Mobilitätsoffensive Tschechische Bahn: Mit ultramodernen Zügen von Dresden nach Prag
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14. Mai 2024, 20:15 Uhr
Es braucht nicht zwingend so etwas wie ein Deutschlandticket. In Tschechien wird das Bahnfahren immer beliebter, obwohl es dort kein vergleichbares Angebot gibt. Das Land hat eines der dichtesten Eisenbahnnetze in Europa, und die Tschechischen Bahnen investieren Millionen, um die Fahrgastzahlen weiter zu erhöhen. Das Ziel: ein Plus von mindestens zehn Prozent. Allein in diesem Jahr sollen 112 neue Zuggarnituren und 22 Lokomotiven in Dienst gestellt werden, und das ist nur der Anfang.
Es soll nicht mehr lange dauern, dann wird es auf der Zugstrecke zwischen Hamburg, Berlin, Dresden und Prag wesentlich komfortabler zugehen als bisher. Die staatlichen Tschechischen Bahnen (České dráhy, abgekürzt ČD) planen nämlich, auf der attraktiven Verbindung ihre modernsten Züge einzusetzen. Sie heißen ComfortJet, sind Teil einer großen Modernisierungsoffensive und sollen ab diesem Sommer probeweise zunächst im Inland und ab August auch zwischen Prag und Hamburg fahren.
Zur Grundausstattung der neuen, durchgängig barrierefreien ComfortJet-Wagons sollen eine Klimaanlage gehören sowie diverse Lademöglichkeiten, und zwar nicht nur für Handys oder Laptops, sondern auch für E-Bikes. Um den bestmöglichen Handyempfang zu ermöglichen, sollen die Fenster mit speziellen Glasscheiben versehen sein, die für das Handy-Signal durchlässiger sind. Es soll u.a. auch spezielle Abteile für Kinder geben, samt Brettspielen, die in die Tische integriert sind, und einem kleinen Kino. Im Idealfall sollen die neuen Züge mit bis zu 230 km/h unterwegs sein, was für tschechische Verhältnisse einer kleinen Revolution gleichkommt.
Milliarden-Investitionen in moderne Züge
Neben den ComfortJets will die Staatsbahn auch neue Züge für den Regionalverkehr anschaffen. Insgesamt soll es um 440 neue Wagons und Lokomotiven gehen, umgerechnet auf Zugsitze entstehen somit auf einmal 22.000 neue Plätze. Dafür will man richtig Geld in die Hand nehmen. In den tschechischen Medien wurden die Kosten für diese Neuanschaffungen auf 15 Milliarden Kronen geschätzt, umgerechnet knapp 600 Millionen Euro.
"Die Tschechischen Bahnen investierten schon in den vergangenen zehn Jahren in die Erneuerung ihres Fuhrparks. Die Kosten betrugen bislang rund 50 Milliarden Kronen. Was wir jüngst angekündigt haben, stellt eine weitere Etappe dieser Erneuerung dar", sagte der stellvertretende Generaldirektor der Tschechischen Bahnen, Jiří Ješeta, dem MDR.
Einen besonderen Schwerpunkt stelle für sein Unternehmen die Verbindung in Richtung Deutschland dar, die bis nach Hamburg führt. "Zwischen Berlin und Hamburg werden die neuen Züge in voller Geschwindigkeit unterwegs sein können, also mit bis zu 230 km/h", sagt der Vizechef der ČD. Und man gehe noch weiter: Künftig solle diese Verbindung nordwärts bis Kopenhagen und südwärts bis ins österreichische Villach, also fast an die Grenze zu Italien und Slowenien führen.
Lob von Verkehrsexperten
Von tschechischen Verkehrsexperten werden diese Pläne grundsätzlich gelobt. Zu ihnen gehört auch der Journalist Jan Sůra, der seit Jahren die angesehene Informationsplattform zdopravy.cz betreibt, die über Neuerungen in Verkehrsfragen informiert. Im Zusammenhang mit den neuen elektrischen Lokomotiven meint er im Gespräch mit dem MDR, dass Tschechien damit eine Entwicklung nachholen würde, die in Westeuropa schon vor zehn oder 15 Jahren eingetreten sei. Allerdings verweist Sůra auf ein wichtiges tschechisches Spezifikum: "Das große Problem hierzulande besteht darin, dass die Mehrheit der neuen Lokomotiven mit Diesel betrieben werden, weil die Elektrifizierung sehr langsam voranschreitet. In diesem Sinne unterscheidet sich die Situation etwa von Deutschland, wo es eine große Abkehr von Dieselloks gibt", erklärt der Experte.
