Einschlafhilfe Kinderärzte raten Eltern von Melatonin-Produkten ab
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12. Dezember 2023, 08:59 Uhr
Viele Kinder haben Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen. Einige Eltern setzen auf melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel, da diese Abhilfe versprechen. Was halten Experten davon?
- Zur Bekämpfung von Schlafproblemen bei Kindern greifen einige Eltern zu Melatonin-Produkten.
- Kinderärzte warnen vor einem solchen Eingriff in den normalen Schlafrhythmus.
- Die Wirkung kleinerer Dosen sei ohnehin fraglich.
Eltern von kleinen Kindern kennen das. Es ist spät abends und die Kleinen schlafen noch nicht. So geht es öfters auch Falk aus Leipzig. Er ist Vater von drei kleinen Kindern: "Und ich denke: schlaft doch endlich, schlaft bitte. Ich brauche auch meinen Schlaf", meint Falk.
Auf dem Markt gibt es zahlreiche Mittel, die Abhilfe versprechen. Gummibärchen, Sprays und Tropfen mit Melatonin. In der Werbung dafür heißt es dann etwa, dass Melatonin ein natürlicher Stoff sei, der den Schlaf unterstütze. Bei seinem Einjährigen habe es der Vater aus Leipzig einmal ausprobiert: "Der hatte so eine Phase, in der er wirklich jede Nacht zwei bis drei Stunden wach war. Ich konnte einfach nicht mehr. Dann habe ich es mal mit einem Spritzer Melatonin-Spray auf den Schnuller probiert. Ob das gewirkt hat, da ist sich Falk allerdings nicht so sicher.
Verband der Kinder- und Jugendärzte rät Eltern von Melatonin-Produkten ab
Jakob Maske ist Kinder- und Jugendarzt in Berlin sowie Bundessprecher des Verbands der Kinder- und Jugendärzte. Melatonin werde vom Körper selbst hergestellt und reguliere den Schlaf. "Insofern halten wir natürlich nichts davon, in diesen normalen Schlafrhythmus einzugreifen. Das machen wir nur in sehr speziellen Fällen. Wir würden davon abraten, dass Eltern das selbständig tun."
Das würde den Schlafrhythmus der Kinder nur durcheinanderbringen. Etwas anderes sei das, wenn eine handfeste Diagnose vorliege. Dann könne es Melatonin auf Rezept geben: "In der Regel schreiben wir das Medikament für schwer chronisch kranke Kinder, zum Beispiel mit autistischen Störungen auf, die eben dann auch Schlaf- bzw. Einschlafprobleme haben können", so Maske. Bei gesunden Kindern solle man aber eher zu anderen Mitteln greifen.
Individuelle Beratung oft sinnvoller
Diesen Ansatz vertritt auch Sabine Kälber. Sie berät am Mütterzentrum in Leipzig Eltern zum Thema Schlaf. Wenn Eltern zu ihr kommen, bittet Kälber sie erst einmal, die aktuelle Schlafsituation genau anzuschauen: "Wie ist denn eigentlich der Lebensalltag des Kindes – natürlich auch mit den Schlafphasen", sagt Kälber.
In den Protokollen sei dann oftmals bereits eine mögliche Ursache für die Schlafschwierigkeiten zu erkennen. "Sehr viel fußt auch darauf, dass die Eltern erstmal verstehen, wie der Schlaf bei einem Neugeborenen, einem Baby oder einem Kleinkind überhaupt funktioniert." Die Lösungen, die sie mit den Familien dann entwickelt, seien je nach Konstellation sehr individuell.
Wirkung kleinerer Dosierungen fraglich
Wie sieht es nun aber mit den Risiken der frei verkäuflichen Melatonin-Produkte für Kinder aus? Es seien Nahrungsergänzungsmittel, merkt Schlafmediziner Nikolaus Netzer an. "Die Dosierungen müssen so klein gehalten werden, dass die Wirkungen dann im Endeffekt fraglich sind. Und in dem Punkt wäre es also noch einmal sicherer, sich mit dem Kinderarzt abzusprechen.
Was man am Ende tut, um Kinder ohne Melatonin-Mittel zum Schlafen zu bekommen, sei laut Kinderarzt Maske altersabhängig. Käme es bei Kindergartenkindern auf Ins-Bett-Geh-Rituale an, sei bei größeren Kindern oft eines hilfreich: das Handy und Bildschirme wegzulassen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 11. Dezember 2023 | 11:00 Uhr