Der Redakteur | 04.07.2023 Was geschieht mit alten Grabsteinen?
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04. Juli 2023, 16:55 Uhr
Markus Kahl aus Weimar fragt, was eigentlich mit "alten" Grabsteinen geschieht? Können die nochmals verwendet werden oder werden sie recycelt? Unser "Redakteur" hat sich in die Spur gemacht.
Alte Grabsteine werden durchaus immer noch geschreddert und zum Beispiel für den Unterbau im Straßenbau verwendet. Doch solche Natursteine sind nach menschlichen Maßstäben eigentlich ewig haltbar und sehen nach wenigen Arbeitsschritten aus wie "neu". Wenn keine statischen Gründe dagegen sprechen, zum Beispiel, weil das Material zu dünn ist und nicht mehr standsicher, spricht also nichts gegen eine Aufarbeitung.
Und in diese Richtung wird es auch mehr und mehr gehen, sagt Hermann Rudolph, Vorsitzender des Arbeitskreises Friedhof und Grabmale im Bundesverband Deutscher Steinmetze. Bei ihm spürt man förmlich die Leidenschaft für den Werkstoff Stein.
Und weil das natürlich auch anderen in der Branche so geht, macht man sich schon lange Gedanken darüber, wie gebrauchte aber wertvolle Steine sinnstiftend verwendet werden können.
Das Schreddern fühlt sich ohnehin etwas stillos an bei Grabsteinen. Sind sie doch Teil der Erinnerungskultur. Ein besonderes Beispiel dafür, wie man aus alten Grabsteinen etwas Neues schaffen kann, war ein Wettbewerb, der für die aktuelle Buga in Mannheim ausgeschrieben war.
Das Thema Mustergräber und deren Gestaltung ist ohnehin schon einige Zeit gesetzt auf der Buga, auch in Erfurt war das der Fall. In Mannheim setzte man aber noch einen Kreativwettbewerb oben drauf.
Kreativwettbewerb "Alte Steine - junge Seele"
Der Bundesverband der Steinmetze war nicht nur wegen die Zahl der Teilnehmer überrascht, sondern auch wegen der Vielfalt der Ideen und der Qualität der Ausführung. Vorgabe für den Wettbewerb "Alte Steine – junge Seele" , dass eben nur Altmaterial verwendet werden durfte.
Am Ende war von Sitzgelegenheiten bis zu einem Schachspiel alles dabei. Letzteres war auch das Siegerprojekt, erzählt Hermann Rudolph, der als Juryvorsitzender mit darüber entschieden hat. Nicht nur, dass die Figuren handwerklich hervorragend gearbeitet waren, es war eben auch noch erkennbar, dass diese einmal ein Grabmal waren.
Teilweise war die Schrift noch erkennbar und weil der Name auf dem Grabstein "König" war, war auch klar, dass das der König wird.
Für Kunden, die Grabsteine nach Auflösung der Gräber noch als Teil ihrer Erinnerung behalten wollen, gibt es viele Anregungen. Steinmetzmeister Hermann Rudolph hat zum Beispiel Vogeltränken für den Garten gefertigt oder eine Stele für die Wohnung.
Natürlich ist auch die direkte Wiederverwendung als Grabstein immer eine Option, es lohnt sich das Gespräch mit der örtlichen Friedhofsverwaltung oder dem örtlichen Steinmetz, denn aufgearbeitete Steine sind deutlich günstiger im Vergleich zu einem Neukauf und man sieht es ihnen nicht an.
Mangel in der DDR macht kreativ
Nun herrscht aktuell zwar kein Mangel an Naturstein, aber der Trend zu einer Wiederverwertung jenseits des Schredderns ist erkennbar, sagt Hermann Rudolph. Er schließt auch nicht aus, dass man irgendwann mal Geld bekommt, wenn man Altmaterial anliefert.
Zu DDR-Zeiten gab es sogar so eine Art "Pfandsystem". Die DDR hatte über verschiedene Kanäle ihre Natursteine zu Devisen gemacht, was zu einem Gewissen Mangel an Grabsteinen führte. Was am Ende zugewiesen wurde, reichte bei weitem nicht. Also entwickelte sich ein organisiertes Aufarbeitungsgeschäft, erzählt Manfred Brandt, ab Mitte der 1970er-Jahre Chef der Erfurter Friedhöfe.
Das Problem war nämlich, dass Hartgesteine wie Granit nicht von jedem Steinmetz abgeschliffen werden konnten. Diese Steine wurden als Sammelladung unter anderem nach Sachsen gefahren, zum Beispiel zur Firma Elbe-Naturstein und dort abgeschliffen. Der Lkw lieferte Steine an und nahm bereits abgeschliffene wieder mit.
Auf dem Erfurter Friedhof haben wir einen Altsteinverkauf für alle Steinmetzbetriebe gemacht aus der Region.
Die Wiederverwendung alter Grabsteine hat also eine lange Tradition, auch wenn nicht jeder Anwendungszweck zur Nachahmung empfohlen wird. Manfred Brandt erzählt von einem Kollegen im damaligen Karl-Marx-Stadt, der zu DDR-Zeiten sein ganzes Haus aus Grabsteinen gebaut hat. Spätestens dafür hätte man den Begriff Massivbau erfinden müssen.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 04. Juli 2023 | 16:40 Uhr