Landwirtschaft Neue EU-Förderungen: Warum brauchen Thüringer Landwirte eigentlich Subventionen?

26. Januar 2023, 20:40 Uhr

Bauern produzieren einen Großteil unseres Essens und hängen doch am öffentlichen Tropf. Im Januar startet die neue EU-Agrarförderperiode, die Landwirte auch zu mehr Umweltmaßnahmen bewegen soll. Doch wofür verwenden die Betriebe die EU-Subventionen eigentlich genau? Zu Besuch bei einem sehr großen und einem kleinen Betrieb in Thüringen.

Undurchsichtig wie frische Milch legt sich der Nebel an diesem Januarnachmittag über das Tal im Saale-Orla-Kreis. Gunnar Jungmichel steht auf einem schneebedeckten Feld - wirklich erkennen kann man nicht, wo es aufhört. Und das liegt nicht nur am Nebel.

Denn hier draußen gehören die meisten Felder zu seinem Betrieb. Jungmichel leitet die Agrarprodukte Ludwigshof mit Sitz in Ranis im Südosten Thüringens - einen der größten Landwirtschaftsbetriebe in Thüringen. Die aus einer DDR-LPG entstandene private Genossenschaft ist ein "Gemischtwarenladen", wie er selbst sagt: Sie betreiben klassischen Ackerbau, halten aber auch Tiere und bauen sogar verschiedene Teepflanzen an. Über 120 Fachkräfte arbeiten für das Unternehmen - rund 4.000 Hektar Fläche bewirtschaften sie.

Ohne EU-Millionen geht's nicht

Dementsprechend groß fallen auch die Subventionen von der EU aus, die zwischen 2014 und 2021 auf das Konto der Genossenschaft flossen: Fast 13 Millionen Euro hat die EU nach Ranis überwiesen. Mehr als die Hälfte davon waren Direktzahlungen, die pro jeweiligem Hektar ausgezahlt werden und als Einkommensunterstützung für die Betriebe gedacht sind.

Gunnar Jungmichel sagt: "Die Zahlungen sind existenziell für uns. Wenn es sie nicht gäbe oder sie noch weiter abgeschmolzen werden, wird es uns in dieser Form nicht mehr geben." Um die acht Prozent des Gesamtumsatzes habe die Genossenschaft im vergangenen Geschäftsjahr über die Subventionen reinbekommen.

Auch Ein-Mann-Betrieb braucht Förderungen

Ortswechsel, Kleinromstedt im Weimarer Land: Rosis Bauch hängt ordentlich durch. Um die 300 Kilogramm ist die Sau schwer, aufgeregt wuselt sie im Stall hin und her und bereitet sich vor. Denn in dieser Nacht wird Rosi zwölf Ferkel auf die Welt bringen. Stolz steht ihr Besitzer daneben: Johannes Köhler ist Kleinbauer, er kennt seine Sau noch beim Namen - schön romantisch, wie man sich das eben so vorstellt.

Köhler ist Anfang 30 und hat sich seinen Betrieb in den vergangenen Jahren mühevoll aufgebaut. Sein Geschäftsmodell ist das Gegenmodell zu den großen Agrargenossenschaften, die den Osten Deutschlands prägen. Der Bauer vermarktet selbst und produziert nach Bioland-Kriterien Getreide, Fleisch von ein paar Dutzend Rindern und Schafen, sowie Säfte von seinen Streuobstwiesen.

Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, ist der Junglandwirt auf die EU-Subventionen angewiesen: Bei ihm machte das Geld aus der öffentlichen Hand im vergangenen Geschäftsjahr fast 20 Prozent des Umsatzes aus.

Es ist schlicht unmöglich, ausreichend Einkommen über die Landwirtschaft zu generieren.

Johannes Köhler Biolandwirt

Zwar habe er als Biolandwirt in Thüringen extra Förderungen bekommen, sagt Johannes Köhler. Doch bringe ihm das nicht viel bei der Konkurrenz durch die konventionellen Betriebe, die durch Düngung und intensives Anbauen deutlich mehr erwirtschaften könnten. "Das Überleben von meinem Betrieb hängt sehr stark von den Subventionen ab. Es ist schlicht unmöglich, ausreichend Einkommen über die Landwirtschaft zu generieren."

Nicht alle freuen sich über neue Öko-Regelungen

Mit der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sind fast 25 Prozent der sogenannten ersten Fördersäule und damit mehr als eine Milliarde Euro jährlich in Deutschland für ökologische Maßnahmen reserviert. Damit können beispielsweise freiwillig angelegte Blühstreifen oder mehr Sträucher und Bäume auf Äckern (sogenannte Agroforstsysteme) finanziert werden.

Zum Aufklappen: So verteilt die EU die Landwirtschaftshilfen

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist kompliziert ausgestaltet und wegen ihres Volumens immer wieder heftig umstritten: Jährlich zahlt die EU deutschen Landwirtinnen und Bauern 6,3 Milliarden Euro. Sie will damit einerseits Betriebe wettbewerbsfähig halten und bezahlbare Lebensmittel sichern - gleichzeitig aber auch den Umweltschutz fördern. Über die sogenannte erste Säule - den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) - fließen vorwiegend die Direktzahlungen, die erst einmal das wirtschaftliche Überleben sichern sollen.

Neu ist mit der Förderperiode ab diesem Januar, dass fast ein Viertel der Mittel aus dieser Säule für sogenannte Öko-Regelungen reserviert werden. Betriebe können mit verschiedenen freiwilligen Maßnahmen also nachhaltiger werden, indem sie zum Beispiel Agroforstsysteme pflanzen und dafür Geld bekommen.

