Der Redakteur | 17.02.2023 Telefonbetrug: Enkeltrick und Bauernfängerei – Wie wehrt man sich richtig?
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17. Februar 2023, 16:41 Uhr
"Papa/Mama, mein Handy ist kaputt.", ein Unfall von irgendwem, der Schmuck ist in Gefahr oder das Bargeld zu Hause möglichweise falsch. Die Geschichten sind austauschbar, das Ziel bleibt: Man will Sie bestehlen!
Die Taschendiebe von einst arbeiten heute aus dem Homeoffice. Die Erstkontakt zu den Opfern übernehmen oft Computerprogramme, die zahllose SMS oder Mails versenden. Das geschieht nach dem Zufallsprinzip, wer antwortet, hat sozusagen angebissen.
Wenn die Aufforderung über eine SMS erfolgt, wird in der Regel "die neue" Telefonnummer eines Familienmitglieds mitgeteilt und man möge doch bitte eine WhatsApp-Nachricht schicken.
Die Köder-SMS der Betrüger
Hintergrund: Die Köder-SMS hat ja ein Computer versendet, der WhatsApp-Kontakt erfolgt dann über die Täter auf ganz persönlichem Wege. Alternativ werden direkt Menschen nach dem Zufallsprinzip oder gezielt angerufen. Wer Erika, Erich oder Hermann heißt und im Telefonbuch steht, erhöht seine "Chancen", angewählt zu werden.
Einen solchen Fall haben wir bei MDR THÜRINGEN im Radio mit Polizeisprecher Patrick Martin diskutiert, eine aufmerksame Pflegerin war zugegen, als ein Senior einen solchen Enkeltrick-Anruf bekam. Beide spielten perfekt mit und zeichneten mit einem zweiten Handy das Gespräch mit der sehr besorgt und eloquent argumentierenden Betrügerin auf.
Die Sache mit den Emotionen
Die gut geschulten Täter wollen ihre Opfer bewusst sofort in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzen. "Einem nahen Verwandten ist etwas passiert!" Hier werden schnell sämtliche Sicherungen überbrückt.
Das Einfachste ist natürlich, solche Anrufe oder Nachrichten zu ignorieren. "Aber wenn das doch stimmt?" Wer letzte Zweifel ausräumen will, kontaktiert die angeblich Verunglückten bzw. deren Umfeld ausschließlich über die bekannten Wege und Nummern und kann beruhigt schlafen gehen.
So stellen Sie den Tätern ein Bein
Wer sich aber gewappnet fühlt, den Tätern ein Bein zu stellen, kann auf das Spielchen eingehen. Auch lässt sich der Erstkontakt zur eigenen Beruhigung nutzen, wenn man die Kinder vielleicht doch nicht gleich erreicht. Einfach wie gefordert antworten und das angebliche Kind mit einem falschen Namen ansprechen.
Einfach einen Namen ausdenken und den Anrufer fragen: 'Meinst du Bianca?' Und wenn der 'ja' sagt, weiß ich schon, dass es ein Betrüger ist.
Angesichts der Tatsache, dass man ein vom Computer ausgewähltes Zufallsopfer ist, wissen die Täter erstmal gar nichts, abgesehen von dem, was man selbst über Telefonbuch, Facebook usw. bereitgestellt hat.
Persönliche Informationen dank geschicktem Ausfragen
Nötige Informationen bekommen diese meistens erst durch geschicktes Ausfragen. Eine Methode, die auch Kartenleger und Glaskugeldeuter sehr gut beherrschen. "Bist du das, Paul?" So hat es ein Thüringer über WhatsApp gemacht, der uns den darauf folgenden Chatverlauf zur Verfügung gestellt hat.
Das nicht existierende Kind Paul antwortete brav. Auf ein noch belangloses "Wie geht es dir", folgte recht bald die Frage, ob "Papa" nicht ein kleines Problem lösen könne. Ohne Handy kam "Paul" natürlich nicht mehr an sein Konto und fragte nun, ob "Papa" mal bitte eine Rechnung überweisen könne. Als Echtzeitüberweisung.