Bahnfahren in Tschechien immer beliebter
Auch die übrigen in Tschechien tätigen Bahnunternehmen wollen in naher Zukunft in die Erneuerung ihrer Fuhrparks investieren. Neben den staatlichen ČD hat das zum Beispiel auch der größte private Verkehrsunternehmer des Landes, die Firma Regiojet, angekündigt. Die Zeit dafür ist günstig, denn das Fahren mit der Eisenbahn scheint in Tschechien wieder in Mode gekommen zu sein. Sowohl die ČD als auch Regiojet konnten im vergangenen Jahr einen deutlichen Zuwachs bei den Passagierzahlen verzeichnen, wobei das Potenzial für Bahnkunden noch nicht ausgeschöpft zu sein scheint.
"Diesen Trend konnten wir schon zwischen 2010 und 2019 sehen, als die Bahn der am stärksten wachsende Zweig bei Privatkunden war und sogar schneller wuchs als der individuelle Pkw-Verkehr," erklärt Petr Moravec, Hauptgeschäftsführer des tschechischen Branchenverbands SVOD Bohemia, in dem alle heimischen Bahnunternehmen vertreten sind, gegenüber dem MDR. Lediglich die Covid-Pandemie setzte seinen Worten zu Folge diesem Trend ein Ende, denn der personenbezogene Bahnverkehr sei in den Pandemie-Jahren um 30 Prozent eingebrochen. Das habe sich inzwischen aber wieder gedreht. "Das ist auch logisch, weil der Bahnverkehr großes Potenzial hat, insbesondere bei Verbindungen zwischen den großen Städten und beim umliegenden Regionalverkehr", sagt Moravec.
Modernisierung als Vorbild für Deutschland?
Dass dies schon teilweise der Fall ist, bestätigt auch Verkehrsexperte Sůra. Er verweist auf Statistiken, wonach an jenen Strecken, wo es in den letzten Jahren zu einer Modernisierung kam und die Züge dort schneller unterwegs sind, die Nachfrage bei den Kunden größer wurde. "Das war etwa zwischen Prag und České Budějovice (Budweis) der Fall, wo die Eisenbahn endlich eine echte Alternative zum Auto darstellt, und das obwohl noch alte Züge im Einsatz sind", erklärt Sůra.
Zwar dauert die Autofahrt zwischen den beiden erwähnten Städten, die knapp 150 Kilometer voneinander entfernt liegen, theoretisch immer noch gut eine halbe Stunde weniger als mit dem Zug. Allerdings kommt es dort insbesondere zu den traditionellen Stoßzeiten, also morgens und am späten Nachmittag, zu großen Staus und Verzögerungen, was der Bahn schon einen gewissen Vorteil verschafft.
Steuervorteile statt Deutschlandticket?
Die Frage, wie Bahnfahren noch attraktiver gemacht werden könnte, wird allmählich auch in Tschechien zu einem großen Thema. In diesem Zusammenhang blickt man schon sehr aufmerksam zum deutschen Nachbarn, wo es das Deutschlandticket für 49 Euro gibt. Viele tschechische Verkehrsexperten sehen darin allerdings ein Ideal, dem man sich zwar annähern, es aber wohl nie erreichen kann. Der Grund sind die hohen Kosten, die für den Staat wohl nicht zu stemmen wären. Man sucht deshalb andere Wege, um das Zugfahren attraktiver zu machen.
Petr Moravec vom Branchenverband der tschechischen Bahnunternehmen regt etwa ein Modell an, das sich an das sogenannte "Dienstwagen-Privileg" anlehnt: "Wenn Unternehmen die Möglichkeit hätten, ihren Angestellten nicht nur den steuerlich vorteilhaften privaten Gebrauch eines Dienstwagens zu gestatten, sondern ihnen alternativ die Möglichkeit anbieten könnten, vergünstigte Zeitfahrkarten zu beziehen, würde das bestimmt helfen."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Sachsenspiegel | Unsere Nachbarn | 14. April 2024 | 19:00 Uhr