Eine ausschnitthafte Nahaufnahme zeigt ein Zeugnis auf dem ein Kugelschreiber liegt. 3 min
Audio: In Thüringen fehlen im Halbjahreszeugnis fast 61.000 Noten aufgrund von Lehrermangel. Bildrechte: IMAGO / Zoonar
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Lehrermangel sorgt für Lücken bei Musik, aber auch Physik oder Chemnie

MDR AKTUELL Mi 12.03.2025 06:51Uhr 02:54 min

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Wegen Unterrichtsausfall 60.000 fehlende Zeugnisnoten – Thüringer Schüler fürchten Nachteile bei Bewerbungen

12. März 2025, 07:44 Uhr

Vor kurzem haben die Schüler in Thüringen ihre Halbjahreszeugnisse erhalten – doch bei zahlreichen Fächern steht auf dem Zeugnis "Note nicht erteilt" oder einfach ein Strich. Fast 61.000 Zensuren konnten in Thüringen im vergangenen Halbjahr nicht vergeben werden. Hauptgrund ist der Unterrichtsausfall. Schüler fürchten nun Nachteile bei Bewerbungen.

Carolin Fröhlich
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Dem Thüringer Bildungsministerium zufolge musste jede dritte allgemeinbildende Schule im Freistaat ihre Halbjahreszeugnisse mit Lücken ausstellen. Die fehlenden Zensuren verteilen sich dabei auf alle Fächer. Von Musik, wo über 12.000 Mal keine Zensur vergeben werden konnte, über Ethik und Kunst. Aber auch Chemie und Physik sind mit jeweils 5.000 fehlenden Bewertungen dabei, Biologie, Geschichte und selbst Deutsch mit über 100 und Mathe mit rund 20 Zeugnis-Lücken.

Schüler haben Angst vor Nachteilen bei Ausbildung und Studium

Erik Sczygiol, Vorsitzender der Landesschülervertretung Thüringen, wird darauf immer wieder von Schülerinnen und Schülern angesprochen. "Es gibt einige, die haben Angst davor, eventuell den Studiumsplatz oder den Ausbildungsplatz nicht mehr zu bekommen, eben weil ja dieses Zeugnis nicht vollständig ist. Dazu kommt die allgemeine Zukunftsangst, die damit noch stärker wird", sagt Sczygiol.

Die Noten selbst sind dabei nicht das größte Problem. Widerspiegeln sie doch "nur", dass auf Grund des Lehrermangels in großen Mengen Unterricht ausgefallen ist, sagt Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

"Wenn das viele wichtige Fächer betrifft – und wir kennen Schulen, in denen Physikunterricht schon seit längerer Zeit nicht unterrichtet wird oder Biologie über eine längere Zeit ausfällt – das sind durchaus Fächer, die in Bewerbungssituationen eine Rolle spielen", sagt sie. "Wenn ich Kfz-Mechaniker werden möchte und ich hatte keinen Physikunterricht, wird es schwierig, das dem künftigen Arbeitgeber zu erklären und ihn zu ermutigen, mich trotzdem einzustellen." Das fehlende Wissen in der Berufsschule aufzuholen, sei auch eine Herausforderung.

Kathrin Vitzthum, Geschäftsführerin GEW THÜRINGEN
Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen. Bildrechte: MDR/Uwe Riemann

Wenn ich Kfz-Mechaniker werden möchte und ich hatte keinen Physikunterricht, wird es schwierig, das dem künftigen Arbeitgeber zu erklären und ihn zu ermutigen, mich trotzdem einzustellen.

Kathrin Vitzthum Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Regelschulen stärker betroffen als Gymnasien

Besonders hart trifft der Unterrichtsausfall und die daraus fehlenden Noten die Regelschulen. Hier waren die Zensurenlücken viermal höher als am Gymnasium. Außerdem gäbe es besonders viele Ausfälle auf dem Land.

Die Schulen versuchen gegenzusteuern, indem einerseits Lehrkräfte die wichtigsten Fächer abdecken. Zum anderen, indem sie von vornherein den Stundenplan kürzen, erklärt Tim Reukauff vom Thüringer Lehrerverband: "Hier sagen die Schulämter uns gegenüber zwar immer, dass der Unterricht in Prüfungsklassen und in Prüfungsfächern nicht gekürzt wird, aber das bedeutet natürlich auch, wenn ich den Physikunterricht in den Eingangsstufen, also in der 7. oder 8. Klasse kürze, dann fehlt unten ein gewisses Fundament."

Bildungsministerium verweist auf geplante Maßnahmen der Regierung

Auch das Thüringer Bildungsministerium ist sich bewusst, dass durch den Lehrermangel immer mehr Zensurenlücken entstehen, auch wenn diese sich meist bis zum Endjahreszeugnis halbiert haben. Auf Anfrage von MDR AKTUELL verweist man auf geplante Maßnahmen der neuen Regierung. Diese sieht einen Ausbau der Lehrerbildung, einen besseren Berufsteinstieg sowie Anreize als erfahrene Lehrkraft länger im Beruf zu bleiben vor. "Wir setzen auf schnellere Einstellungsverfahren und attraktivere Arbeitsbedingungen", heißt es. Auch die Erhöhung der Studienplätze und die Vereinfachung von Anerkennungsverfahren für Seiteneinsteiger seien zentrale Bausteine.

Außerdem wolle man Lehrkräfte durch weniger Bürokratie entlasten. Weniger Bürokratie und mehr Zeit zum Unterrichten – das wünschen sich auch die Lehrergewerkschaften.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. März 2025 | 06:51 Uhr

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