Hintergrund Das Gewaltnetz: Wieder Razzien in Eisenach gegen "Knockout 51" - Wer steckt dahinter?

29. November 2023, 16:00 Uhr

Sie sollen bewaffnet Jagd auf politische Gegner gemacht, Polizisten angegriffen und versucht haben, in Eisenach einen sogenannten "Nazi-Kiez" zu etablieren. Am Mittwoch gab es in Thüringen wieder Razzien und auch eine Festnahme im Zusammenhang mit dem Eisenacher Kampfsport-Netzwerk "Knockout 51".

Rund 200 Beamte von LKA, BKA und der Bereitschaftspolizei haben seit dem frühen Mittwochmorgen Wohnungen und Treffpunkte der Neonaziszene in Eisenach, Jena und Osthessen durchsucht. Laut dem Thüringer Landeskriminalamt galten die Razzien zwölf mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern der Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" im Alter zwischen 16 bis 59 Jahren.

Den Beschuldigten werden die Mitgliedschaft und die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und teilweise auch Gewaltdelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen.

Durchsuchungen offenbar auch gegen Jugendgruppe

Der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Gera, Thomas Riebel sagte dem MDR, es gebe den Verdacht, dass die Beschuldigten die Aktivitäten der Gruppe fortgeführt haben. Nach Informationen von MDR Investigativ richten sich die aktuellen Durchsuchungen auch gegen einen Teil der Jugendgruppe von "Knockout 51", die an schweren Gewalttaten beteiligt gewesen seien soll.

So wurde im Zuge der Razzien ein 21-Jähriger festgenommen, der nach MDR-Recherchen zum engsten Kreis der Gruppe gehören soll.

Bereits Prozess gegen Gruppenmitglieder vor OLG

Seit August müssen sich bereits vier mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Kampfsportgruppe vor dem Thüringer Oberlandesgericht unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch verantworten. Sie sollen zwischen 2019 und 2021 mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt haben, Jagd auf Linke gemacht und im Zuge von Corona-Protesten Polizisten und Gegendemonstranten angegriffen haben.

Spätestens ab April 2021 sei die Gruppe mit Tötungsabsicht gegen politische Gegner vorgegangen - so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft. Ein weiteres Ziel sei die Etablierung eines sogenannten "Nazi-Kiez" in Eisenach gewesen. Gegen weitere Unterstützer und mutmaßliche Mitglieder wurde bereits schon länger ermittelt.

Ermittlungen gegen rechtsextreme Kampfsportgruppe gehen weiter

Dass der Komplex "Knockout 51" aus Sicht der Ermittlungsbehörden nicht abgeschlossen ist, zeigen die aktuellen Durchsuchungen. Ziel sei es gewesen, weitere mögliche Beweismittel sicherzustellen, teilte das Thüringer Landeskriminalamt am Mittwochmorgen in einer Pressemitteilung mit.

Durchsucht wurde unter anderem auch das sogenannte "Flieder Volkshaus", die Landesgschäftsstelle der Partei "Die Heimat" - ehemals NPD - in Eisenach. Sie galt und gilt Szenekennern als einer der aktuell bundesweit wichtigsten Vernetzungsräume der militanten Neonazi-Szene. Nach Informationen von MDR Investigativ gehen dort Kader der mittlerweile verbotenen Netzwerke "Blood & Honour", "Combat 18" und "Hammerskins" ein und aus.

Nahezu ungestört finden jeden Monat Neonazi-Konzerte im "Flieder Volkshaus" statt. Für die Mitglieder von "Knockout 51" und die Eisenacher Neonazi-Szene ist die Parteizentrale ein wichtiger Rückzugs- und Organisationsort, auch Kampfsporttrainings fanden dort statt.

Mobit nennt Razzien "beachtlich"

Felix Steiner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) nannte die erneuten Razzien gegen das Netzwerk beachtlich.

"Sie zeigen zum einen, dass mit dem Hauptverfahren am Oberlandesgericht Jena bei weitem nicht alle Verantwortlichen vor Gericht sitzen. Zum anderen wirft das erneute Vorgehen der Polizei Fragen auf: Warum ist nun nach Monaten der Ermittlungen des BKA das LKA Thüringen wieder federführend? Und: Welche neuen Erkenntnisse liegen den Behörden vor, die ursächlich für die neuen Razzien sind?", so Steiner weiter.

Mitglieder und Unterstützer trotz Ermittlungsdruck weiter aktiv

Nach Recherchen von MDR Investigativ ist die Gruppe trotz der laufenden Ermittlungen und des Großverfahrens am Oberlandesgericht weiter aktiv. Mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer, die noch auf freiem Fuß sind, vernetzten sich in den vergangenen Monaten weiter in militante bundesweite Netzwerke.

Nach MDR-Recherchen nahmen sie unter anderem an Aktivitäten eines Wuppertaler Rockerclubs namens "Ghost Gang MC" teil, der nach Angaben des LKAs Nordrhein-Westfalen Verbindung in die rechtsextreme Szene hat. So trat im September Benjamin S., ein mutmaßliches Mitglied von "Knockout 51", für den "Ghost Gang MC" als Kämpfer bei einer Kampfsportveranstaltung der Hell´s Angels in Lahr in Baden-Württemberg an. Weitere "Knockout 51"-Mitglieder und Unterstützer reisten an.

Mobit-Sprecher Felix Steiner sagte dem MDR, es bleibe die Hoffnung, dass die Behörden auch diese aktuellen Verbindungen der Gruppe zur Organisierten Kriminalität im Fokus behalten. "Der Ghost Gang MC aus Wuppertal scheint durch die teilweise Einbindung seiner Mitglieder in Neonazi-Netzwerke eine Art Scharnier zwischen extrem rechter Szene und Motorradclubs zu bilden", so der Mobit-Sprecher.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. November 2023 | 09:00 Uhr

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