Verkehrssicher Schwachsinn oder Lebensretter? Warum Leitplanken im Wartburgkreis für Zündstoff sorgen
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05. Dezember 2024, 07:32 Uhr
Bauarbeiter der Firma Erwin Peetz werden im Wartburgkreis bei der Installation von Leitplanken immer wieder von Autofahrern beschimpft. Die Bauarbeiter, die im Auftrag des Thüringer Landesamtes für Bau und Verkehr arbeiten, sehen sich mit Vorwürfen wie "schwachsinnige Arbeit" und "Geldverschwendung" konfrontiert. Dabei dienen die neuen Fahrzeug-Rückhaltesysteme der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, insbesondere um die schweren Folgen von Unfällen zu verringern.
"Ihr seid obrigkeitshörig. Ihr arbeitet nur schwachsinnig vor euch hin und verschwendet Geld". So ähnliche Beschimpfungen haben Bauarbeiter der Baufirma Erwin Peetz immer wieder von Autofahrern im Wartburgkreis zu hören bekommen. Dabei geht es den Bauarbeitern eigentlich um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, denn sie bauen im Auftrag des Thüringer Landesamtes für Bau und Verkehr sogenannte Fahrzeug-Rückhaltesysteme (Leitplanken) entlang der Straßen. Genau diese Leitplanken sorgen aber scheinbar für Frust bei den Autofahrern in Westthüringen.
Beschimpfungen und Unverständnis: Der harte Alltag auf der Baustelle
"Ich baue seit 25 Jahren Schutzplanken und wurde noch nie in so einer Art und Weise beschimpft, wie hier", sagte Friedhelm Jung. Er ist Niederlassungsleiter der Leitplanken-Baufirma Erwin Peetz, die in diesem Jahr auf den Bundesstraßen B84 und B278 von der hessischen Grenze bis nach Eisenach neue Leitplanken baute. "Am häufigsten wurden wir zwischen der Grenze zu Hessen und Buttlar beschimpft", so Jung weiter.
Teilweise hätten die Autofahrer extra angehalten und seien ausgestiegen, um ihren Frust an den Bauarbeitern loszuwerden. "Einige bezeichneten unsere Arbeit als schwachsinnig und sagten, dass die Leitplanken alle weg müssten. Sie sind im Weg. Es war teilweise schon krass", sagte der Niederlassungsleiter. Mit Argumenten sei er bei ihnen nicht weit gekommen. Warum die frustrierten Autofahrer mit den Leitplanken nicht einverstanden sind, kann er sich nur schwer erklären. Eigentlich geht es um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer.
Ich verstehe schon, dass sich die Leute hier durch die Leitplanken etwas eingeschränkt fühlen.
Im Fall der B84 kann Friedhelm Jung die Autofahrer teilweise verstehen. Für eine Bundesstraße sei sie recht eng. "Ich verstehe schon, dass sich die Leute hier durch die Leitplanken etwas eingeschränkt fühlen". Vor allem auf der kurvenreichen Strecke zwischen Förtha und Eisenach mit Schwerlastverkehr ist wenig Platz, um auszuweichen. Das hätten auch die Bauarbeiter gemerkt, als sie die Leitplanken installierten und die Lkw nur sehr knapp an der Baustelle vorbeifuhren.
"Trotzdem gibt es ein Regelwerk, was umgesetzt werden muss", sagte der Niederlassungsleiter. Damit meint er die Vorgaben vom Bund. Laut Landesamt für Bau und Verkehr wurden die neuen Leitplanken im Wartburgkreis im Zuge eines bundesweiten Nachrüstprogrammes aufgebaut. Das Ziel des Programms: Die schweren Folgen von Unfällen verringern.
466 Kilometer an Straßen mit Leitplanken ausgestattet
Hintergrund ist eine Auswertung von Verkehrsunfällen auf deutschen Landstraßen im Jahr 2015. Darin sei festgestellt worden, dass 26 Prozent aller auf Landstraßen getöteten Verkehrsteilnehmer auf Baumunfälle zurückzuführen waren, so das Landesamt. Auch für Thüringen gibt es aktuelle Zahlen von der Unfallforschung der Versicherer. So konnte im vergangenen Jahr in Thüringen jeder neunte Unfalltote auf einer Landstraße mit einem Baumunfall in Zusammenhang gebracht werden.
