Extremismus Rechtsextreme "Großdemo" und Auto-Korso in Gera - Wer steckt dahinter?

09. Dezember 2023, 06:32 Uhr

Der rechtsextreme Verein "Aufbruch Gera" ruft am Sonnabend in Gera zur "Großdemo" gegen eine neue Asylunterkunft auf. Kurz zuvor startet ein AfD-Auto-Korso zum selben Thema. Dagegen plant das "Aktionsbündnis Gera gegen rechts" am Nachmittag die Kundgebung "Für Solidarität und Menschenwürde". Der Verfassungsschutz stuft "Aufbruch Gera" als rechtsextremistischen "Verdachtsfall" ein. Die AfD sieht den Verein ebenfalls kritisch. Ein AfD-Landtagsabgeordneter scheint die Seiten gewechselt zu haben.

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Der rechtsextreme Verein "Aufbruch Gera" ruft am Sonnabend zu einer Demonstration gegen eine vom Land geplante Erstaufnahme für bis zu 200 Flüchtlinge auf. Sie sollen in einer ehemaligen Frauenklinik am Rande der Stadt untergebracht werden. Doch gegen die Einrichtung gibt es Proteste. Wer steckt hinter dem Verein "Aufbruch Gera" und wie ist sein Verhältnis zur AfD?

Wer sind die "Großdemo"-Organisatoren?

Dem Verfassungsschutz in Thüringen sind die Demo-Organisatoren vom Verein "Aufbruch Gera" seit Jahren bekannt, auch weil sie die örtlichen Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen angeführt hatten. Behördenleiter Stephan Kramer spricht von einer "extremistischen Kerngruppe, die sich besonders drastisch" äußere. Sein Amt bearbeite die Gruppe deswegen als "extremistischen Verdachtsfall" und beobachte sie. Aktuell schwenke das "Vereinsumfeld auf das Thema Asylpolitik ein, das besonders tauglich für Emotionalisierung und anlassbezogene Agitation" sei, sagt Kramer.

Aktuelles Beispiel dafür ist ein Video, mit dem die Veranstaltung online beworben wird. In dem kurzen Clip zur geplanten Flüchtlingseinrichtung lodern im Hintergrund andauernd Flammen. Die Bild-Montage weckt Erinnerungen an Brandanschläge auf Flüchtlingsheime. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) zufolge prüfe deswegen die Polizei, ob mit dem Verbreiten des Videos eine Straftat vorliegt.

Organisator hinter "Aufbruch Gera": Christian Klar

Im Mittelpunkt des nach Recherchen von MDR THÜRINGEN bisher noch nicht im Vereinsregister eingetragenen Vereins "Aufbruch Gera" steht der Rechtsextremist Christian Klar, der die Veranstaltung auf der Vogelinsel im Geraer Zentrum bei der Stadtverwaltung angemeldet hat. Laut Verfassungsschutz tritt Klar "offen bei rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und bei Szenetreffen" auf. "Zuletzt verkündete er den Schulterschluss mit 'Die Heimat'", teilt Verfassungsschützer Kramer mit. "Die Heimat", das war früher die NPD.

Und Christian Klar ist gemeint, wenn Kramer von "besonders drastischen Äußerungen" der Vereins-"Kerngruppe" spricht. Auf deren Gründungsveranstaltung sprach Klar in einer Rede von "Kanackenkindern" und dem "restlichen Schmutz", der "einfach hier zu verschwinden" habe. Gemeint waren Menschen mit Migrationshintergrund. Im November schrieb er im Internet zum Fall einer mutmaßlichen Vergewaltigung in Gera. "schade , das es nicht ihre Kids waren." [Rechtschreibfehler im Original] Gemeint waren die Kinder von zwei Landtagsabgeordneten, die der Linkspartei angehören.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Gera laufen gegen Klar derzeit "etwa 20" Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen der Verwendung einer SA-Parole bei einer Rede zu einer von ihm angemeldeten Demonstration im Oktober. Am Landgericht Gera wird außerdem derzeit ein Prozess gegen ihn wegen des Verdachts mehrerer Diebstähle sowie eines Vorwurfs der Hehlerei vorbereitet. In der Vergangenheit saß er schließlich nach eigenen Angaben bereits mehr als zwei Jahre im Gefängnis.

Zur Frage, ob die laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gegen Klar bei dessen Demo-Anmeldung eine Rolle gespielt haben, gab das zuständige Ordnungsamt an: "Sofern der Versammlungsbehörde Ermittlungsverfahren bekannt sind, werden diese bewertet."

