Kommentar "Das war knapp und ein deutlicher Rückschlag für die Thüringer AfD"
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25. September 2023, 07:12 Uhr
Kai Buchmann bleibt Oberbürgermeister von Nordhausen. Der parteilose Politiker setzte sich bei der Stichwahl am Sonntag gegen Jörg Prophet von der AfD durch. Guido Fischer ordnet das Ergebnis im Kommentar ein.
Das war knapp und das war ein deutlicher Rückschlag für die Thüringer AfD und ihren rechtsextremen Chef Björn Höcke. Die von ihm erhoffte Siegesserie bei Kommunalwahlen ist schon bei der zweiten Stichwahl gerissen.
Die Wählerinnen und Wähler in Nordhausen haben dann doch dem parteilosen Amtsinhaber Kai Buchmann das Vertrauen geschenkt. Obwohl er in den Monaten vor der Wahl wegen Mobbing-Vorwürfen zeitweise suspendiert war. Obwohl er es sich mit nahezu allen politischen Lagern verscherzt hatte - noch nicht mal in der Stichwahl wollten ihn alle etablierten Parteien unterstützen.
Etablierte Parteien nicht auf dem Wahlzettel
Überhaupt die etablierten Parteien. Ihre Bewerber standen heute gar nicht mehr auf dem Wahlzettel. Im ersten Durchgang konnten die Kandidatinnen und Kandidaten von SPD, CDU, FDP und Grünen weniger als 20 Prozent der Wahlberechtigten von sich überzeugen.
Jahrelanger Kleinkrieg zwischen Union und SPD in der Nordhäuser Kommunalpolitik. Verunsicherung nach der Pandemie und angesichts des Ukrainekrieges. Frust über eine zerstrittene Bundesregierung und eine wenig überzeugende CDU-Opposition in Berlin, all das hat dazu geführt, dass sich die Wähler in Scharen von den Etablierten abgewandt haben.
AfD-Aufwind nicht nur im Osten
Auch wenn das heute ein deutliches Stoppzeichen für die AfD war - ein Ende ihres aktuellen Höhenflugs ist das noch nicht. In allen ostdeutschen Bundesländern führt sie die Umfragen mit über 30 Prozent an. Und sie ist längst nicht nur im Osten im Aufwind.
Gut möglich, dass sich die AfD in zwei Wochen bei der Landtagswahl in Hessen vor die jahrzehntelange Regierungspartei SPD schiebt und damit erstmals in einem westdeutschen Flächenland auf Platz zwei landet.
AfD in guter Ausgangslage für Landtagswahlen
Auch für die Landtagswahl in Thüringen im kommenden Jahr bleibt die AfD in einer guten Ausgangslage. Das liegt auch am Thüringer Wahlkalender. Im kommenden Frühsommer treten bei sechs Landratswahlen langjährige CDU-Amtsinhaber nicht mehr an. Die AfD lauert darauf, diese Landratsämter zu erobern.
Schaffen es die etablierten Parteien dann im Thüringer Landtag auch weiterhin nicht, drängende Probleme wie Lehrermangel, fehlende Wohnungen, zu wenig Polizisten und eine schwächelnde Wirtschaft anzugehen, droht am Wahlabend zunächst den chronisch schwachen Liberalen und Grünen das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Das könnte dazu führen, dass der AfD ein Ergebnis knapp über 40 Prozent zu einer absoluten Mehrheit reichen würde.
Thüringerinnen und Thüringer haben Ergebnis in der Hand
Das hieße, der Rechtsextremist Björn Höcke wäre Ministerpräsident. Der Politiker, der Ausländer nicht nur massenweise ausweisen will, sondern dabei "wohltemperierte Grausamkeiten" ankündigt. Das ist ihm nicht irgendwo rausgerutscht, das hat er in einem Buch niedergeschrieben.
Höcke ist damit der einzige Politiker weit und breit, der verspricht, als Regierungschef Menschen Leid zuzufügen. Da stellt sich für alle Thüringerinnen und Thüringer die Frage - wollen wir so eine Regierung?
Es liegt an uns, bei kommenden Wahlen eine andere Lösung zu finden. Die Menschen in Nordhausen haben Sonntagabend gezeigt, dass es bei aller berechtigten Unzufriedenheit eine andere Wahl gibt, als Extremisten in Spitzenämter zu bringen.
Anmerkung der Redaktion: Um mehrere Diskussionen zum gleichen Thema zu vermeiden, bündeln wir die Kommentare dazu unter diesem Beitrag zur Stichwahl in Nordhausen.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. September 2023 | 19:00 Uhr