Tabuthema Tod Bunte Farben und Nachhaltigkeit bestimmen Bestattermesse Pieta

28. Mai 2023, 06:00 Uhr

Die Themen Tod und Sterben waren lange Tabus. Doch seit einigen Jahren wandelt sich das. Eine offenere Art der Menschen mit dem Tod umzugehen, zeigt sich auch im Bestattungswesen. Bunte Urnen in Herz- und Blumenform lösen Kreuze und gefaltete Hände ab. Auf der Fachmesse Pieta in Dresden zeigen die Anbieter von Bestattungsutensilien und -technik die aktuellen Trends für Beisetzungen. Dabei ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema.

Urnen in unterschiedlichen Größen und Farben stehen wie in Verkaufsregalen im Supermarkt aneinandergereiht. Särge in dunkleren und mal helleren Farbtönen sind akkurat vor einem Messestand gruppiert. Alles wirkt auf der Bestattermesse Pieta irgendwie auf dem ersten Blick steril und kühl. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, wie viele individuelle Möglichkeiten es mittlerweile gibt, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen.

Was ist die Pieta? Die "Pieta" ist eine Fachmesse für Bestatterinnen und Bestatter. Anbieter und Hersteller von Bestattungsbedarf und -technik stellen hier aller zwei Jahre ihre Produkte vor. Privatpersonen haben zu der Fachmesse keinen Zutritt. Quelle: Messe Dresden

An einem Eckstand mehrere eiförmige Gebilde, die auch als Tischlampen durchgehen könnten. Doch es sind Urnen, die aus Pappe gefaltet sind, erklärt Katharina Scheidig. Ihre Kollegin Kristina habe vor einigen Jahren für ihren verstorbenen Vater eine individuelle Urne aus Pappe kreiert. Daraufhin sei die Idee gekommen, Urnen neu zu denken. "Wenn man es ganz emotionslos betrachtet, ist eine Urne eine Art Verpackung", sagt die Unternehmerin.

Die Urnen werden aus recycelten Kartonagen, Hanf oder einer Mischung aus Naturfasern und bayrischen Wiesengras gefertigt.

Katharina Scheidig bietet Urnen aus Pappe an

In den vergangenen zwei Jahren seien bereits 250 Menschen in den Falturnen der Firma "Urnfold" bestattet worden. "Die Urnen werden aus recycelten Kartonagen, Hanf oder einer Mischung aus Naturfasern und bayrischen Wiesengras gefertigt", sagt Scheidig. Sie hält eine grüne Pappurne in der Hand, die noch leicht nach Gras riecht und in der kleine Zettel stecken: "Auf diese Zettel können Angehörige die letzten Wünsche für den Verstorbenen schreiben", erklärt die 31-Jährige.

Mit Vogtlandsarg ökologisch nachhaltig bestatten

Mit dem aktuellen Generationenwechsel im Bestatterwesen, bemerkt Sylvia Aust-Reichelt, gingen auch Veränderungen einher, etwa, dass die Jüngeren offener für innovative Ideen seien. Sie ist Inhaberin der Firma Aust Bestattungsbedarf im Vogtland, die seit 33 Jahren Särge herstellt und anbietet. "Auch die Sargkultur ist stark im Wandel, ähnlich wie bei Möbeln. Früher waren bei Särgen wie auch Möbeln dunkle Eichentöne beliebt. Heute sind es hellere Farben", erklärt Aust-Reichelt.

Auch die Sargkultur ist stark im Wandel, ähnlich wie bei Möbeln. Früher waren bei Särgen wie auch Möbeln dunkle Eichentöne beliebt. Heute sind es hellere Farben.

Sylvia Aust-Reichelt Inhaberin von Aust Bestattungsbedarf Weischlitz im Vogtland

Zudem sei für viele zunehmend wichtig, ihre Angehörigen ökologisch nachhaltig zu bestatten. Aust-Reichelt zeigt dabei auf den schlicht gehaltenen, hellen sogenannten Vogtland-Sarg: "Der ist aus heimischer Fichte gefertigt und ist zu 100 Prozent biologisch abbaubar."

