
Erfurt Dilemma für Umweltamt: Biber staut Fluss und blockiert Reinigung einer Fernwasser-Leitung
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25. April 2025, 11:44 Uhr
Ob Damm oder Eingang zur Burg: Die Bauten des streng geschützten Bibers in der Landschaft sind tabu. Wer sie verändert, zahlt Strafe. Im Osten von Erfurt wird jetzt trotzdem die Krone eines Biberdamms abgetragen. Das gestaute Wasser macht es unmöglich, dort eine Trinkwasserleitung zu warten.
Wallichen ist der östlichste Ortsteil von Erfurt und liegt an der Gramme. Ein Flüsschen, das hier kaum breiter ist als ein Bach. Beim Spaziergang am Ufer flussabwärts fällt auf: Langsam wird die Wasserfläche immer breiter.
Dann tauchen die Stämme von Weiden auf, die mitten im Wasser stehen. Nage-Spuren von Biberzähnen an den Bäumen, kurz über der ruhigen Wasserfläche, fallen auf. Der nachtaktive Wasserbewohner hat sich einen Lebensraum gebaut. Und ein Stück der Flussaue komplett verändert.
Biber-Damm riegelt das Flussbett ab
Weiter flussabwärts Richtung Nordwesten kommt ein Rauschen in Hörweite. Das Wasser der Gramme hat sich hier einen Weg durch eine schmale Rinne in der Böschung gesucht. Das Flussbett ist versperrt.
Der Damm, den der Biber dort gebaut hat, bietet einen etwas merkwürdigen Anblick. Auf der Krone der wasserdichte Staumauer aus Stämmen, Ästen und Zweigen ragen zwei Plastikrohre in die Luft. Drainagerohre. Hier wollte jemand, dass das Wasser nicht noch höher steigt.
Der Biber gestaltet sich die Landschaft so, wie er sie braucht, wie er sie gern hätte.
Der Biber ist in Deutschland streng geschützt. Ihn in seinem Lebensraum zu stören oder seine Bauten zu verändern, ist verboten. Als Leiter des Erfurter Umweltamtes ist Jörg Lummitsch froh darüber, wie er das Gesicht der Gramme-Aue im Osten von Erfurt verändert hat. "Der Biber gestaltet sich die Landschaft so, wie er sie braucht, wie er sie gern hätte. Und in Zeiten von Niedrigwasser ist es natürlich auch insgesamt ideal, dass wir mehr Wasser in der Landschaft zurückhalten können. Er unterstützt uns eigentlich bei dem, was notwendig ist in Zeiten der Klimaveränderung."
Spül-Rohr einer Trinkwasserleitung ist blockiert
Trotzdem hat Lummitsch die beiden roten Plastikrohre gestattet. Denn in dem Stausee, den der Biber mit seinem wasserdichten Damm geschaffen hat, ist ein Rohr versunken. Ausgerechnet ein Auslaufrohr der Ohra-Trinkwasserfernleitung zwischen Erfurt und Weimar. Die führt direkt an der Gramme entlang.
Bei Wallichen liegt am Ostufer ein sogenanntes Spülbauwerk. Diese Anlage dient dazu, die Leitung in regelmäßigen Abständen zu spülen. Dazu geht sie für kurze Zeit außer Betrieb. Über ein Rohr, das am Ufer aus der Böschung ragt, wird das Spülwasser in die Gramme geleitet. Diesen Auslauf hat der Biber "geflutet". Er muss trocken bleiben, aber das Wasser steht 60 Zentimeter zu hoch.
Flusswasser darf nicht ins Trinkwasser fließen
Als Leiter des Umweltamtes hat Lummitsch auch Verantwortung für die Sicherheit der Trinkwasserversorgung. "Wenn ich jetzt die Leitung spüle, kann es natürlich eine Berührung des Gewässers mit dem Trinkwasser geben. Und das soll ja zwingend vermieden werden. Denn in so einem Gewässer - da sind natürlich auch die einen oder anderen Bakterien zu finden. Und die wollen wir definitiv nicht im Trinkwasser haben."
Deshalb hat die Stadt Erfurt den Gewässerunterhaltungsverband "Gera-Gramme" beauftragt, sich um den Wasserstand zu kümmern. Dessen Mitarbeiter haben mit dem Greifer eines Krans eine Schicht der Dammkrone abgetragen. In den nächsten Tagen sollen weitere Plastikrohre verlegt werden, die den Damm durchlässig machen. Nach dem Versuch mit den ersten Rohren hatte der Biber die Löcher einfach verschlossen.
Wir werden den Biberdamm in den kommenden Wochen immer wieder kontrollieren. Einfach um zu beobachten, ob der Biber hier wieder baut und wir weiteres Baumaterial abtragen müssen.
Bei den Arbeiten geht es um Augenmaß. Einerseits soll das Auslaufrohr der Trinkwasserleitung trockengelegt werden. Andererseits darf der Eingang der unterirdischen Biberburg nicht trockengelegt werden.
Die Wohnung des Nagers wäre sonst nicht mehr ausreichend vor Feinden geschützt. "Wir werden den Biberdamm in den kommenden Wochen immer wieder kontrollieren. Einfach um zu beobachten, ob der Biber hier wieder baut und wir weiteres Baumaterial abtragen müssen", sagt Ramona Heinemann, Geschäftsführerin des Gewässerunterhaltungsverbandes "Gera-Gramme".
Menschen bauen neuen Damm für den Biber
Aber eigentlich wollen Lummitsch und Heinemann den Biber sanft zum "Umziehen" bewegen. Mitarbeiter des Gewässerunterhaltungsverbandes haben flussaufwärts, etwas oberhalb der Auslaufstelle der Trinkwasserleitung, Pfähle in das Flussbett gerammt. Bündel aus Weidenruten sind dazwischen verbaut.
Der Mensch baut dem Biber einen Damm. "Für uns ist das neu. Und ich kann ihnen nicht sagen, was hier noch passieren wird. Wir werden regelmäßig kommen und schauen, was sich verändert", so Heinemann. Alle hoffen, dass der Biber den Damm flussaufwärts annimmt, weiterbaut, dort das Wasser staut und seine Biberburg an diesen Flussabschnitt verlegt. Sicher ist das nicht. Aber alle hoffen darauf.
Umbau im Herbst soll den Konflikt lösen
Als Leiter des Umweltamtes betont Jörg Lummitsch, dass der Biber auf keinen Fall vertrieben werden soll. Er setzt darauf, dass sich die Situation bis zum Herbst einigermaßen ausbalancieren lässt. Dann soll das Spülbauwerk der Trinkwasserleitung umgebaut werden. Es stammt aus den 70er-Jahren.
Lummitsch verweist auf die Pläne der Thüringer Fernwasserversorgung. Die wolle das Rohr, über das Spülwasser in die Gramme geleitet wird, dann deutlich höher legen. Und der Biber könnte wieder bauen, wo er möchte. Ob er umzieht und den Damm flussabwärts aufgibt oder sein Bauwerk verteidigt, werden die kommenden Monate zeigen.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 25. April 2025 | 19:00 Uhr
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