Theaterbefragung zu Finanzen Theaterwelt blickt neidisch auf Thüringen
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03. Januar 2024, 05:01 Uhr
Während zahlreiche Theater in Sachsen kurz vor der Insolvenz stehen, freuen sich die thüringischen Theater gerade über Planungssicherheit bis 2032. Wir haben die mitteldeutschen Intendantinnen und Intendanten gefragt: Wie steht es um die Finanzierung ihrer Häuser? Wer kämpft gerade ums Überleben? Wer wiegt sich in Sicherheit?
- In Thüringen freuen sich die Theater über finanzelle Planungssicherheit bis 2032.
- Theater in Sachsen können davon nur träumen. Dort stecken zahlreiche Theater in der Krise.
- Am Theaterhaus Jena freut man sich mit einem besonderen Ticketmodell über wachsende Publikumszahlen.
Mehr als die Hälfte der Theater in Mitteldeutschland hat kaum eine finanzielle Perspektive. Das hat eine Befragung der Theaterhäuser in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ergeben, die MDR KULTUR und MDR Klassik durchführt haben. Etwa zwei Drittel der 29 befragten Theater haben geantwortet.
In Thüringen Geld sicher bis 2032
Zu den glücklichen Theatern mit finanzieller Sicherheit gehören die thüringischen Häuser. Mitte Dezember konnten die Theater mit dem Land eine außergewöhnliche Vereinbarung abschließen. Jens Neundorff von Enzberg, Intendant am Staatstheater Meiningen, spricht von einer gesicherten Theaterfinanzierung für alle thüringischen Theater und Orchester bis 2030, respektive sogar bis 2032: "Das ist eine enorme Leistung gerade in diesen Zeiten. Und es ist ein deutliches Zeichen, dem Flächenland Thüringen auch durch seine einmalige Theaterlandschaft noch ein besonderes Gewicht und auch ein Gesicht zu geben."
Das Besondere an dem Vertrag: Es wurden auch mehr Gelder für Tariferhöhungen einbezogen. Mit einem insgesamt besonders hohen Personalkostenanteil stellen höhere Gehälter die Theater vor besonders große Herausforderungen. In der Vergangenheit haben zahlreiche Theater daher auf sogenannte Haustarife zurückgegriffen, die ein Lohnniveau unter dem eigentlich üblichen Tarif beinhalten. Neundorff von Enzberg, der auch Intendant in Eisenach ist, freut sich, dass das Theater nach vielen Jahren des Haustarifvertrages durch die neue Vereinbarung mit dem Land nun wieder zurück in den normalen Flächentarifvertrag kommt.
Lediglich am Theater Erfurt sieht es derzeit nicht so rosig aus: Dort haben sich vor allem durch geringere Einnahmen finanzielle Verluste in Höhe von rund drei Millionen Euro angesammelt. Die Domstufenfestspiele liefen schlecht und haben ein Minus von einer Million Euro eingefahren. Zudem bleiben die Zuschauerzahlen insgesamt hinter den Erwartungen zurück. Dennoch ist das Theater Teil der Vereinbarung mit der Landesregierung.
Theaterfinanzkrise in Sachsen
In Sachsen können die Theater von Zuständen wie in Thüringen im Moment nur träumen. Von der finanziellen Not, die aus der Befragung des MDR hervorgeht, sind dort insbesondere die kommunal finanzierten Theater betroffen. Lediglich die Staatstheater, die direkt über den Freistaat finanziert werden, geben an, eine finanzielle Perspektive über das Jahr 2024 hinaus zu haben.
Daniel Morgenroth, Intendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters in Görlitz-Zittau, spricht sogar von einer Theaterfinanzkrise: "Als wir gemerkt haben, es trifft so viele Theater, war das ein sehr heilsamer Schock für alle zu merken: Da muss etwas passieren", sagte er MDR KULTUR. Den Grund dafür sieht Morgenroth in den unzureichend finanzierten Haushalten der Kommunen: "Alle Kommunen in Sachsen haben enorme Finanzprobleme. Das begrenzt deren Schuld. Sie sind in den letzten zehn Jahren mit Aufgaben überhäuft worden, ohne adäquat kompensiert zu werden."