Friedwald erkunden mit VR-Brille

Auf der Piera liegt auf einmal kräftiger Waldgeruch in der Luft. Mandy Oertel sitzt auf einer Bank, die auf Rindenmulch inmitten der Messehalle steht. Die Dresdner Bestatterin ist besonders von den Urnen begeistert, die Angehörige selbst gestalten können: "Die Entwicklung im Bestatterwesen ist gigantisch."

So ist es auf der Messe für Bestatter möglich, sich mit einer Virtual-Reality-Brille einen der mehr als 70 Friedwälder in Deutschland anzuschauen. Die Technik soll ihnen laut Anbieter helfen, Grabschmuck passend anzuordnen.

Sargwäsche mit farbenfrohen Monet-Motiven

Die Außengestaltung von Särgen und Grabutensilien wird mittlerweile anders gedacht als vor ein paar Jahren. Gefaltete Hände und Kreuze sind auf den Urnen und Särgen in der Messe Dresden kaum zu sehen. Die Urnen sind stattdessen als große Herzen oder Blumen geformt, bestehen aus Holz und sind mit bunten Farbstoffen überzogen. "Es wird allgemein bunter", sagt Thomas Benkert von der Firma Besta Heimberger. Der Hersteller aus dem erzgebirgischen Geyer ist nach eigenen Angaben der deutschlandweit größte Hersteller von Bestattungswäsche.

Es wird allgemein bunter. Derzeit sind Blumen und Waldmotive beliebt.

Thomas Benkert Hersteller von Sargwäsche in Geyer im Erzgebirge

Auch in den Särgen hat sich einiges geändert. Die Sargauskleidung sei nur noch selten mit Spitze genäht, Kreuze oder gefaltete Hände auf den Decken seien immer weniger gefragt, sagt Benkert. "Derzeit sind Blumen und Waldmotive beliebt" sagt er und zeigt auf Sargwäsche, die an die Malweise von Claude Monet erinnert.

Bestatter holen sich Inspiration

Auf einer großen Freifläche inmitten der Messehalle stehen mehrere Bestattungsfahrzeuge. Der Klimaschutz hat auch das Bestattungswesen erreicht, denn viele der Leichenwagen haben Elektro- oder Hybridmotoren. Frank Oberüber schaut in einen der langen, ausgeleuchteten Wagen hinein. Der Bestatter aus Dresden ist regelmäßig auf Fachmessen für Bestatter, von denen es fünf in der Größe der Pieta deutschlandweit gebe. "Wir sind hier, um uns Inspiration zu holen. Es ist nie ein gezielter Einkaufsbummel", sagt er.

Letzte Reise im Motorrad oder Feuerwehrwagen

In der Nähe schaut eine Frau auf ein schwarzes Motorrad, in dessen Beiwagen eine Urne steht. Auf einer Videoleinwand sieht sie, wie das Motorrad durch eine grüne Landschaft fährt. "Ich würde das nicht anbieten. Die Leute sind da noch zu zurückhaltend", sagt die Bestatterin.

Wir hatten schon Bestattungen, bei denen 300 Motorräder hinter den Verstorbenen her gefahren sind.

Justin Bartsch Anbieter von Motorradbestattungen

Dabei seien die Motorradbestattungen schon jetzt von Berlin bis Dresden gefragt, sagt Justin Bartsch von der Cottbusser Firma Blackfinity. Seit anderthalb Jahren kann ein Bestattungsmotorrad mit Fahrer gebucht werden, der den Verstorbenen auf seine letzte motorisierte Fahrt zum Friedhof begleitet.

Gerade bei Motorradfahrern sei das Angebot gefragt: "Wir hatten schon Bestattungen, bei denen 300 Motorräder hinter den Verstorbenen hinterher gefahren sind." Die Firma bietet laut Bartsch auch den einzigen Feuerwehrwagen deutschlandweit an, der als Leichenwagen zugelassen ist.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 27. Mai 2023 | 18:00 Uhr

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