Vier Schauspielerinnen und Schauspieler stehen in einer Art aufgeklapptem Würfel auf einer Bühne. 9 min
Zu viele Autos fahren in Wohnungen – das Theaterhaus Jena zeigt ein Stück über die Wahrscheinlichkeit von Katastrophen, die den Alltag nachhaltig verändern. Marlene Drexler erzählt im Audio mehr zu dem Stück, im Gespräch mit Thomas Bille. Bildrechte: Joachim Dette
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Zu viele Autos fahren in Wohnungen rein – das Theaterhaus Jena zeigt ein selbstgemachtes Stück über die Wahrscheinlichkeit von Katastrophen, die den Alltag nachhaltig verändern, wie Marlene Drexler Thomas Bille erzählt.

MDR KULTUR - Das Radio Do 25.04.2024 08:40Uhr 09:12 min

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Theaterhaus Jena "Bitte! Auto! Komm!": Theater über Autos, die in Häuser fahren

25. April 2024, 16:01 Uhr

Immer wieder passiert es, dass Autos in Häuser krachen, was dank der eindrucksvollen Bilder auch häufig eine Schlagzeile wert ist. Am Theaterhaus Jena geht die niederländische Regisseurin Nanine Kok in ihrem Stück "Bitte! Auto! Komm!" diesem Phänomen nach. Vier Freunde berechnen die hohe Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls für ihre Wohnung – und bekommen Panik.

Der Abend "Bitte! Auto! Komm!" nimmt Anstoß an einem speziellen Phänomen: Autos, die in Häuser fahren. Was im ersten Moment absurd klingt, ist in der Realität gar nicht so absurd. Denn tatsächlich landen Autos nicht nur häufig in Gräben, sondern auch regelmäßig in Wohnzimmern.

Eine Schlagwortsuche im Internet illustriert das mit immer wieder ähnlichen Bildern von Kofferräumen, die aus Gebäuden ragen, und Autoschnauzen, die in Fassaden und Glasfronten stecken. Ein so eigenartiger wie monströser Anblick!

Ein Auto ist in eine Hauswand gefahren, drum herum stehen Feuerwehrmänner.
So sieht es üblicherweise aus, wenn jemand mit einem Auto in eine Hauswand gefahren ist. Hier landete ein Gefährt in einem Friseurladen. Bildrechte: MDR/Marcus Scheidel

Warten auf den Weltuntergang

Die Geschichte des Abends ist, dass vier Freunde – drei Frauen und ein Mann – in einem Haus wohnen, das besonders prädestiniert dafür ist, dass dort ein Auto reinfährt. Es liegt in einer Kurve und es gibt keinen Garten als Puffer. Deshalb haben die vier Freunde berechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit tatsächlich ist, dass im Hier und Jetzt ein solcher Unfall passiert. Und danach heißt es dann: Warten auf den Weltuntergang.

Drei Schauspieler auf einer Bühne, eine simuliert eine Autofahrt mit ihrem Händen an einem gedachten Lenkrad.
Das Auto ist die große potenzielle Gefahr beim Theaterabend "Bitte! Auto! Komm!" in Jena Bildrechte: Joachim Dette

Regisseurin aus den Niederlanden

Die Figuren sind liebenswerte Nerds, die sich die Zeit ansonsten mit merkwürdigen Spielen und Diskussionen über abwegige Themen vertreiben.

Regie hat Nanine Kok, eine junge niederländische Regisseurin, geführt. In ihrem Heimatland ist die 25-Jährige Teil eines dreiköpfigen Theaterkollektivs, das Stücke für ein Festival produziert. Ihre Inszenierungen haben die Besonderheit, dass alles Material, was benötigt wird, in ein oder zwei Einkaufstüten passen muss. Am Theaterhaus Jena hat Kok bisher als Regieassistentin gearbeitet.

Im Stück am Theaterhaus Jena wirkt alles sehr harmlos

Textlich und bildlich wird in "Bitte! Auto! Komm!" freundlicher Alltag vorgegaukelt ("Haben wir noch Brot im Gefrierfach?"). Von der Ästhetik erinnert der Abend in seinen Pastellfarben an die Welt des Filmklassikers "Edward mit den Scherenhänden" mit Johnny Depp in der Hauptrolle. Hellgelbe Kostüme, kleine Holzmöbelchen, freundliche Zimmerpflanzen – alles wirkt so harmlos, so lieb, so niedlich – wenn da nicht die drohende Katastrophe wäre.

Drei Schauspielerinnen auf einer Bühne, drei in einem rot beleuchteten Quadrat links und einer in einem grün beleuchteten Quadrat.
Es gibt einen vermeintlich schützenden Innenraum und eine gefährliche Außenwelt. Bildrechte: Joachim Dette

Heitere Panikanfälle

Im Grunde handelt es sich jedoch um ein hochstilisiertes Setting. Das Ensemble hält sich fast die ganze Zeit auf einem kleinen Quadrat auf der Bühne auf. Die These ist nämlich auch, dass sich die vier Freunde nicht trauen, rauszugehen.

Die gesamte Szenerie hat etwas sehr Artifizielles, das schafft auch emotionalen Abstand zu den Figuren. Man schmunzelt über ihre Marotten. Aber auch ihre Krisen und Panikanfälle führen im Publikum weniger zu Bestürzung als vielmehr Heiterkeit.

Schauspielerinnen auf einer Bühne, an engen Wänden stehen drei Schauspielerinnen mit dem Gesicht zur Wand, eine liegt auf dem Boden.
Auf engstem Raum müssen sich die vier Protagonisten ihren Ängsten stellen. Bildrechte: Joachim Dette

Kleines, aber feines Gesamtkunstwerk

Man könnte den Abend in große Deutungszusammenhänge setzen. Das unheilvolle Warten der Figuren auf das Auto als große Katastrophe verbindet sich unwillkürlich mit Assoziationen an den Klimawandel. Mit solchen Interpretationen scheint der Abend aber fast schon überfrachtet.

Vielmehr handelt es sich um einen ganz speziellen Versuchsaufbau, den die Regisseurin von der Idee bis zu den künstlerischen Mitteln frappierend stimmig umgesetzt hat. So ist Kok in den 75 Minuten ein kleines, aber feines Gesamtkunstwerk gelungen.

Die Aufführung

"Bitte! Auto! Komm!"

Von und mit: Henrike Commichau, Linde Dercon, Mona Vojacek Koper, Paul Wellenhof

Bühne und Kostüm: Carolin Pflüger
Regie: Nanine Maria Kok

Aufführungen
25. April 2024, 20:00 Uhr
26. April 2024, 20:00 Uhr
25. Mai 2024, 20:00 Uhr
29. Mai 2024, 20:00 Uhr (Dernière)

Theaterhaus Jena
Schillergässchen 1, 07745 Jena

Quelle: MDR KULTUR (Marlene Drexler), Theaterhaus Jena
redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. April 2024 | 08:40 Uhr

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