Briefwahl Nordhausen: Wo am Ende der Auszählung die Stimmen für Buchmann herkamen

27. September 2023, 06:41 Uhr

Für die AfD sollte Nordhausen der dritte wichtige Wahlerfolg auf kommunaler Ebene werden. Doch es kam anders. Der AfD-Politiker Jörg Prophet wird nicht Oberbürgermeister der Stadt. Weil er aber während der Auszählung lange vor Amtsinhaber Kai Buchmann lag, streut die AfD Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl.

Die AfD, bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft, gewann seit Ende Juni nicht nur die Landratswahl in Sonneberg, sondern auch eine Bürgermeisterwahl in der Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. In Nordhausen sollte jetzt der dritte Streich folgen. Aber die Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen endete für AfD-Fans enttäuschend.

Zweifel an Wahlergebnis in Nordhausen geschürt

Viele von ihnen äußern jetzt Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Ein Video mit Partei-Chef Björn Höcke auf der Kommunikationsplattform X (früher Twitter) bläst in das gleiche Horn.

Höcke sagt "Ganz subjektiv war das eine merkwürdige Dynamik in der Auszählung". Höcke bezieht sich dabei darauf, dass der AfD-Kandidat lange knapp vorn lag. Nach Auszählung in 31 von insgesamt 42 Wahllokalen lagen AfD-Herausforderer Jörg Prophet und der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann dann gleichauf.

In dem Video kündigt Höcke nun an, dass die Partei sich die Wahl noch einmal im Nachgang anschauen wolle: "Mal gucken, ob da vielleicht doch noch Unregelmäßigkeiten auftauchen".

Bei Briefwahl Buchmann klar vorn

Für die Stadt Nordhausen dagegen ist die Erklärung ganz einfach: "Da die Briefwahllokale erst zum Schluss ausgezählt hatten, kam die Zahl der Stimmen für Herrn Buchmann zustande." Vor allem im Briefwahllokal 6 waren mehr als 500 Stimmen mehr auszuzählen als in den anderen.

Das bedeutet, Briefe öffnen, Stimmen zählen, prüfen und protokollieren. Insgesamt lag Amtsinhaber Buchmann in allen Briefwahllokalen vor Herausforderer Prophet, wie die folgende Grafik zeigt.

Bereits vor der letzten Bundestagswahl wehrte sich die AfD mit einer großen Kampagne gegen die Briefwahl. Mit Flyern und in sozialen Medien hatte die Partei versucht, Wähler dazu zu bringen, am Wahltag selbst wählen zu gehen. Sie befürchte eine Wahlmanipulation durch die Briefwahl, so die Begründung.

Viele Briefwahlstimmen könnten die Wahl zuungunsten der AfD ausgehen lassen. Insgesamt ist bis heute zu beobachten, dass AfD-Politiker seltener per Briefwahl gewählt werden als die anderer Parteien. Die Kollegen in Sachsen-Anhalt hatten das exemplarisch zur Landtagswahl erfasst und in folgender Grafik dargestellt.

Der Politikwissenschaftsprofessor Kai Arzheimer hält die Briefwahl für "sehr sicher". Gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" räumt er allerdings ein, dass sie mit Blick auf das Wahlgeheimnis nicht perfekt sei. "Bei der Urnen­wahl achtet der Wahlvorstand darauf, dass niemand mit in die Kabine geht, der sie beeinflusst. Bei der Briefwahl kann das nicht kontrolliert werden."

Andere Einwände gegen die Briefwahl kann er jedoch nicht nachvollziehen – etwa die Behauptung, Briefwahlstimmen könnten leichter gefälscht werden. "Die Wahlbriefe werden an die örtlichen Wahlleiterinnen und Wahlleiter der Gemeinde geschickt, kommen dort unter Verschluss und werden erst am Wahltag von einem Wahl­vorstand geöffnet", so Arzheimer.

In Nordhausen lag die Wahlleitung in den Händen von Janin Hoffmann und Andrea Radtke-Kosin, beide wurden vom Stadtrat berufen. Die 36 Wahllokale und sechs Brief-Lokale wurden am Wahltag von jeweils sechs bis acht Wahlhelfern betreut, auch Wahlbeobachter hatten sich laut Stadtverwaltung in mehreren Wahllokalen eingefunden.

Zum Aufklappen: Was ist ein Wahlbeobachter?

Der Wahlbeobachter ist eine unabhängige Person, die eine Wahl beobachtet und sie dadurch auf ihre rechtmäßige Durchführung im demokratischen Sinne hin überprüft. So soll Wahlfälschung verhindert werden.

Die Wahlbeobachtung erstreckt sich sowohl auf die Vorbereitung der Wahlen (Wählerlisten, Stimmzettel, Wahllokale usw.) als auch – unter Wahrung des Wahlgeheimnisses - auf die Wahlhandlung selbst (mögliche Behinderungen oder Beeinflussungen), auf die Stimmauszählung und Protokollierung des Wahlergebnisses.

Stimmenthaltung schwächt die Demokratie

Die Wahlbeteiligung lag übrigens höher als vor zwei Wochen beim ersten Wahlgang. 59,3 Prozent der 33.000 wahlberechtigten Nordhäuser gaben ihre Stimme ab. Im ersten Durchgang am 10. September waren es 56,4 Prozent. "Die Höhe der Wahlbeteiligung hat Auswirkungen auf das Wahlergebnis: Nichtwähler unterstützen letztlich immer den Wahlgewinner, ob sie das nun wollen oder nicht", heißt es auf der Website des Bundestages.

Die Höhe der Wahlbeteiligung hat Auswirkungen auf das Wahlergebnis: Nichtwähler unterstützen letztlich immer den Wahlgewinner.

Deutscher Bundestag Website

Und auch, dass in einer Demokratie Wählerinnen und Wähler, die auf Fehler bei der Wahl hinweisen wollen oder ihre Rechte verletzt sehen, nach dem Wahltag Einsprüche gegen die Wahl geltend machen können. Genaueres regelt für Thüringen das Kommunalwahlgesetz.

Mehr zur Wahl in Nordhausen

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. September 2023 | 19:00 Uhr

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