Versuchspflanzen im Gewächshaus
Für die Gentechnik in der Landwirtschaft soll es künftig weniger strenge Regeln geben – dafür hat das Europaparlament gestimmt. Der Kunde soll aber erkennen können, welche Pflanzen genetisch verändert worden sind. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Lockerungen geplant EU-Parlament befürwortet neue Gentechnik-Regelungen

07. Februar 2024, 20:16 Uhr

Die geplante Lockerung der EU-Regeln für Gentechnik hat eine wichtige Hürde genommen. Das EU-Parlament nahm den Vorschlag der EU-Kommission mit den Stimmen konservativer, liberaler und rechter Abgeordneter an. Eine geplante Lockerung der Kennzeichnungspflicht ist derweil vom Tisch. Nun müssen sich die EU-Staaten mit den geplanten Änderungen befassen.

Das Europaparlament will weniger strenge Regeln für gentechnisch veränderte Lebensmittel. "Ziel ist, das Lebensmittelsystem sowohl nachhaltiger als auch krisenfest zu machen, indem man verbesserte Pflanzensorten entwickelt", teilte das Parlament am Mittwoch mit, nachdem sich eine Mehrheit der Abgeordneten für das Vorhaben ausgesprochen hatte.

Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission will das Parlament aber, dass alle Gentechnikprodukte künftig im Supermarkt gekennzeichnet werden müssen – auch wenn sie mit modernen Gentechnikmethoden gezüchtet wurden.  

Bauernverband begrüßt geplante Lockerungen

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt begrüßt die von der Europäischen Union geplanten Lockerungen in einem Gentechnik-Verfahren für Saatgut. Der Vizepräsident des Landesbauernverbandes, Sven Borchert, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es sei zwar kein Allheilmittel, diese gentechnischen Methoden könnten die klassische Züchtung jedoch ergänzen.

"Das würde unglaublich helfen, uns an diese Bedingungen anzupassen, die wir draußen haben. Wir haben veränderte Klimabedingungen. Wir wollen weniger Pflanzenschutzmittel ausbringen, wollen weniger Düngen. Da brauchen wir natürlich auch Pflanzen, die genau mit diesen Umständen zurechtkommen und trotzdem guten Ertrag bringen", so Borchert.

andwirt Sven Borchert steht vor einem Feld, auf dem Sommerweizen in lockeren Reihen wächst.
Landwirt Sven Borchert Bildrechte: MDR/Tilo Weiskopf

Worum es bei Gentechnik geht

Grundsätzlich hat die Manipulation von Nutzpflanzen Tradition. Seit der neusteinzeitlichen Revolution vor rund 12.000 Jahren werden Pflanzen gezüchtet und genetisch so verändert, dass sie ertragreicher und landwirtschaftlich besser nutzbar sind, schreibt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Ins Genom der Pflanzen - also die Gesamtheit der Gene - wird etwa eingegriffen, indem etwa die ertragreichsten ausgewählt und wieder ausgesät wurden.

Bei der sogenannten neuen Gentechnik geht es vor allem um die vor gut zehn Jahren entdeckte Genschere. Sie steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Der Genstrang wird an einer konkreten Stelle geschnitten und dann vom zelleigenen Reparatursystem wieder zusammengefügt. Dadurch entstehen Veränderungen im Erbgut, die auch auf natürliche Weise auftreten können.

Bio-Bauern und Naturschützer lehnen EU-Lockerungen ab

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. lehnt die Neuregelung hingegen ab. Der Verein vertritt Demeter-Öko-Betriebe; die Mitglieder haben gemeinsam die sogenannte "Zeitzer Erklärung" am 27. Januar verfasst, in der sie sich gegen die geplanten Anbaulockerungen für gentechnisch veränderte Pflanzen aussprechen. Die Bio- und Öko-Betriebe befürchten, es könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen zwischen gentechnisch veränderten und herkömmlich gezüchteten Pflanzen geben, wenn Abstandsregeln zwischen den jeweiligen Anbauflächen wegfallen.

