Menschen bei einem Bürgerfest vor dem Rathhaus in Nordhausen.
Vor dem Rathaus in Nordhausen gab es am Samstag ein großes Bürgerfest für eine weltoffene Stadt. Organisiert hatte dies das Bündnis "Nordhausen zusammen". Bildrechte: MDR/Armin Kung

Wahl Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen: Wie Buchmann ohne Wahlkampf siegte

26. September 2023, 07:58 Uhr

Der Höhenflug der AfD hat in Nordhausen einen Dämpfer erhalten. Der parteilose Amtsinhaber, Kai Buchmann, siegte in der Stichwahl, obwohl er im ersten Wahlgang abgeschlagen auf Platz 2 lag. Der Kandidat der AfD, Jörg Prophet, ging als klarer Favorit in den Sonntag, verlor aber mit 10 Prozentpunkten Rückstand deutlich. Wie schaffte es Buchmann innerhalb von zwei Wochen das Ruder herumzureißen?

Der alte und neue Oberbürgermeister ist ein überzeugter Parteiloser. Kai Buchmann versteht sich als ein ins Rathaus gewählter Bürger. Als Betriebswirt bevorzugt er Zahlen und Verwaltungshandwerk anstelle großer Visionen. Das betraf auch seinen Wahlkampf:

"Ich habe mich auf öffentlichen Veranstaltungen gerade auch Wechselwählern vorgestellt. Aber eigentlich habe ich keinen richtigen Wahlkampf gemacht, wenn man in diesen Kategorien denkt", sagt Buchmann.

Ich glaube, die Menschen haben in den vergangenen zwei Wochen nicht für Buchmann und nicht gegen AfD gestimmt. Sie haben sich selbst mobilisiert.

Kai Buchmann

Trotzdem gelang ihm die Überraschung. Buchmann hat innerhalb von zwei Wochen tausende Stimmen dazu gewonnen. Von rund 4.300 Wählern im ersten Wahlgang auf knapp 10.600 in der Stichwahl. In der Stichwahl erhielt Buchmann 6.236 Stimmen mehr als im ersten Wahldurchgang - fast so viele Stimmen wie die anderen Kandidaten, abgesehen von Prophet, im ersten Wahldurchgang erhielten.

Analysen von Wählerwanderungen gibt es auf Kommunalebene nicht. Buchmann aber erklärt sich seine Aufholjagd so: "Ich glaube, die Menschen haben in den vergangenen zwei Wochen nicht für Buchmann und nicht gegen AfD gestimmt. Sie haben sich selbst mobilisiert."

Nordhäuser werben für weltoffenes Nordhausen und Buchmann

Diese "Selbstmobilisierung" hat einen konkreten Namen: das Bürgerbündnis "Nordhausen zusammen". Ein harter Kern von 30 Nordhäusern trommelte für ein weltoffenes Nordhausen und für Buchmann. "Als AfD-Kandidat Jörg Prophet am 10. September mehr als 42 Prozent der Stimmen erhielt, war das für viele Nordhäuser wie ein Weckruf", sagt Stephanie Tiepelmann-Halm vom Verein Schrankenlos.

Spontan trafen sich dreißig Menschen und gründeten das Bündnis. Sie organisierten etwa eine Social-Media-Kampagne. Darin sprachen sich Musiker wie Schlagersängerin Stefanie Hertel, die Band Culcha Candela oder Sebastian Krumbiegel von den Prinzen für Buchmann aus. 

Menschen bei einem Bürgerfest vor dem Rathhaus in Nordhausen.
"Nordhausen zusammen" organisierte am Tag vor der Stichwahl ein großes Bürgerfest. Bildrechte: MDR/Armin Kung

Uns haben tatsächlich Menschen angesprochen, die ihre Wahl überdacht haben. Die konnten wir zum Wechsel auf Buchmann in der Stichwahl umstimmen.

Stephanie Tiepelmann-Halm

"Nordhausen zusammen" organisierte am Tag vor der Stichwahl ein großes Bürgerfest, das sehr gut besucht war. Für Kinder, Eltern und Großeltern wurden Musik, Shows und viele Appelle für eine weltoffene Stadt organisiert. Ein offener Brief des Bündnisses hat fast 4.500 Unterschriften erhalten. Insgesamt 15.000 Euro sammelte das Bündnis in der kurzen Zeit an Spenden ein. Neben engagierten Nordhäusern, waren auch Gewerkschaften, Kirchen und Vereine dabei. Mit Erfolg, sagt Mitorganisatorin Stephanie Tiepelmann-Halm:

"Uns haben tatsächlich Menschen angesprochen, die ihre Wahl überdacht haben. Die konnten wir zum Wechsel auf Buchmann in der Stichwahl umstimmen", sagt Stephanie Tiepelmann-Halm.

Eine Frau sitzt vor einem Geschäft.
Stephanie Tiepelmann-Halm engagiert sich für den Verein schrankenlos, der den Weltladen in Nordhausen betreibt. Bildrechte: MDR/Armin Kung

Zivilgesellschaft protestierte gegen NPD-Aufmärsche

Die schnelle und effektive Mobilisierung des Bündnisses war kein Zufall. Nordhausen hatte bereits in der Vergangenheit eine aktive Zivilgesellschaft. Ende der 90er-Jahre gingen viele Menschen gegen NPD-Aufmärsche auf die Straße. Damals gab es das sogenannte Bündnis gegen Rechtsextremismus, das BGR.

Das ist ein klares Signal von der Wahl in Nordhausen und dem Bürgerbündnis 'Nordhausen zusammen', auch in Richtung Landtagswahl. Dass es sich lohnt, sich zu engagieren und dass man die extrem rechte AfD in ihre Schranken weisen kann

Jens-Christian Wagner

"Das BGR war lange eingeschlafen. Besonders Corona hatte uns wie so vielen sozialen Initiativen geschadet. Mit der Oberbürgermeisterwahl konnten wir an alte Freundschaften, Kontakte und Netzwerke von früher anknüpfen", so Tiepelmann-Halm.

Ein Plakat auf einem Bürgerfest in Nordhausen.
Nordhausen hatte auch schon in der Vergangenheit eine aktive Zivilgesellschaft.  Bildrechte: MDR/Armin Kung

KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora engagieren sich

Auch die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora haben sich bei "Nordhausen zusammen" engagiert. Deren Stiftungsleiter Jens-Christian Wagner fürchtete einen AfD-Oberbürgermeister, der den Holocaust relativiere und die Leiden der KZ-Häftlinge kleinrede. Dies habe das Bürgerbündnis verhindert:

"Das ist ein klares Signal von der Wahl in Nordhausen und dem Bürgerbündnis 'Nordhausen zusammen' auch in Richtung Landtagswahl. Dass es sich lohnt, sich zu engagieren und dass man die extrem rechte AfD in ihre Schranken weisen kann", so Wagner.

Ob das Beispiel der Nordhäuser Zivilgesellschaft auch für andere Kommunen ein Vorbild ist, muss sich nächstes Jahr erweisen: Neben Landtagswahlen wird in Thüringen auch in den Kommunen gewählt.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 25. September 2023 | 19:00 Uhr

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