Ende einer Ära Schalkauer Agrargenossenschaft gibt Schafhaltung auf - wuchert jetzt das grüne Band zu?

12. August 2023, 05:00 Uhr

Die Agrargenossenschaft in Schalkau gibt Ende des Jahres ihre Schafzucht komplett auf. Damit endet für den Betrieb eine Ära. Mit Folgen für die Landschaft.

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Für Schäfer läuft es schon lange nicht mehr rund. Für viel Arbeit gibt es nur wenig Lohn. In Schalkau ist vor allem Personalmangel das Problem. "Ich habe im Betrieb noch vier Schäfer", sagt der Vorstandsvorsitzende Kai Zerrenner. Einer von ihnen sei gesundheitlich schwer angeschlagen und komme vermutlich nicht mehr zurück. Der andere gehe im kommenden Jahr in den Ruhestand.

"Mit so einer dünnen Personaldecke können wir die Schafhaltung einfach nicht mehr abdecken", so Zerrenner. Schafe seien im Gegensatz zu Rindern ziemlich arbeitsintensiv.

Kein "normaler" Arbeitstag

Mit einem normalen Schichtbetrieb von acht Stunden ist bei Schafen nichts zu machen. Nur erfahrene Schäfer mit gut ausgebildeten Hunden können eine große Herde sicher im freien Gelände weiden lassen. "Schäfer kannst du nicht lernen, das musst du wollen", sagt Peter Kieslich. Seit dem 01. März 1979 ist er angestellter Schäfer in der Genossenschaft.

Ich kenne jedes Tier und irgendwie ist das mein Leben.

Peter Kieslich Schäfer

Als es im Vorstand darum ging, die Schafzucht aufzugeben, hat er sich als einziger der Stimme enthalten. Wie nah ihm das Ende geht, merkt man ihm an. "Ich kenne jedes Tier und irgendwie ist das mein Leben", sagt er und versucht zu lächeln. "Als Schäfer darfst du nicht auf die Uhr schauen, zehn Stunden Arbeit am Tag reichen meist nicht."

Zu wenig für den Nachwuchs getan zu haben, muss sich der Betrieb nicht vorhalten lassen. "Wir haben jedes Jahr thüringenweit die meisten Schäfer-Lehrlinge ausgebildet und auch in diesem Jahr stellen wir wieder den besten Azubi. Aber meistens kehren die jungen Leute nach ihrer Ausbildung wieder in ihre Familienbetriebe zurück und bleiben nicht bei uns. Das ist das Problem."

Schafzucht nur noch Zuschussgeschäft

Und außerdem lohne sich die Schafzucht in Deutschland nicht mehr. Etwa 40 Prozent des Ertrages wird über den Verkauf von Lämmern und Alttieren sowie den Verkauf der Wolle erzielt. Bei der Wolle allerdings geht momentan gar nichts. Im Getreidelager der Agrargenossenschaft modert die Wolle von inzwischen zwei Schuren vor sich hin. "Ich bekomme sie einfach nicht verkauft", so Zerrenner.

Das Scheren der Schafe kostet etwa drei Euro pro Tier. Die Genossenschaft sitzt auf einem Berg von Wolle, der mehr als 14.000 Euro Kosten verursacht hat. Und das obwohl die Wolle von Merinoschafen ein wertvoller Rohstoff sein könnte.

Die Rohwolle allerdings wird in der Europäischen Union als sogenanntes "K3"-Material eingestuft. Damit wird sie auf die gleiche Gefährdungsstufe wie Rohmilch oder Blut gesetzt. Einfache Transporte der Wolle sind damit nicht mehr möglich. Wenn sie überhaupt jemand abholt, bekommen die Schäfer 20 Cent pro Kilogramm Wolle. Zerrenner wäre schon froh, wenn sie überhaupt jemand abnimmt.

Abhängig von Förderung - doch die ist zu gering

60 Prozent der Einnahmen erzielen Schafzuchtbetriebe aus Fördergeldern. Dafür, dass die Schafe die Landschaft pflegen, bekommen die Schäfer Geld aus dem Kulturlandschaftsförderprogramm (KULAP), das in Teilen von der EU finanziert wird. Aber das Geld reicht hinten und vorne nicht. Die Betriebe werden dafür entschädigt, dass sie die Flächen nicht intensiv - also mit Maschinen - nutzen.

Eigentlich aber müssten wir für unseren Aufwand und die Leistung bezahlt werden.

Kai Zerrenner Vorstandsvorsitzende Agrargenossenschaft

"Eigentlich aber müssten wir für unseren Aufwand und die Leistung bezahlt werden", so Zerrenner. Die Höhe der Fördergelder müsste rein rechnerisch verdoppelt werden. Weil nichts übrigbleibt, fehlt es auch an Geld für dringend notwendige Investitionen. Die Schafställe hätten schon längst saniert oder neu gebaut werden müssen.

Für die Agrargenossenschaft muss es ohne Schafe weitergehen. "Wir prüfen jetzt, welche Flächen mit der Maschine gemäht werden können", so Zerrenner. Außerdem setzt der Betrieb künftig mehr auf die Zucht von Jungrindern. Dort wo es möglich ist, werden die Tiere eingekoppelt. Zuchtrinder bringen laut Zerrenner deutlich mehr Ertrag.

Abschied der Schafe bedeutet Verlust von Vielfalt

Aber für die Weideflächen hat der Umstieg Konsequenzen: Weil Schafe die Allesfresser unter den Weidetieren sind, sind sie für die Landschaftspflege unersetzlich. Die Flächen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zum Beispiel sind nur deshalb so wertvoll, weil sie von Schafen jahrelang freigehalten wurden.

Seltene Pflanzen auf dem sogenannten Kalkmagerrasen können nur wachsen, weil die Schafe ihnen den Platz freihalten.

Schäfer will aus Liebe weitermachen

Schäfer Peter Kieslich will dafür auch noch in seinem Ruhestand sorgen. Ein paar besonders schöne Schafe aus der noch rund 1.500 Tiere zählenden Herde hat er sich schon reserviert. Mit etwa 300 Tieren will er künftig auf dem Grünen Band entlang der Grenze unterwegs sein. Der Rest der Herde wird nach und nach an andere Schafhalter verkauft.

Zukunft der Schäfer ungewiss

In Thüringen gibt es laut Landesverband noch rund 100 Betriebe, die von der Schafzucht leben. Ihre Zahl wird weiter sinken. Laut Zuchtleiter Uwe Erl denken noch weitere Genossenschaften über das Ende der Schafzucht nach. Welche das sind, will er noch nicht sagen. "Wir hoffen immer noch, dass sie es sich anders überlegen", so Erl.

Landesweit haben in diesem Jahr vier junge Leute ihre Ausbildung zum Schäfer beendet. Gerade mal zwei begannen ihre Schäferlehre. Keine guten Aussichten für die Schafzuchtbetriebe im Land.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 11. August 2023 | 19:00 Uhr

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