Positionspapier Freie Kulturszene in Jena kritisiert mangelnde Finanzierung
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20. Dezember 2024, 07:48 Uhr
Die freie Szene in Jena fühlt sich vom neuen Kulturhaushalt nicht ausreichend berücksichtigt. Obwohl zusätzliche Mittel von der Stadt beschlossen wurden, würden die Zuschüsse bei weitem nicht ausreichen. Das kritisieren Kultureinrichtungen wie die Freie Bühne, der Kulturschlachthof oder der Club Kassablanca in einem gemeinsamen Positionspapier.
- Trotz erhöhtem Kulturetat der Stadt Jena kritisiert ein Bündnis aus Vereinen der freien Kulturszene, dass die Zuschüsse für sie nicht ausreichen.
- In einem gemeinsamen Positionspapier legen sie ihren Bedarf offen und machen klar, was die freie Szene für die Stadt leistet.
- Tilo Schieck kündigt für das neue Bündnis eine langfristige kulturpolitische Zusammenarbeit an.
Der Kulturausschuss des Jenaer Stadtrats hat am 17. Dezember in seiner Sitzung eine Erhöhung der institutionellen Kulturförderung beschlossen, wie JenaKultur mitteilte. Die Jenaer Kultureinrichtungen können demnach bis 2028 mit jährlich knapp 25,5 Millionen Euro von der Stadt rechnen. Das sind zweieinhalb Millionen Euro mehr pro Jahr als in den zurückliegenden vier Jahren. Der Mehrbedarf wurde mit höheren Personalkosten, sowie Miet- und Betriebskosten begründet. Ein Teil des Kulturbudgets soll auch aus Rücklagen kommen, die JenaKultur während der Corona-Pandemie gebildet hat.
Bündnis der freien Szene kritisiert Budgetvergabe
Trotz der Budgeterhöhung hat ein neu gegründetes Bündnis aus kleineren Kultureinrichtungen bereits zuvor die Pläne scharf kritisiert. In einem gemeinsamen Positionspapier richten sich 21 Vereine der freien Szene an die Politik, JenaKultur und die Stadtverwaltung. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Freie Bühne, der Kulturschlachthof und das Tanztheater Jena.
Freie Kulturarbeit ist kein Selbstzweck und kein nice-to-have, sondern essentiell für unser kulturelles, soziales und politisches Leben in dieser Stadt.
Im Papier heißt es, freie Kulturarbeit sei kein Selbstzweck und kein nice-to-have, sondern erfülle eine wichtige Funktion in der Gesellschaft. Die Unterzeichner führen aus, sie hätten bereits Anfang des Jahres auf Anfrage von JenaKultur ihren Mehrbedarf errechnet und übermittelt. Dieser beläuft sich auf mindestens 500.000 Euro pro Jahr. Ohne eine weitere Kommunikation habe die Stadt nun lediglich 200.000 Euro bewilligt.
Freie Szene drittgrößte Kultureinrichtung in Jena
Zusammen mit dem vorherigen Budget für die freie Szene von 750.000 Euro kommt diese durch die Erhöhung um 200.000 Euro auf eine kommunale Förderung von knapp einer Million Euro. Das seien aber nur vier Prozent des Kultur-Jahresbudgets der Stadt Jena, rechnet Tilo Schieck, Sprecher des Bündnisses, vor.
Dieser Anteil für die freie Szene entspreche bei weitem nicht dem, was sie für die Stadt leiste, sagte Schieck MDR KULTUR: "Wir sind eigentlich diejenigen, die diese Atmosphäre der Stadt Jena – jung, kreativ, offen – wesentlich mitbestimmen." Zusammengerechnet brächte man es auf weit über 100.000 Besucher im Jahr mit über 600 Veranstaltungen: "Damit sind wir eigentlich die drittgrößte Kultureinrichtung der Stadt nach Planetarium und Bibliothek."
Kritik an intransparentem Verfahren
Die Kommunikation mit JenaKultur sei sehr intransparent gewesen, so Schieck. Man habe sich deshalb noch einmal zusammen getan, um selbstbewusst aufzuschreiben, was man für die Stadt Jena leiste und in welcher Situation man sich befinde. Seit Jahren arbeite die freie Szene unter prekären Bedingungen.
Ehrenamtliche brächen zunehmend weg, und die Hauptamtlichen könnten die Mehrarbeit nicht mehr auffangen. "Man hat in den letzten Jahren auf dem Zahnfleisch quasi die Angebote aufrechterhalten und jetzt ist irgendwo der Punkt erreicht, wo wir das einfach nicht mehr können", sagte Schieck.
Bedarf von Institutionen wie Kassablanca gestiegen
Das belegen die Vereine in ihrem Positionspapier auch mit konkreten Zahlen. Das Kassablanca etwa, ein "Pionierort alternativer Kultur in Jena und Ostdeutschland", mit einem Schwerpunkt auf Jugend- und Bildungsarbeit, hat für das Jahr 2024 noch einen Förderbedarf von ca. 350.000 Euro, für 2025 aber einen Bedarf von 600.000 Euro angemeldet. Der entstehe insbesondere durch "Tarifangleichung und längst überfällige Stellenaufstockung an das Besucheraufkommen, Angebotsanzahl und -vielfalt sowie durch Größe und Umfang des Gebäudeensembles".
Wir sind eigentlich diejenigen, die diese Atmosphäre der Stadt Jena – jung, kreativ, offen – wesentlich mitbestimmen.
Langfristiger Zusammenschluss der freien Szene Jena
Unter diesen Umständen sei der Beschluss des Stadtrats für alle Beteiligten enttäuschend gewesen, sagte Schieck. Das Gute sei aber, dass die freie Szene jetzt geschlossen agiere. Der Zusammenschluss werde auch in der kommenden Zeit sehr deutlich auftreten. "Wir werden sehr solidarisch untereinander auch darüber sprechen, wie wir Ressourcen besser verteilen können, aber auch sehr deutlich gegenüber Kulturverwaltung, JenaKultur und auch der städtischen Kulturpolitik sein."
Quellen: MDR KULTUR (Interview Tilo Schieck), MDR Thüringen (Olaf Nenninger, Anke Preller) JenaKultur, Positionspapier der Freien Szene, redaktionelle Bearbeitung: lm, hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Vormittag | 20. Dezember 2024 | 10:30 Uhr