Menschen demonstrieren auf dem Erfurter Fischmarkt
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Fischmarkt Protest gegen Stadt Erfurt: Private Sicherheitsfirma soll Awareness-Projekt "Nachteulen" übernehmen

20. Februar 2025, 12:00 Uhr

Eigentlich sollten Awareness-Teams der "Nachteulen" Ruhe und Sicherheit ins Erfurter Nachtleben bringen. Nun hat die Stadtverwaltung eine private Sicherheitsfirma als Projekt-Träger ausgewählt. Die Entscheidung treibt den Protest auf den Fischmarkt - die Stadt versucht die Wogen zu glätten.

David Straub schaut in die Kamera.
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Dabei war doch alles so harmonisch angelaufen. Kulturakteure und Politiker - alle gaben sich zufrieden: Im Mai 2024 beschloss eine deutliche Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte ein neues Konzept, das Ruhe und Sicherheit ins Erfurter Nachtleben bringen sollte.

"Nachteulen", so wollte es der Stadtrat, sollten als Ansprechpartner durch das nächtliche Erfurt ziehen. Sie sollten nicht nur dafür sorgen, dass Müll und Lärm am Wochenende minimal bleiben. Die dreiköpfigen Awareness-Teams sollten auch niedrigschwellige und unterstützende Ansprechpartner für Betroffene von Diskriminierung oder sexualisierter Gewalt sein.

Das Projekt kam im Laufe des Jahres 2024 gut an: Es entstand ein eigenes Büro direkt neben dem Hauptbahnhof. Die "Nachteulen" bewiesen sich auf dem Oktoberfest. Oberbürgermeister Andreas Horn (CDU) stand auf Pressefotos stolz neben dem Team der Testphase. Nach dieser Testphase startete ab November dann eine neue Ausschreibung - die Stadt Erfurt suchte bundesweit einen längerfristigen Träger.

Frauen und Männer stehen gemeinsam mit Oberbürgermeister Horn (CDU) vor einem Gebäude mit der Aufschrift "Nachteulen"
Das Team aus der Testphase der "Nachteulen". Obwohl die Stadt um OB Andreas Horn (CDU, mitte) das Projekt im November gelobt hatte, wurde nun eine Sicherheitsfirma ausgewählt. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Und nun der Protest: Unter dem Motto "Gute Nacht Eulen" demonstrierten am Mittwochnachmittag etwa 70 Menschen vor dem Rathaus. Das Projekt ist in Erfurt zum Streitthema geworden.

Privater Sicherheitsdienst soll’s richten - Awareness-Arbeit klingt anders

Grund für die Kritik an der Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Horn ist die Vergabe an eine private Sicherheitsfirma als neuen Träger des Projektes: die Guardian Force Security GmbH. Die Firma ist im Sicherheitsgeschäft ein dicker Fisch. Guardian Force Security kontrolliert den Einlass bei den Spielen von Rot-Weiß Erfurt. Sie bewachte den Katholikentag und den Weihnachtsmarkt in Erfurt.

Die Firma kümmert sich eigenen Angaben zufolge um "Sicherheit und Schutz von Personen oder Sachwerten" - bis zu 700 Mitarbeitende können pro Tag in den Einsatz geschickt werden. Sicherheit und Ordnung steht im Fokus. Auf der Website sind Mitarbeitende beim Kickboxen zu sehen. Von Awareness-Arbeit ist nicht die Rede.

Kritik: Stadt Erfurt hat sich nicht an Konzept gehalten

"Wir sehen das Vertrauensverhältnis gestört, wenn ein Sicherheitsunternehmen Vertrauenspartner werden soll“, kritisieren daher die verschiedenen Kulturakteure um die Ständige Kulturvertretung (SKV) in einem Brief an die Verwaltung sowie den Stadtrat. "Wir wollen, dass die Arbeit der Nachteulen, wie im Konzept vorgesehen, vonstattengeht." Entspannte Ansprechpartner auf Augenhöhe also - keine trainierten Ordnungshüter, deren Job es ist, Sicherheit notfalls auch körperlich herzustellen.

Vertrauen entsteht nicht durch ein Logo auf der Jacke

Mia Ehemalige Nachteule

Auf der Demonstration am Mittwoch äußern sich auch Mitglieder des bisherigen Teams der "Nachteulen". Sie sind enttäuscht von der Stadt. "Wieso wirft die Stadt Sicherheitsdienstleister und Awareness-Teams in einen Topf?", kritisiert Felix. "Vertrauen entsteht nicht durch ein Logo auf der Jacke, sondern durch die Person, die vor einem steht", kritisiert Mia mit Blick auf das eher uniformierte Auftreten von Sicherheitspersonal.

