Landestheater Eisenach The Bach Project: Getanzte Landschaftsmalerei
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01. April 2024, 16:40 Uhr
Das Landestheater Eisenach zeigt derzeit das Ballett "The Bach Project". Die Musik dazu hat ein Enkel Sergej Prokofievs komponiert. Der Ballettchef hinter der Inszenierung engagiert sich für eine starke Demokratie – im Theater und auch in der Politik.
- Der Chefchoreograf des Landestheaters Eisenach engagiert sich für Demokratie, er hat auch The Bach Project inszeniert.
- Die Musik hat Gabriel Prokofiev komponiert, der Enkel von Sergej Prokofjew.
- Eine Besucherin geht schon seit über sechs Jahrzehnten in das Landestheater Eisenach.
"Das sind unsere sanierten Theaterwerkstätten samt neuem Fundus" – Andris Plucis präsentiert spürbar stolz die Gebäude unweit des Landestheaters Eisenach. 2018 ging der Kostümfundus durch Brandstiftung in Flammen auf. Danach musste in den ausgelagerten Werkstätten häufig improvisiert werden.
Jetzt freuen sich die Theatermacher wieder über kurze Wege - auch Plucis, der seit 2009 als Chefchoreograf und Leiter des Eisenacher Balletts, seit 2018 zudem als künstlerischer Leiter die Verantwortung für das Haus trägt. Junges Schauspiel und Ballett produziert man in Eisenach vor Ort, während Musiktheater, Puppentheater und große Schauspiel-Produktionen von den Theatern in Rudolstadt und Meiningen zugeliefert werden.
Einsatz für die Demokratie
Plucis engagiert sich seit Jahren schon neben der künstlerischen Arbeit auch im Eisenacher Stadtrat. Für ihn ist gerade das Theater in einer Stadt, die in den vergangenen Monaten mehrfach durch Aktionen Rechtsextremer Schlagzeilen machte, ein Ort künstlerischer Freiheit und gelebter Demokratie.
Hier müsse man den Spielplan gut ausbalancieren zwischen zugkräftigen Stücken und Produktionen, mit denen man künstlerisch etwas wagt, so Plucis. So wie beim Bach Project "The Obstruktion of Lightness of Thought - von der Behinderung der Leichtigkeit des Denkens".
Johann Sebastian Bachs universelles Œuvre über zeitgenössische Musik und modernen Tanz in die Gegenwart zu transformieren war auch der Wunsch von Christoph Drescher, dem scheidenden Festivaldirektor der Thüringer Bachwochen. Für diese Ballett-Uraufführung kooperierten die Bachwochen mit dem Landestheater.
Dass die Wahl auf den britisch-russischen Komponisten Gabriel Prokofiev fiel, diese Anregung kam von Jens Neundorff von Enzberg, seines Zeichens Intendant der Theater in Meiningen und Eisenach.
Auf das Wesentliche reduziert
Beim Eisenacher Bach Project nun ging es nicht um eine wie auch immer geartete, vertanzte Bach-Biografie. Vielmehr schwebte Plucis angesichts der aktuellen Katastrophennachrichten ein unaufgeregtes Stück vor, bei dem der Zuschauer – wie bei der Betrachtung einer Landschaftsmalerei – seine subjektive Wahrnehmung entwickeln könne.
Dass er dabei mit einem quasi leeren Bühnenbild (von Christian Rinke) auskommt, spricht für die gewollte Konzentration durch Reduktion. Dafür gibt es links und rechts der Bühne riesige, transportable Leuchtsegmente, die ab und an auch farbig strahlen. Und immer wieder stecken die 15 Tänzer und Tänzerinnen mit feinen Metallstäben ihren Spielraum neu ab.
Diese Gruppe findet sich fließend zu großen chorisch-getanzten Tableaus zusammen, aus denen heraus stets neue Pas de deux, Pas de trois oder noch größere Besetzungen entwickelt werden: exakt gearbeitete, phantasievoll-tänzerische Momentaufnahmen, hinter denen selten eine Geschichte steckt.
Komposition des Enkels von Sergej Prokofiev
Die Musik dazu kam von dem künstlerisch vielseitigen Gabriel Prokofiev, Enkel von Sergej Prokofiev. Der 49-jährige hat Erfahrungen mit klassischer und elektronischer Musik, auch mit Hip Hop und "Nonclassical" (so der Name seines Labels) gemacht.
Seine Komposition besteht aus Teilen für Solo-Klavier, Orchester und einer gesampelten Geräusch-Ebene. Und wenngleich Prokofiev sich intensiv mit Bachs Musik befasst hat, zu spüren ist davon nur wenig.
Mal fühlt man sich an Minimal Music, mitunter auch an den Sound von Großvater Sergej erinnert. Vor allem aber generiert diese Musik kaum szenische Impulse, verliert sich zu oft in der Repetition wenig prägnanter Motive. Am stärksten schien Prokofiev kompositorisch in den lyrischen Klavier-Episoden bei sich; da war sofort eine Verbindung zur tänzerischen Umsetzung zu spüren.
Ein Werk uraufzuführen, heißt immer auch ein Risiko einzugehen. Und gerade diese Risikofreudigkeit zeichnet das Eisenacher Theater seit Jahrzehnten aus. Respekt also allen Beteiligten dieses Bach Projects!
Sechs Jahrzehnte Theaterbegeisterung
Und gut möglich, dass das auch jene Besucherin, die am Sonntag vom ersten Rang aus die Vorstellung an der Seite Ihres Sohnes verfolgte, am Ende genau so empfunden hat. Sie war hier 1961 zum ersten Mal und erlebte damals eine Hamlet-Aufführung. Heute sagt sie, dass sie sich ihre Stadt ohne das Theater einfach nicht vorstellen könne!
Die Inszenierung
The Bach Project "The Obstruktion of Lightness of Thought – von der Behinderung der Leichtigkeit des Denkens"
Auftragswerk und Uraufführung
Premiere am 30. März 2024
Für die Theaterchallenge besuchte Vorstellungen: 30. und 31. März.
Komposition: Gabriel Prokofiev
Musikalische Leitung: Markus Huber
Choreografie: Andris Plucis
Bühne: Christian Rinke
Kostüme: Danielle Jost
Ballett des Landestheaters Eisenach
Piano-Solistinnen: Serra Tavsanli, Yuliya Peters
Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach
Quelle: MDR KLASSIK (Bettina Volksdorf)
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 01. April 2024 | 09:40 Uhr