Jedes Menschenleben, das damit gerettet werden kann, ist es wert.
Deswegen wurden landesweit zwischen 2017 und 2023 rund 466 Kilometer freie Strecke an Bundesstraßen unter anderem mit Leitplanken ausgestattet und vom Bund gefördert, hieß es vom Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr. Dafür seien die Straßen vorher auf mögliche Hindernisse am Straßenrand geprüft und bewertet worden.
Im Wartburgkreis hätten Bauarbeiter allein in diesem Jahr auf über 24 Kilometern entlang von Bundes- und Landstraßen neue Leitplanken errichtet, teilte das Landesamt mit. An verschiedenen Straßen im Kreis wurden demnach die Leitplanken zudem demontiert, überprüft und bei Bedarf ausgebessert. Unter anderem seien sie an der B250 zwischen Treffurt und Schnellmannshausen auf rund 3,5 Kilometern und zwischen Etterwinden und Wilhelmsthal an der B 19 auf rund 1,7 Kilometern wiederaufgebaut worden.
Die Kosten für neue Leitplanken belaufen sich nach Angaben des Landesamtes auf mehr als 4.000 Euro je 100 Meter. Geld, das so mancher Autofahrer in der Region scheinbar als sinnlos ausgegeben erachtet. Jedenfalls bekamen das die Bauarbeiter immer wieder zu hören.
So funktionieren die modernen Schutzplanken
Friedhelm Jung vom Leitplanken-Bauer Erwin Peetz sieht das anders: "Die Bäume stehen hier auch sehr nah an der Straße. Und wenn man sie sich anschaut, sieht man: Sie haben sehr viele Einschläge, wo Menschen dagegen gefahren sind." Deswegen sei es sinnvoll, dass die Autofahrer vor den Bäumen geschützt werden. Die Leitplanken könnten dabei helfen, denn: "Eine Schutzplanke hat eine ableitende Wirkung. Das heißt der Autofahrer kann nicht mehr frontal auf einen Baum zufahren, sondern wird an der Planke abgeleitet", sagte Jung. Deswegen gebe es hinter den Schutzplanken vor Bäumen noch eine Art Kasten.
Die Leitplanke kann im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden, denn ein Aufprall an einem Baum ist rund achtmal schwerer als ein Aufprall auf eine Schutzplanke.
Der sieht aus wie eine Klammer, die den Baum nochmals abschirmt. "Dieser Kasten bewirkt, dass die Kraft des Aufpralls abgeleitet wird und das Auto auf der Straße bleibt", so Jung weiter. Ansonsten würde das Auto trotz Leitplanke gegen den Baum fahren, weil sie sich beim Aufprall nach hinten ausdehnt. "Und das Wichtige ist, dass das Auto dann auch nicht wie bei einem Flipper in den Gegenverkehr geschleudert, sondern an der Schutzplanke entlanggeführt wird", erklärte der Niederlassungsleiter.
Unfallforscherin: "Leitplanke kann im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden"
Auch Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer, unterstützt das Förderprogramm des Bundes für neue Leitplanken auf Landstraßen. Sie sagte ganz klar: "Die Leitplanke kann im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden, denn ein Aufprall an einem Baum ist rund achtmal schwerer als ein Aufprall auf eine Schutzplanke."
Demnach würden Autofahrer die Gefahren von Bäumen in Alleen, in Wäldern aber auch von einzelnen Bäumen oftmals unterschätzen. "Bäume haben keine Knautschzone", so Zeidler weiter. Auch die Kosten der Leitplanken seien nach ihrer Ansicht gerechtfertigt, denn: "Jedes Menschenleben, das damit gerettet werden kann, ist es wert." Trotzdem gebe es noch zu viele Landstraßen ohne Leitplanken.
In diesem Jahr sind die Leitplanken-Arbeiten der Baufirma Erwin Peetz laut Niederlassungsleiter Friedhelm Jung im Wartburgkreis beendet. Sie seien auf der B84 bis Eisenach Ende November fertig geworden und wollen nun ihr Lager umsiedeln. Ab dem nächsten Frühjahr soll es dann je nach Wetterlage hinter Eisenach weitergehen. Dann wird die Strecke auf der B84 ab Großenlupnitz in Richtung Bad Langensalza mit neuen Leitplanken versehen.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 04. Dezember 2024 | 06:50 Uhr
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