Der Redakteur | 01.06.2023 Warum darf ich in meinem Kleingarten in Erfurt keine Solaranlage nutzen?
Hauptinhalt
01. Juni 2023, 20:17 Uhr
In Erfurter Kleingärten waren Solaranlagen bisher ausrücklich verboten. Das ändert sich jetzt. Ob sich die Investition in eine solche Anlage lohnt - unser Redakteur hat nachgefragt.
Ausgangspunkt für die Problematik war die ziemlich deutliche Ansage des Stadtverbandes Erfurt der Kleingärtner. Das Schreiben stammt vom 18. Mai 2020 und schon die Überschrift lässt keine Nachfragen zu: "Solaranlagen in Kleingartenanlagen – nein". Das "Nein" ist rot geschrieben und als Begründung wird schwarz auf weiß das Bundeskleingartengesetz bemüht, und zwar § 3 Abs. 2, dass die Laube in "einfacher Ausführung" errichtet sein müsse und Strom in der Laube ist eben nicht mehr "einfach" und als Solarstrom vom Dach schon einmal gar nicht.
Die Schlussfolgerung: alle Baulichkeiten sind tabu, was Solarzellen betrifft, sodass "sicherlich keine weiteren grundsätzlichen Ausführungen erforderlich sind." Drei Jahr später ist das Bundeskleingartengesetz immer noch das alte, aber auf dem (Solar-)Dach tut sich was.
Plötzlich sind Solaranlagen erlaubt
Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN teilte der Stadtverband mit, dass man mit einer Kommission aus Vorsitzenden der angeschlossenen Kleingartenvereine an einer neuen, noch zu beschließenden Kleingartenordnung arbeitet. Punkt 7 ist der Punkt, der die Problematik Solaranlagen berührt.
Das Aufstellen von beweglichen und nicht ortsfesten Solarzellen ist bis max. 1,6 kWp Gesamtleistung (Balkonkraftwerk) durch den Vereinsvorstand genehmigungsfähig.
Ein paar Einschränkungen sind allerdings vorgesehen. So muss die Anlage nach Beendigung der Nutzung der Kleingartenparzelle abgebaut werden und bei einer Genehmigung sollte eine Installation auf dem Dach vermieden werden, um nicht den "laut Bundeskleingartengesetz untersagten, dauerhaften Wohncharakter zu verstärken". Das ist nämlich der Punkt, der bei vielen Streitigkeiten über restriktive Vorgaben der Gartenanlagen-Vorstände gern vergessen wird.
Ewig grüßt das Bundeskleingartengesetz
Das Bundeskleingartengesetz hat den Ruf, viel zu verbieten. Nur wird dabei schnell übersehen, dass es eigentlich eine segensreiche Regelung ist, der die Kleingärtner und deren Parzellen vor schnellen Zugriffen schützt und noch dazu die Pachtzahlungen deckelt.
Niemand kann so schwer von seinem Grund vertrieben werden, wie ein Kleingärtner, dem ja der Boden nicht gehört.
Dieser Schutz gilt aber eben nur so lange, wie die Parzellen und auch die Gesamtanlage regelkonform gestaltet sind. Gerade dann, wenn die Grundstückseigentümer lukrativere Pläne verfolgen, wird sehr genau draufgeschaut und Stefan Grundei hat regelmäßig die Fälle auf dem Tisch, bei denen die Kleingärtner die Gründe für ihren Rauswurf selbst geliefert haben.
Große Lauben mit weithin sichtbaren SAT-Schüsseln, Erholungsflächen auf Golfrasenniveau mit zwei Alibi-Apfelbäumchen. Da ist die Solarzelle nur das Sahnehäubchen auf dem Kündigungsschreiben. Denn wo kein Kleingarten mehr, dort auch kein Kündigungsschutz, fertig sind die Freizeitgrundstücke. Das ist nicht ganz so schlimm, wie der Komplettabriss und die Errichtung von edlen Apartmenthäusern, aber Wochenendhäuser sind im Gegensatz zu Kleingärten eben nicht vor "Pachtwucher" geschützt, hier regiert der freie Markt.
Wenn der Grundstückseigentümer das als Freizeitgrundstück verpachten kann, ist bei entsprechender Lage locker das zehn- bis fünfzehnfache möglich
Für viele Kleingärtner wäre das einfach nicht mehr zu schultern, sagt Stefan Grundei, wenn statt 100 Euro Pachtzins plötzlich 1.500 Euro fällig werden. Und man soll sich auch nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wenn zum Beispiel die Stadt als Eigentümer der Grundstücke jahrelang darüber hinweggeschaut hat, dass sich da recht amtliche Häuschen entwickelt haben, heißt das nicht, dass das immer so bleiben muss. Schon die nächste Wahl des Stadtrates kann die Karten neu mischen und neue Begehrlichkeiten entstehen lassen.
Was spricht gegen eine Solaranlage im Kleingarten?
Es besteht durchaus die reelle Gefahr, dass sich die Angelegenheit nicht rechnen wird. Wer nur wenige Euro Stromkosten hat im Monat – was bei einer wirklich gärtnerischen Nutzung der Normalfall sein sollte – der wird bei der ersten Hochrechnung merken: Das amortisiert sich nicht einmal nach Jahrzehnten. Zumal man ja auch nicht Geisel des Sonnenscheins sein möchte und den Rasenmäher nur zur Mittagszeit anwerfen will.
Speicher machen es noch teurer und der notwendige Zweirichtungszähler ebenso. Abgesehen davon, dass Einspeisevergütungen mit Aufwand verbunden sind. Finanziell lohnt sich bei Kleinstanlagen vielleicht der Eigenverbrauch, nicht aber das Einspeisen. Hier empfiehlt Stefan Grundei den spitzen Bleistift und das Gespräch mit den anderen Gartenfreunden. Denn unter Umständen ist es lukrativer, wenn man beispielsweise zusammenlegt und das Vereinsheim mit Photovoltaikmodulen bestückt. Da haben alle Anteilseigner etwas davon und man spart sich auch die uunter Umständen erforderliche Komplettsanierung des Leitungsnetzes in der ganzen Kolonie.
Denn ob die alten Leitungen des bestehenden Netzes einen richtigen Sonnentag aushalten, wenn von vielen Dächern die komplette Leistung direkt ins Netz geht, das ist unklar. Ohnehin muss man sich Gedanken machen, ob man in einer – im Normalfall nachts unbewohnten – Kleingartenanlage so teure Technik verbauen sollte. Ein Balkonkraftwerk könnte Beine bekommen, oder Flügel. Letzteres dann, wenn der Wind ungünstig steht.
Eine Gartenlaube im Sinne einer Gartenlaube und nicht im Sinne eines festen Wohnsitzes, hat relativ wenig Eigengewicht und oft nur eine grobe Verschraubung von Dach und Wand. Solarmodule, die ja naturgemäß etwas abstehen, könnten Windangriffsflächen bieten, die nie ein Fachmann durchgerechnet hat. Im schlimmsten Fall heben Bretterdach und Solarmodul gemeinsam ab.
MDR (dvs,nis)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 01. Juni 2023 | 16:40 Uhr