Kontoinhaber oft Bauernopfer der Täter
Damit das Geld auch wirklich sofort auf dem Täterkonto ist. Dieses ist aber oft auch nur ein Konto von Menschen, die auf eine ganz andere Masche reingefallen sind. Für eine Beteiligung von vielleicht 20 Prozent, kann man sein Konto für "internationale, aber natürlich ganz legale Transaktionen" zur Verfügung stellen.
Wie kann man den Tätern das Handwerk legen?
Wie in unserem Beispiel auch, schicken die Täter gewöhnlich zügig eine angebliche Rechnung, die dringend bezahlt werden muss, bzw. auch nur eine IBAN an die das Geld gehen soll. Bei "Paul" waren es 2.175,32 Euro.
Sobald die IBAN der Täter bekannt ist, kann jeder etwas Gutes tun. Einfach unter iban.org nachschauen, bei welcher Bank das Konto geführt wird und deren (Sperr-)Hotline kontaktieren.
Im Falle unseres Thüringers war es die Targobank in Düsseldorf. Die Mitarbeiter dort sahen offenbar an den Kontobewegungen sehr schnell, dass etwas dran ist an der Geschichte und sperrten das Konto so, dass kein Geldabfluss mehr möglich war.
Bedeutet: Das Geld anderer Geschädigter war somit schon kurz nach der Kontaktaufnahme mit "Pauls Papa" dem Zugriff der Täter entzogen.
Wenn uns in der Targobank eine solche Meldung erreicht, prüfen wir das Konto mit Blick auf verdächtige Bewegungen und leiten entsprechende Maßnahmen ein. Wie diese aussehen, hängt vom konkreten Sachverhalt ab.
Auch in anderen Fällen haben Betroffene schon "mitgespielt" und sind zum Schein auf die Forderungen eingegangen.
Mitspielen und Polizei einbinden?
Die Polizei rät hier trotzdem zur Vorsicht und bittet inständig darum, eingebunden zu werden. Gerade dann, wenn die Täter Bargeld oder Schmuck abholen wollen bzw. dieses irgendwo hinterlegt werden soll. Es folgte dann sogar die eine oder andere Festnahme, aber leider sind das oft auch nur arme Schlucker, die für die Täter für ein Handgeld mal kurz einen "Botendienst" übernehmen sollen.
Das heißt: Wir haben es hier weniger mit Einzeltätern zu tun, sondern mit organisierter Kriminalität. Aber eine Festnahme ist immer eine Spur und irgendwann machen alle einen Fehler.
Wie kann man ältere Menschen vor den Betrügern schützen?
Indem man immer wieder über diese Gefahren spricht. Die Schadenssumme in Thüringen des Jahres 2022 von 4,5 Millionen Euro ist mit Sicherheit nicht vollständig. Wie viele Geprellte sich aus Scham nicht gemeldet haben bei der Polizei, das weiß niemand.
Vorbeugend hilft da vielleicht ein Zettel neben dem Telefon der Oma, vielleicht sogar in Form eines gerahmten Bildes oder eines laminierten Blattes Papier, das nicht so schnell verloren geht. Darauf sollte stehen, wie die Oma konkret reagieren sollte, um die emotional anspruchsvolle Situation zu bewältigen.
Das können Sie tun, wenn das Telefon klingelt
Es ist (angeblich) etwas passiert mit einem geliebten Menschen?
Variante 1:
Direkt fragen und einen Namen nennen, den es in der Familie nicht gibt: "Geht es um Paul (oder Bianca)?" Wenn der Täter den nicht existierenden Namen bestätigt, ist klar: Es ist ein Betrüger
Variante 2:
Auflegen und den Verwandten oder jemanden in dessen Umfeld (z.B. Ehepartner) direkt auf der bekannten Telefonnummer anrufen. NIEMALS dafür die Nummern verwenden, die jemand am Telefon genannt hat. NIEMALS irgendwelche Telefonnummern oder andere persönlichen Daten herausgeben, schon gar nicht die Kontodaten. Sollen Wertgegenstände oder Geld übergeben werden: Polizei verständigen.
