Fischerboot am Ostsee Strand von Miedzyzdroje, Polen.
Schneller erreichbar, nicht so heiß, nicht so teuer: Viele Tschechen zieht es neuerdings an die polnische Ostsee. Bildrechte: imago images/Peter Schickert

Tourismus Tschechische Urlauber haben ein neues Lieblingsreiseziel

02. August 2024, 17:44 Uhr

Immer mehr Tschechen verbringen ihren Urlaub im Ausland. Besonders beliebt: Kroatien und die Slowakei. Dort gelten sie als sparsam und waghalsig. Neuerdings entdecken die Tschechen aber auch ihr Nachbarland Polen als Urlaubsziel. Das hat gleich mehrere Gründe.

Der tschechische Journalist Robert Schuster
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Lieber an die türkisfarbene Adria in Kroatien oder an die stahlblaue Ostsee? Seit zwei Jahren lautet die Antwort für tschechische Urlauber immer häufiger: an die Ostsee, und zwar an die polnische. Dieses Jahr erwartet man in ganz Polen bis zu 40.000 tschechische Touristen. Gegenüber dem Vorjahr würde das einem Anstieg von 100 Prozent entsprechen. Die Gründe für diesen neuen Trend fasst Jan Papež vom Verband der tschechischen Reisebüros im Gespräch mit dem MDR zusammen: "Ein Teil der Bevölkerung fährt nicht mehr in Richtung Süden ans Meer, sondern in Richtung Norden, weil es dort nicht so heiß ist. Zweitens hat sich in Polen die touristische Infrastruktur wesentlich verbessert."

Strandkörbe an der Ostsee in Polen
In Polen laden Strandkörbe zu ganzen Tagen am Ostseestrand ein. Bildrechte: imago images / CHROMORANGE

Für viele Tschechen sei es, so Papež, bequemer, nach Polen zu fahren, also in ein Land, in dem es praktisch keine oder nur eine sehr kleine Sprachbarriere für sie gibt. Und das alles zu Preisen, die erschwinglich und in einigen Bereichen sogar günstiger seien, als zum Beispiel in Kroatien. Außerdem könne man bequem mit dem Auto an die polnische Küste fahren und müsse sich keine Sorgen wegen möglicher verspäteter Flüge an die weiter entfernte kroatische Adria machen. Auch seien die Strände an der polnischen Ostsee nicht so überfüllt wie anderswo.

Badeurlaub in Kroatien
Viel Sonne, meist wenig Platz: an kroatischen Stränden geht es deutlich enger zu als an der polnischen Ostsee. Bildrechte: IMAGO / Pixsell

Klischees über tschechische Touristen in Kroatien

Nichtsdestotrotz, Spitzenreiter unter den Urlaubszielen der Tschechen bleibt mit großem Abstand Kroatien. Und das auch, obwohl sich mittlerweile viele Urlauber darüber beklagen, dass nach der Euro-Einführung vor einem Jahr dort alles wesentlich teurer geworden ist.

Woher die Liebe der Tschechen zu Kroatien rührt, lässt sich wohl nicht auf einen einzigen Grund zurückführen. Sicherlich spielt unter anderem ein gewisses Sentiment eine Rolle. Das frühere Jugoslawien, im Tschechischen umgangssprachlich "Jugoška" genannt, war für viele in der Vorwendezeit eine Art Sehnsuchtsort. Neben seinem südländischen Flair war das Land auch von einem Hauch Westen umgeben. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man für einen Jugoslawien-Urlaub fast die gleichen bürokratischen Hürden nehmen musste, wie für eine Fahrt nach Westdeutschland – vom Staat zugeteilte Devisen inklusive.

Im unabhängig gewordenen Kroatien genossen die tschechischen Gäste allerdings zunächst keinen so guten Ruf. Sie kamen nämlich meist nur für kurze Zeit und waren dafür berüchtigt, direkt vor Ort fast kein Geld auszugeben. Schließlich seien die Autos der tschechischen Gäste bei der Anreise voller Essen gewesen, sogar ihr Bier hätten Touristen aus Tschechien häufig mitgebracht. Kein Wunder, dass sie bald häufig zur Zielscheibe für kroatische Boulevardzeitungen wurden. Man verspottete die Tschechen als "Pastetenesser", weil sie oft billige abgepackte Lebensmittel, etwa Pasteten und anderen Aufstriche, auch an den Strand mitnahmen.