In Sachsen soll eigentlich das Kulturraumgesetz die Finanzierung von Theatern in der Fläche garantieren. Auf steigende Tariflöhne ist es aber nicht ausgerichtet, kritisiert Lutz Hillmann: "Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten des Theaters, die im Tarifvertrag sind, davon plötzlich ausgeschlossen sind und nicht mit betrachtet werden", so der Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters in Bautzen. Die öffentlichen Haushalte müssen seiner Ansicht nach auch die Theaterangestellten selbstverständlich in die Tarifsteigerungen einbeziehen. "Das findet gegenwärtig nicht statt", kritisiert Hillmann.
Regelmäßig beschließt die sächsische Landesregierung daher sogenannte Kulturpakte, um die Theater vor der Insolvenz zu bewahren.
Finanzhilfen vom Bund denkbar?
Könnte mehr Geld vom Bund für die Theater das Problem lösen? Hier sind die befragten Theaterhäuser in Mitteldeutschland geteilter Meinung. Eine knappe Mehrheit befürwortet mehr Mittel vom Bund. Das Theaterhaus Jena hat gerade den Theaterpreis des Bundes gewonnen. Die künstlerische Leiterin, Lizzy Timmers, schwärmt bei MDR KULTUR von den Möglichkeiten, welche die zusätzlichen Mittel eröffnet haben: "Es ist fantastisch, was das ausmacht, mitten in einer Spielzeit, auf einmal mehr zu haben. Und natürlich wünsche ich mir für alle mehr davon." Man könne zusätzliche Musikschaffende engagieren, das Bühnenbild nachhaltig herstellen und insgesamt mehr Menschen erreichen. Denn bisher würde ihr Theater die ausgezeichneten Inszenierungen mit einem vergleichsweisen kleinen Budget auf die Bühne bringen.
Obwohl sein Theater kaum finanzielle Sicherheit hat, lehnt Lutz Hillmann vom Theater Bautzen eine Beteiligung des Bundes ab. Noch mehr Fördermittelgeber – er befürchtet, in Bürokratie zu ersticken. Er wünscht stattdessen eine ähnliche Verantwortungsübernahme des Landes wie in Thüringen. Aber: "Wir werden das nicht eins zu eins übernehmen können und können gar nicht in die Richtung denken. Aber in der Wirkung müssen wir etwas Ähnliches erzeugen. Es muss möglich sein, wieder etwas befreit von allen, ja sogar existenzbedrohenden Einsparungszwängen Theater zu machen." Man müsse den thüringischen Ansatz im Rahmen des sächsischen Kulturraumgesetzes umsetzen.
Alternative Bezahlmodelle wie "Pay what you can" kaum gefragt
Aber noch ist es für Sachsen nicht soweit. Könnten die Theater sich vielleicht stärker selbst finanzieren? Vermutlich eher schwierig – laut der Befragung bröckeln die Abozahlen. Bei den meisten Theaterhäusern sind die Abonnements entweder zurückgegangen oder gleich geblieben. Nur bei zwei Theatern, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind die Abos gestiegen.
Eine mögliche Lösung können da alternative Bezahlmodelle sein, wie beispielsweise sogenannte "Pay what you can"-Tickets. Dabei zahlen Zuschauerinnen und Zuschauer so viel Geld, wie es ihnen wert ist und der Geldbeutel gerade hergibt. Die meisten Theater lehnen solche Ideen aber ab, weil sie der Meinung sind, bereits gerechte Preise zu haben oder glauben, dass damit keine neuen Menschen ins Theater gelockt werden.
In Jena steigen die Publikumszahlen
In Jena hat man schon ein anderes gut funktionierendes Modell gefunden: das Kulturticket. Studierende zahlen gut vier Euro mehr für ihren Semesterbeitrag und können damit Theater, Kino und Museum ohne Eintritt besuchen. Das führt zu vielen spontan ausverkauften Vorstellungen, erzählt Intendantin Timmers: "Das spüren wir jetzt mit dem Kulturticket, dass Menschen einfach spontan noch entscheiden. Dadurch ist es ein sehr alters-durchmischtes, diverses Publikum für Jena."
Schon seit einer Weile gäbe es daher mehr Besucherinnen und Besucher im Theater als vor Corona. Für eine Universitätsstadt wie Jena ein ideales Konzept. In Sachsen hoffen die Theater währenddessen weiter, dass sich das Kulturraumgesetz im Jahr 2025 ändert und die Theaterfinanzkrise auch dort endet.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. Januar 2024 | 08:10 Uhr