Das können Sie tun, wenn angebliche Mitarbeiter von Firmen oder Behörden an der Tür klingeln
Angebliche Mitarbeiter von Post, Telekom, Energieunternehmen, Polizei oder Staatsanwaltschaft wollen aus irgendwelchen Gründen Zutritt zu Wohnung haben?
- Wechselsprechanlage nutzen, Türkette geschlossen lassen.
- Nach der eigenen Kundennummer fragen, die man beim betreffenden Unternehmen hat. Diese werden echte Mitarbeiter direkt auf den Unterlagen haben, die sie in der Hand halten. Kommt der Besucher hier schon ins Schlingern - VORSICHT!
- Alternativ: Beim Unternehmen anrufen und fragen, ob der Mitarbeiter echt ist. Dafür NIEMALS die Nummer wählen, die der angebliche Vertreter nennt, sondern immer die aus den eigenen Unterlagen anwählen.
- Im Zweifelsfall sich die Visitenkarte geben lassen und um einen späteren Termin bitten. Das bringt Zeit, die Angaben zu überprüfen.
- Die meisten Unternehmen kündigen sich an, das bedeutet: Unangemeldete Besuche sind ungewöhnlich und sollten einen IMMER misstrauisch werden lassen.
- NIEMALS Wertgegenstände oder Geld herausgeben bzw. deren Aufbewahrungsort verraten.
Das können Sie tun, wenn eine SMS, Mail oder WhatsApp kommt
Ein Paket konnte nicht zugestellt werden? Das ist eine aktuell sehr verbreitete Masche. NIEMALS die geforderten Gelder (zumeist nur um die zwei Euro) zahlen und schon gar nicht auf Links klicken und dort irgendwelche Angaben (IBAN) machen.
Auch gibt es nach wie vor Anrufe von angeblichen Microsoft-Mitarbeitern, die ein Problem auf dem Computer lösen wollen. Schön, wenn sich Microsoft auf diese Art um die Windows-Probleme der Nutzer kümmern würde. Aber das passiert nicht. Stattdessen werden die Angerufenen verleitet, harmlose Programme zu installieren (z.B. Teamviewer).
Diese haben eine praktische Fernwartungsfunktion, das heißt: Dort kann man seriöse Servicemitarbeiter auf den eigenen Rechner lassen. Genau das wollen die Täter auch: Zugriff haben, um blitzschnell Schadprogramme zu installieren, die dann Passwärter ausspähen oder den Rechner sperren. Freizuschalten nur gegen Geld.
Viele Menschen handeln bereits richtig und informieren die Polizei
Fast beinahe filmreif war der Fall einer älteren Dame in Weimar, die ihre Wertsachen einem angeblichen Polizisten an der Bushaltestelle vor dem Weimarer Atrium übergeben sollte. Es war aber kalt an diesem Tag und die Dame war überpünktlich.
Also ging sie direkt zur Weimarer Polizeiinspektion am Kirschberg, die sich gleich um die Ecke befindet. Die diensthabenden Polizisten konnten die Angelegenheit sehr schnell aufklären, die Polizei würde niemals vorbeikommen und die Wertsachen bzw. das Bargeld einsammeln (oder überprüfen) und solche Dinge schon gar nicht an Bushaltestellen entgegennehmen.
Rüstige Rentnerin aus dem Saale-Holzland-Kreis unterbricht Betrüger
Das gilt auch für Staatsanwälte, Freunde, Kollegen usw., also alle Menschen, die einem fremd sind und die aber im Auftrag eines angeblichen Verwandten größere Geldsummen entgegen nehmen sollen. Aber auch die ältere Generation hat sich mittlerweile auf die Maschen eingestellt.
Im Saale-Holzland-Kreis wurde am Donnerstag eine 85-Jährige angerufen, mit der Geschichte "Tochter, Unfall, Gefängnis…". Doch laut Polizei unterbrach die rüstige Rentnerin diese Kausalkette ziemlich barsch: Ihre "Tochter" könne man ruhig wegsperren, damit sie aus ihren Fehlern lernt.
MDR (jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 17. Februar 2023 | 16:40 Uhr