Entzündungen der Gelenkinnenhäute und der Sehnenscheiden und kann so der Zerstörung von Gelenken, Kapseln, Bändern und Sehnen und damit dem Verlust stabilisierender Strukturen vorbeugen. Leider kann jedoch im Verlauf der Erkrankung die Zerstörung dieser Strukturen nicht in jedem Fall verhindert werden.

In frühen Stadien der Fußveränderungen kann eine Beschwerdereduktion durch maßgefertigte Einlagen erreicht werden. Auch Zurichtungen am Schuh können zu einer Beschwerdelinderung beitragen und den Abrollvorgang erleichtern. Sie sind jedoch nicht für jeden Patienten geeignet. Bei Entzündungen eines einzelnen Gelenkes können Kortisoninfiltrationen oder die Injektion von radioaktiven Medikamenten in das entzündete Gelenk helfen. Bei weiter fortgeschrittenen Fehlstellungen, bei denen kein Konfektionsschuh mehr passt, kann auch das Tragen maßgefertigter orthopädischer Schuhe Beschwerden lindern.

In Abhängigkeit vom Krankheitsstadium und unter Beachtung des Krankheitsverlaufes können aber auch Operationen sowohl in frühen als auch fortgeschrittenen Stadien hilfreich sein, die Stabilität des Fußes zu erhalten oder Folgeschäden zu vermeiden und damit Beschwerden der Patienten zu lindern. Die Operationen müssen jedoch immer in das Gesamtbild der chronischen Erkrankung eingebunden werden, denn es handelt sich ja um Krankheitsbilder, bei denen häufig mehrere Gelenke des Körpers betroffen sind. Ziel jeder Therapiemethode ist es, Schmerzen zu lindern und die Mobilität des Patienten zu erhalten bzw. zu verbessern.

Gibt es Naturheilverfahren, die Sie empfehlen würden? Entzündungshemmende Nahrungsergänzungsmittel? Oder helfen gegen Rheuma nur schwere Geschütze?

Ulrike Lorenz: Zum Rheuma zählen mehr als 100 Erkrankungen aus verschiedenen Bereichen, etwa verschleißbedingte rheumatische Erkrankungen (z. B. Arthrosen), Stoffwechselstörungen, die mit rheumatischen Beschwerden einhergehen können und nichtentzündliche Erkrankungen der Weichteile (z. B. Fibromyalgie). Bei einigen dieser Erkrankungen können Naturheilmittel als alleinige Therapie gut wirksam sein.

Bei den autoimmun bedingten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind Naturheilverfahren und entzündungshemmende Nahrungsmittel sehr gut als unterstützende Therapie einsetzbar. Als alleinige Therapie sind sie jedoch nicht geeignet, die Krankheit zu behandeln. Damit riskiert man die Zerstörung von Organen, Gelenken oder Sehnen. Zu nennen sind in der Fülle der möglichen Naturheilverfahren z. B. die Anwendung von Blutegeln, insbesondere bei degenerativen Veränderungen. Regelmäßige Bewegungstherapie durch gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Wassergymnastik, Walking, Ergometertraining oder Radfahren fördert die Beweglichkeit der Gelenke, stärkt die Muskulatur und hilft, Schmerzen zu vermindern. Regelmäßiges Praktizieren von Tai Chi oder Yoga kann sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken und die Lebensqualität verbessern.

Auch mit einer vollwertigen Ernährung kann der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst und die medikamentöse Therapie ergänzt werden. Zu empfehlen sind Nahrungsmittel, die antientzündlich wirkende Omega 3-Fettsäuren enthalten, z. B. fettreicher Fisch, Leinöl, Avocado oder Walnüsse. Ebenso sind grünes Blattgemüse und Beeren, Äpfel oder Trauben eine gute Ergänzung des Speiseplans. Auch einigen Gewürzen werden antientzündliche Wirkungen zugeschrieben, so z. B. Knoblauch, Kurkuma und Ingwer. Sie sollten am besten roh verwendet werden.  

Man geht davon aus, dass bei Rheuma-Patienten das Immunsystem nicht richtig funktioniert. Kann ich den Krankheitsverlauf als Patient mit eigenen Mitteln aufhalten oder zumindest positiv beeinflussen?

Ulrike Lorenz: Die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind autoimmun-bedingte Erkrankungen. Damit ist ein Aufhalten des Krankheitsverlaufes mit eigenen Mitteln nicht möglich, eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes jedoch auf jeden Fall. Gute Erfahrungen bei der Rheumatoidarthritis gibt es z.B. für das Fasten, das die medikamentöse Therapie unterstützen und ca. einmal pro Jahr für sieben bis zehn Tage durchgeführt werden kann. Es muss jedoch im Vorfeld mit dem betreuenden Arzt abgesprochen werden und sollte unter klinischer Kontrolle erfolgen. Auch ein entsprechendes Stressmanagement kann helfen, besser mit einer entzündlichen Krankheit zu leben. Insgesamt gibt es vielfältige Möglichkeiten, seinem Körper bei einer chronischen Erkrankung etwas Gutes zu tun. Betroffene können dies mit ihren behandelnden Ärzten besprechen und die sehr guten Beratungsangebote, z. B. bei der Deutschen Rheuma-Liga, nutzen.

Speziell für die Füße ist das Tragen bequemer, passgerechter Schuhe zu empfehlen, die möglichst aus weichem Material gearbeitet sein sollten, um Druckstellen zu vermeiden. Flache Absätze sind zu empfehlen, um die Belastung des Vorfußes zu verringern. Haut und Fußnägel sollten gepflegt werden und die Füße, analog zu Patienten mit Diabetes mellitus, täglich mit Hilfe eines Spiegels inspiziert werden, da auch bei rheumatischen Erkrankungen Sensibilitätsstörungen im Bereich des Fußes auftreten können. Diese Selbstinspektion hilft, Rötungen frühzeitig zu erkennen, die die Vorstufe eines Druckulkus, also eines Geschwürs, sein können.

Und umgekehrt: Worauf sollten Rheumapatienten verzichten?

Ulrike Lorenz: Generell auf das Rauchen sowie Alkohol in größeren Mengen, des Weiteren auf zu wenig Bewegung oder zu viel falsche Bewegung. Auch zu wenig Schlaf oder ein schlechtes Stressmanagement können sich negativ auf die Erkrankung auswirken. Bei den Nahrungsmitteln sollte die Aufnahme von Arachidonsäure, die sich vermehrt in tierischen Lebensmitteln wie Schweineschmalz, Leber, Butter, Sahne, Wurst und Fleisch sowie Eiern findet, reduziert werden.  Arachidonsäure ist an der Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe beteiligt und kann damit Gelenkentzündungen begünstigen.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Ernährungssprechstunde | 14. Dezember 2023 | 10:00 Uhr

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