Sprecherin Claudia Gerster sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Wenn wir nicht mehr wissen, wo mit einem neuen Gentechnik-Verfahren veränderte Pflanzen angebaut werden, dann ist es wirklich egal, ob ich ein konventioneller Betrieb bin oder ein ökologischer Betrieb. Eine Auskreuzung findet dann auf jeden Fall statt – und dann kann ich auch keine Gentechnikfreiheit, auch nicht auf einem Biobetrieb, garantieren."

Für Fälle, in denen Schäden durch Auskreuzungen entstünden, sollten Entschädigungen gezahlt werden – dafür fordern die Öko-Landwirte die Einrichtung eines Haftungsfonds. In diesen sollten die Firmen einzahlen, die solches Saatgut herstellten und verkauften. Den Öko-Landwirten gehe es nicht darum, neue Gentechnikverfahren per se als schlecht dazustellen, aber diese müssten einer Haftung und einer Regulierung unterliegen.

Auch der Naturschutzbund (Nabu) zeigte sich kritisch. Der Landesverband teilte MDR SACHSEN-ANHALT schriftlich mit, man sei sehr besorgt. Käme der EU-Vorschlag durch, würden Analysen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zufolge 94 Prozent der neuen Gentechnikpflanzen dereguliert werden.

EU-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt: Verfahren nicht ungeregelt

Die EU-Abgeordnete Karolin Braunsberger-Reinhold (CDU) sieht die geplanten Lockerungen keinesfalls als die Deregulierung, die die Öko-Bauern befürchten. "Das Verfahren ist nicht komplett frei und ungeregelt." Das gentechnisch veränderte Saatgut werde geprüft. Sei das Ergebnis aus dessen Einsatz eine Mutation, die in der Natur vorkommt oder in der Natur vorkommen könnte – wie bei herkömmlichen Züchtungsmethoden auch, würden die geplanten Lockerungen im Anbau gelten.

Entstünde hingegen eine Mutation, die nicht in der Natur vorkomme, beispielsweise leuchtende Bananen, unterliege dieses Ergebnis den bisher gültigen Gentechnik-Regeln. Braunsberger-Reinold betont, der Einsatz dieser gentechnisch veränderten Sorten sei außerhalb der EU bereits weit verbreitet: "Die Methoden sind bereits auf dem Markt. Es geht darum, dass wir als EU auch wettbewerbsfähig bleiben."

CDU-Abgeordnete stimmen in EU-Parlament für neue Gentechnik-Regelung

Braunsberger-Reinhold hatte angekündigt, gemeinsam mit ihrer Fraktion, der konservativen EVP, für die Neuregelung stimmen. Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßt es, dass die Regeln für gentechnisch veränderte Lebensmittel gelockert werden sollen. 

Europaabgeordnete der Grünen und der SPD kritisierten das Vorhaben. Sie sprechen etwa von potenziellen Risiken für die Umwelt. "Gentechnik bereichert nur die großen Konzerne", sagte Carola Rackete, Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl. Gleichzeitig sei Gentechnik teuer und helfe nicht gegen den Hunger auf der Welt.

Bevor weniger strenge Regeln endgültig beschlossen werden können, müssen sie noch in einem weiteren Schritt mit den EU-Staaten ausgehandelt werden. Es ist unrealistisch, dass es vor der Europawahl im Sommer ein Ergebnis geben wird, auch weil sich die EU-Staaten bisher nicht auf eine Verhandlungsposition geeinigt haben.

Das umstrittene Vorhaben müsste nach Abschluss der Verhandlungen nochmals eine Mehrheit im Parlament finden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Mehrheitsverhältnisse es nach der Wahl gibt.  

dpa, MDR (Roland Jäger, Engin Haupt, Sebastian Gall, Julia Heundorf, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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