In der zweiten Säule - dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) - stecken Fördergelder für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch für den Hochwasserschutz, den beispielsweise Landesministerien abrufen können.

Das freut aber nicht jeden Landwirt. Vor allem nicht jene, die bislang dank ihrer großen Flächen auch relativ viel bekommen haben. Denn: In der ersten Fördersäule steckten bisher vor allem Direktzahlungen, die pro Hektar ausgezahlt werden und die das Einkommen der Betriebe stützen. Da aus der ersten Säule nun aber auch die Öko-Regelungen finanziert werden, steht für die Flächenprämien automatisch weniger Geld zur Verfügung.

Gunnar Jungmichel von der Agrarprodukte Ludwigshof rechnet deshalb mit einer halben Millionen Euro weniger in 2023, die sein Betrieb zur Verfügung haben wird. "Die Öko-Regelungen bieten für uns keinen echten Anreiz", sagt er. Denn am Ende bekommen die Landwirte seiner Ansicht nach zu wenig Geld für die Umweltmaßnahmen, weil sie entweder zu aufwendig seien oder bedeuteten, auf der jeweiligen Fläche nichts produzieren zu können.

Außerdem, so argumentiert der Betriebsleiter, würden über die Öko-Regelungen auch Maßnahmen wie eine vielfältige Fruchtfolge gefördert, die vorher ohnehin über die zweite Fördersäule subventioniert waren. "Wir werden also höchstens die Sachen umsetzen, die uns relativ leichtfallen."

Fördermittelexperte statt Bauer mit Mistgabel

In seinem Büro wirkt der Betriebsleiter eher wie ein Fördermittelexperte als jemand, der sich mit Kühen und Fruchtfolgen auskennt. "Niemand sagt danke, wenn du die öffentlichen Mittel nicht abgreifst", sagt er. "Du musst sehen, dass du das Beste für den Betrieb rausholst." Jungmichel fühlt sich zerrieben: zwischen einerseits dem Preisdruck des Marktes und der Tatsache, dass Lebensmittel in Deutschland zu billig sind. Und andererseits den teils hohen, auch bürokratischen Anforderungen, die an die Förderungen geknüpft sind.

Du musst sehen, dass du das Beste für den Betrieb rausholst.

Gunnar Jungmichel Agrarpordukte Ludwigshof

Man merkt Gunnar Jungmichel an, dass er die Arbeit auf dem Acker vermisst. Als er durch einen Stall führt, in dem Mutterkühe aufgezogen werden, macht er auf eben jene Hürden aufmerksam. Es sei beispielsweise gut, dass es eine neue Kopfprämie für Mutterkühe gebe, meint er. "Aber leider sind die bürokratischen Hürden sehr hoch. Das Geld fließt nur in Betriebe, in denen nicht gleichzeitig Milch produziert wird." Da das bei seinem Betrieb der Fall sei, bekommt Jungmichel kein Geld für die Zucht eigener Kühe.

Verbände bewerten Förderreform unterschiedlich

Jungmichel, der selbst Vorstandsvorsitzender des Kreisbauernverbands Saale-Orla-Kreis ist, argumentiert damit auf einer Linie mit dem Landesverband, dem Thüringer Bauernverband (TBV). Wie ein Sprecher MDR THÜRINGEN erklärte, sieht der TBV für den Umwelt- und Naturschutz keinen Fortschritt durch die neue Reform der EU-Förderpolitik. Weil die Umverteilung der Gelder für Umweltleistungen nicht attraktiv sein, "rechnen wir mit einem rückläufigen Engagement in der Fläche".

Anders argumentiert die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland, in der auch Johannes Köhler aus Kleinromstedt organisiert ist. Die AbL vertritt anders als der TBV vorrangig kleinere Betriebe und sieht die Öko-Regelungen in der ersten Fördersäule als "ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung", wie Sprecher Philipp Brändle auf Nachfrage kommentiert. "Denn es steht mehr Geld für die Honorierung von Leistungen von uns Bäuerinnen und Bauern im Bereich des Umwelt- und Tierschutzes zur Verfügung." Trotzdem seien die Prämien aber noch zu gering.

Die Bundesregierung will zur Mitte der laufenden Legislaturperiode prüfen, ob die deutsche Umsetzung der EU-Förderpolitik wirklich ökologische Landwirtschaft fördern kann. Für die darauffolgende Förderperiode ab 2027 will sie dann ein Konzept vorlegen, mit dem Betriebe nicht mehr Direktzahlungen für die reine Fläche der Betriebe bekommen - sondern danach bezahlt, was sie an Klima- und Umweltleistungen umsetzen.

Wunsch nach mehr Unabhängigkeit

Als es dunkel wird, verfüttert Johannes Köhler draußen im Schnee auf seiner Abendrunde noch Rüben an seine Schafe. Er suche weiterhin nach neuen Flächen, die er pachten oder kaufen kann, um zu wachsen, sagt der junge Bauer. Sein Ziel: unabhängiger werden und mehr Menschen erreichen, die bereit sind, für seine Bio-Erzeugnisse Geld auszugeben.

Großlandwirt Jungmichel weiter im Süden Thüringens äußert sich ähnlich: "Ganz grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass man überhaupt nicht von Fördermitteln abhängig ist, sondern dass man das, was man produziert, am Markt so verkaufen kann, dass man davon leben kann, so wie das jeder Handwerker macht."

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 20. Januar 2023 | 14:00 Uhr

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