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Der Jenaer Kunstverein thematisiert in seiner Ausstellung "Mulm" derzeit Unsicherheiten, Ängste und scheinbare Gewissheiten unserer Zeit. Ulrike Thielmann berichtet. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein
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Im Jenaer Kunstverein ist aktuell die Ausstellung "Mulm." zu erleben, die sich mit den Unsicherheiten, Ängsten und scheinbaren Gewissheiten unserer Zeit auseinandersetzt. Mehr dazu von Ulrike Thielmann.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 11.10.2024 15:05Uhr 04:07 min

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Kunst-Ausstellung "Mulm." in Jena: von Sorgen, Ängsten und scheinbaren Gewissheiten

12. Oktober 2024, 03:00 Uhr

Unheil und Instabilität drohen in Zeiten von Krisen, Kriegen und Katastrophen. Viele Menschen sind verunsichert, bei ihnen schleicht sich ein "mulmiges Gefühl" ein. Dem nimmt sich der Jenaer Kunstverein in seiner neusten Schau an. Die Gruppenausstellung "Mulm." zeigt zeitgenössische Kunst von Ioannis Oriwol und Denise Blickhan aus Weimar sowie von Jakob Argauer aus Berlin. Es darf sich gefürchtet und geekelt werden.

Wo sich gegruselt wird, sind Spinnen nicht weit; befördern sie doch irrationale Ängste. Ein schauriges Riesenvieh aus dem Reich der Taranteln begrüßt das Publikum in der neuen Schau des Jenaer Kunstvereins. Die Ausstellung ist noch bis 7. Dezember zu sehen.

Im Zeichen der Spinne

Als grafisches Zeichen in schwarz-weiß hat der in Berlin und Weimar lebende Künstler Ioannis Oriwol den Kadaver einer echten toten Spinne aus einer Petrischale heraus überlebensgroß an die Wand projiziert.

Runde, von unten beleuchtete Objekte mit Spinnen darin.
Einige der toten Spinnen von Künstler Ioannis Oriwol, die bestimmt manche Gäste schaudern lassen werden. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein

Was der Monsterspinne den Garaus machte, war im echten Leben ein parasitärer Schimmelpilz, dessen Sporen in die Körper eindringen und einen schneeweißen Flaum auf ihren Opfern hinterlassen, wie eine weitere Licht-Installation aus Petrischalen mit toten Spinnen zeigt.

"Eine pandemische Situation bei Spinnen", sieht die Kuratorin der neuen Schau, Michaela Mai, darin. Sie setzt bei der Bewerbung der Ausstellung den Titel "Mulm." bedeutungsschwanger-ironisch in kryptische Großbuchstaben, die gern in so manchen Ausstellungstiteln herumspuken. Das Wort "Mulm.", erläutert Mai, "ist indessen gebräuchlich für die Schlammschicht in Gewässern, bezeichnet in der Tontechnik einen unklaren, verwaschenen Klang und umschreibt als Adjektiv ein Gefühl der Verunsicherung."

Gemälde einer nackt erscheinenden Person ohne Gesicht und erkennbare Geschlechtsmerkmale, daneben ein garnelenähnliches Fantasiewesen.
Die Grenzen zwischen Mensch und Fabelwesen sind fließend. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein

Vom Eigenleben gewöhnlicher Dinge

Während man noch beim Betrachten der toten Spinnen zwischen Unbehagen und Faszination schwankt, flackert Licht in einer zur Laterne umfunktionierten Getränkedose – und gibt so im ersten Raum des Kunstvereins den Auftakt zu Jakob Argauers Installation, der man durch Treppensteigen ein Stockwerk höher nachspüren kann.

Eine Getränkedose mit verschiedenen herausgeschnittenen Löchern, darin eine kleine, leuchtende Laterne
Eine profane Getränkedose wird von innen mit einer Minilaterne erleuchtet und so selbst zur Lampe. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein

Hier führen die Dinge ein seltsames Eigenleben: Ein Lattenrost erscheint wie geschmolzen, als hätte ein seltsames Etwas mit höherer Energie darauf gelegen. Ein Wasserhahn wird per Malerei verfremdet und verformt, ebenso eine Steckdose. Aus dem Schlüsselloch springt ein Alles sehendes Auge und der Backofen beginnt zu vibrieren und zu singen.

Ein Lattenrost mit teilweise geschmolzenen Latten hängt an einer Wand, auf dem Boden liegt ein Auge, das mit Drähten aus einem Schlüsselloch zu kommen scheint.
Ein Lattenrost mit teilweise geschmolzenen Latten, daneben ein Auge, das mit Drähten aus einem Schlüsselloch zu kommen scheint. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein

Der in Berlin lebende Argauer stellt die Frage nach dem Kontrollverlust in unseren ureigenen vier Wänden, nach dem Heim im Banne des Unheimlichen. Wobei die Ausstellung den Rahmen des weißen Kunstraums wahrt. "Wir wollten keine Gruselkulisse erschaffen! Es geht eher um eine Konzentration darauf, welche Elemente in welchem Kontext gruseln lassen können", sagt Kuratorin Mai.

KI-Bilder zwischen Manga und Willi Sitte

Die Weimarer Künstlerin Denise Blickhan beschließt in einem Kabinett am Fenster die kleine, jedoch sehr sehenswerte Gruppenausstellung. Blickhan hat KI zu weiblichen Körperbildern befragt.

Ein bisschen Willi Sitte ist auch dabei.

Kunstkritikerin Ulrike Thielmann

Verfremdete Frauenkörper in ungewöhnlichen Posen, bei denen teilweise Teile fehlen.
Ein Bild, das von Denise Blickhan mit KI erstellt hat, erinnert ein bisschen an Willi Sitte. Bildrechte: Wolfgang Grau, Jenaer Kunstverein

Was dabei aus dem Netz herausgekommen ist – für eine Videoinstallation als auch eine Bildcollage – kann nur gespenstisch zwischen körperlicher Selbstoptimierung, Manga-Ästhetik und auch Pornografie oszillieren. Ein bisschen Willi Sitte ist auch dabei. Es gibt eben auch gesellschaftlichen "Mulm.", der unseren Blick trübt und dessen Schlammschicht – wie die im Teich – bedrohliche Wesen birgt.

Informationen zur Ausstellung

"Mulm."
Jakob Argauer, Denise Blickhan, Ioannis Oriwol

12. Oktober 2024 bis 7. Dezember 2024

Jenaer Kunstverein – Galerie im Stadtspeicher
Markt 16, 07743 Jena

Öffnungszeiten:
Donnerstag 14 bis 19 Uhr
Freitag 14 bis 18 Uhr
Samstag 12 bis 18 Uhr

Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann)
Redaktionelle Bearbeitung: op, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. Oktober 2024 | 06:15 Uhr

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