Später wurden pauschal vor allem die Tschechen als besonders unvorsichtig dargestellt. Gerade sie würden oft ihre Kräfte überschätzen, wenn sie zu weit aufs Meer hinaus schwommen und dann gerettet werden mussten. Tatsächlich sind nicht alle dieser Einsätze glimpflich ausgegangen.

Tschechen halten Kroatien trotz Corona-Pandemie die Treue

Einen wichtigen Wendepunkt stellte die Covid-Krise dar, als wegen der Reisebeschränkungen das kroatische Tourismusgeschäft zusammenzubrechen drohte. Soweit das möglich war, ließen sich die Tschechen auch in dieser Zeit ihren Adria-Urlaub nicht nehmen. Der größte private tschechische Transportunternehmer, der neben Buslinien auch Zugverbindungen betreibt, ließ damals spezielle Nachtzüge zwischen Prag und kroatischen Adriastädten wie Rijeka oder Split verkehren, mit denen man ohne Staus und dergleichen ans Urlaubsziel gelangen konnte. Vor allem im ersten Jahr verzeichnete die Firma Rekordbuchungen und musste ihre Kapazitäten stetig aufstocken. Vertreter der kroatischen Hotelbranche zeigten sich damals fast gerührt angesichts der Treue von Seiten der tschechischen Urlauber.

Kroatien, leere Liegestühle
In Corona-Zeiten blieben viele Strandliegen an der kroatischen Adria leer. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Und auch das Bild der unvorsichtigen tschechischen Touristen hat sich mit der Zeit gewandelt, wie Jan Papež vom Verband der tschechischen Reisebüros erläutert: "Natürlich findet sich immer wieder jemand, der sich völlig daneben benimmt, sich als Besserwisser und Alleskönner aufspielt. Unter den rund 900.000 Tschechen, die jährlich nach Kroatien fahren, finden sich auch solche, die unvorsichtig sind und ihre Kräfte überschätzen."

Tschechen als "Hauptkunden" der slowakischen Bergrettung?

Den Eindruck, dass sich das Verhalten der tschechischen Reisenden zum Positiven verändert hat, bestätigt auch Daniel Mahdal von der slowakischen Bergwacht. Die Slowakei, und da insbesondere die Hohe Tatra, gehört ebenfalls zu den beliebtesten Reisezielen der Tschechen. In den vergangenen Jahren verbrachten mehr als 600.000 Tschechen ihren Urlaub in dort. Fälle, in denen sich tschechische Touristen schlecht ausgerüstet, oft in Sandalen oder ähnlich ungeeignetem Schuhwerk zu den 2000er-Gipfeln begaben, sind den Bergrettern durchaus bekannt. "Früher kursierten auch entsprechende Witze über die Tschechen, aber das ist längst nicht mehr so. Die meisten Touristen, einschließlich der tschechischen, sind heute relativ gut ausgerüstet in den Bergen unterwegs," erklärt Bergretter Mahdal im Gespräch mit dem MDR. Zudem zeigten die Statistiken ein etwas anderes Bild. Demnach würden nämlich seine Kollegen am häufigsten zu Rettungseinsätzen gerufen, bei denen Slowaken betroffen seien. An zweiter Stelle würden die Polen liegen und erst dann kämen die Tschechen.

Blick vom Rysy-Gipfel in der Hohen Tatra
Die schroffen Gipfel der Hohen Tatra ziehen auch viele unerfahrene Wanderer an. Bildrechte: imago/Panthermedia

"Die wichtigsten Gründe, warum wir gerufen werden, sind, dass die Besucher der slowakischen Hochgebirge die eigenen Kräfte überschätzen oder auch plötzliche Wetterumschwünge", so Mahdal. Beides ließe sich heutzutage allerdings sehr gut voraussagen und man könne sich darauf einstellen. Zudem sei das gesamte Gebirge der Hohen Tatra gut mit Mobilfunk-Signal abgedeckt, so dass die Besucher auch während einer Tour die aktuellen Wetterdaten abrufen können und ihre Pläne den Gegebenheiten anpassen können.

Nun haben die tschechischen Urlauber auch Polen vermehrt für sich als Reiseland entdeckt. So können sich auch die Rettungsschwimmer an der polnischen Ostsee darauf einstellen, vermehrt Badegäste aus Tschechien vor gefährlichen Strömungen im Meer zu warnen.

MDR (usc)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 17. August 2024 | 07:22 Uhr

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