Häufiger Redner bei "Aufbruch Gera"-Kundgebungen: AfD-Politiker Lauerwald

Wenige Stunden vor Christian Klars "Großdemo" ist am Sonnabend zudem in der Geraer Industriestraße ein AfD-Auto-Korso geplant - ebenfalls aus Protest gegen die neue Asylunterkunft. Erwartet werden laut Ordnungsamt 100 Pkw mit bis zu 300 Personen. Angemeldet wurde der Korso vom Geraer AfD-Landtagsabgeordneten und Sprecher des AfD-Stadtverbands, Wolfgang Lauerwald. Welche Rolle der AfD-Politiker bei "Aufbruch Gera" spielt, ist unklar. Der Abgeordnete ließ dazu mehrere Anfragen von MDR THÜRINGEN unbeantwortet.

Fakt ist jedoch, dass der AfD-Politiker häufig als Redner bei Kundgebungen von "Aufbruch Gera" auftritt. Die Veranstaltungen finden regelmäßig montags nach sogenannten "Spaziergängen" auf der Freitreppe vor der evangelischen Salvatorkirche im Stadtzentrum statt. Im November hatte sich Lauerwald dort zu seiner Rolle bei "Aufbruch Gera" geäußert und ging dabei seine eigene Partei scharf an: "Die, die die Wahrheit sagen, werden umso ärger bekämpft. Mir ist es jetzt persönlich so gegangen", rief er ins Mikrofon.

Lauerwald spricht von "Zersetzung und Stasi-Methoden"

Dabei bezog sich Lauerwald auf angebliche Gerüchte um sich und Evelyn G., seine Stellvertreterin im AfD-Stadtverband. Wörtlich schilderte er seinem Publikum: "Wolfgang, stimmt das, dass die Evi und du aus der AfD ausgetreten seid? Das wird hier rumerzählt. Ne Woche später wurde erzählt, ich würde mein Wahlkreisbüro schließen."

Zudem behauptete Lauerwald: "In meinen Augen ist das eine Zersetzung, die da stattfindet, um meine Person und meine Funktion als Sprecher vom Stadtverband zu diskreditieren. In meinen Augen sind das Stasi-Methoden. Und als Grund vermute ich eventuell meine Treue zu Montagsspaziergang, zu den Patrioten, zu Euch, dass das manch einem in der AfD auch nicht gefällt."

Belege für diese Vorwürfe nannte der Landtagsabgeordnete auf MDR THÜRINGEN-Anfrage nicht. Auch die Frage, ob die Attacken etwas mit seinem wenig aussichtsreichem Abschneiden (Listenplatz 30) beim Aufstellen der AfD-Wahllisten für die Thüringer Landtagswahl im kommenden Jahr zu tun haben könnten, wurde nicht beantwortet.

Stefan Möller, Ko-Sprecher der Thüringer AfD, teilte zum parteiinternen Streit um Lauerwald zumindest mit: "Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, die vereinzelt innerhalb des Stadtverbands Gera auftreten, lösen wir intern."

Ob AfD-Politiker Lauerwald am Sonnabend bei der Demonstration von "Aufbruch Gera" eine Rede halten wird, ist unklar. Zeitlich wäre ein Auftritt vor der ehemaligen Frauenklinik möglich. Der AfD-Auto-Korso gegen das Flüchtlingsheim steht unter dem Motto "Gera sagt Nein" und endet um 15 Uhr. Klars "Großdemo" trägt das Motto "Gera sagt nein zum Heim" und beginnt um 16 Uhr.

Thüringer AfD-Spitze auf Distanz zu "Aufbruch Gera"

Die Spitze der Thüringer AfD geht unterdessen auf Distanz zu "Aufbruch Gera". Generell teilte Parteisprecher Stefan Möller mit: "Beim 'Aufbruch Gera' handelt es sich um ein mutmaßliches Parteigründungsprojekt von Kräften, welche die Programmatik, Organisationsausrichtung und politische Kommunikationslinie der AfD als zu moderat, bestands- und institutionsorientiert kritisieren."

Möller zufolge werde "aus diesen Kreisen teilweise eine deutlich abwertende Haltung gegenüber der AfD" geäußert. Aus seiner Sicht ziele die "Gründung des 'Aufbruch Gera' vor allem kurzfristig darauf ab, bei den anstehenden Kommunalwahlen im Mai 2024 Wähler von einer Stimmabgabe zugunsten" der AfD abzuhalten. Eine "Empfehlung zur Kooperation" schließe sich "aus diesen Gründen" aus.

Kritik wird es am Sonnabend gegen den Protest des rechtsextremen Christian Klar und den Autokorso der AfD auch öffentlich geben. Das "Aktionsbündnis Gera gegen rechts" plant einen Gegenveranstaltung ab 15:30 Uhr gleich gegenüber der Vogelinsel. Das Motto: "Für Solidarität und Menschenwürde". Laut Veranstaltern werden dazu bis zu 150 Menschen erwartet.

Mehr zu Christian Klar und zu Demonstrationen in Gera oder Erfurt

MDR (rom)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

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