Menschen demonstrieren auf dem Erfurter Fischmarkt
Auf dem Erfurter Fischmarkt demonstrierten am Mittwoch Menschen wegen des "Nachteulen"-Projektes. Bildrechte: MDR/David Straub

Das Kernproblem für die Kritiker: Laut dem Statement der Kulturbranche hat sich die Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Horn nicht an das damals vom Stadtrat verabschiedete Konzept gehalten. Tatsächlich schloss das Konzept aus dem Sommer 2024 Sicherheitsdienstleister noch aus. Außerdem verlangte es "Nachteulen"-Teams von drei Person - nicht wie von der Stadt ausgeschrieben Zweierteams. Ein weiteres Beispiel: Das Konzept, so kritisiert die SKV, habe eine Ausschreibung über einen Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen. Ausgeschrieben wurden aber nur 13 Monate.

Das Vergabeverfahren war von Anfang an verkorkst

Jasper Robeck Grünen-Stadtrat

"Das Vergabeverfahren war von Anfang an verkorkst", stimmt auch Stadtrat Jasper Robeck von den Grünen in die Kritik mit ein. Er hatte das Projekt der "Nachteulen" mit angeschoben. "Mit dem Amtswechsel von Andreas Bausewein zu Andreas Horn ist das Verfahren aber komplett unter Wasser gefallen. Nach der OB-Wahl hat sich niemand so richtig zuständig gefühlt."

Jasper Robeck, Grünen-Stadtrat in Erfurt
Grünen-Stadtrat Jasper Robeck hat das Projekt "Nachteulen" angeschoben - jetzt kritisiert er die Ausschreibung der Stadt. (Archivbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Verfahren nicht abgeschlossen - Widerspruch eingereicht

Die Grünen wollten eigentlich am Mittwochabend mit einem Antrag im Finanzausschuss die Stadtverwaltung dazu bewegen, das Vergabeverfahren transparent zu machen. "Bei den 'Nachteulen' geht es um einen Stadtratsbeschluss. Wir als Stadtrat haben das Geld dafür organisiert, deshalb verlangen wir Akteneinsicht", so Stadtrat Robeck.

Doch zu einer Debatte kam es erst gar nicht, wie die Grünen-Fraktion am Donnerstag mitteilte. Die CDU, die AfD und Finanzedezernent Steffen Linnert stimmten dagegen, das Thema als dringlich einzustufen. Damit wird der Grünen-Antrag regulär im März im Ausschuss diskutiert.

Offiziell läuft das Vergabeverfahren noch. Die Stadtverwaltung teilte MDR THÜRINGEN mit, dass gegen die Entscheidung Widerspruch von einem anderen Bewerber eingelegt wurde. Die Angelegenheit liegt deshalb zur Prüfung beim Landesverwaltungsamt.

Wie reagiert die Stadt?

Eigentlich hatte sich die Stadtverwaltung im Herbst des vergangenen Jahres in einer Stellungnahme "sehr positiv" über den ersten Testlauf des Projektes geäußert. Sie teilte noch im November mit: "Die Erfurter Nachteulen haben viele Aufklärungsgespräche geführt, um einerseits die Bekanntheit des Projektes zu fördern aber auch um die Akzeptanz für die Awareness-Arbeit in der Bevölkerung zu erhöhen. Es zeigte sich schnell, dass insbesondere die jüngere Generation die Anwesenheit und Arbeit der Nachteulen sehr wertschätzt."

Umso mehr verwundert die Wahl der Sicherheitsfirma Guardian Force Security. Ins Detail geht die Stadt bei ihren Antworten nicht, denn offiziell läuft das Vergabeverfahren noch. Gegen die Entscheidung wurde Widerspruch von dem anderen Bewerber eingelegt - dem bisherigen Träger aus der Testphase, dem Erlebnispädagogikanbieter "Feuer und Flamme. Die Angelegenheit liegt deshalb zur Prüfung beim Landesverwaltungsamt.

Finale Erklärung bleibt aus

Die Stadt verteidigt die Vergabe an die Sicherheitsfirma. "Alle im Verfahren beteiligten Bieter haben ihre Motivation hinreichend dargelegt", heißt es. Zum städtischen Konzept sollten sich alle Bewerber "bekennen und deren Umsetzung zu versichern".

Warum es dann nicht der bisherige Träger wurde, erklärt die Stadt auf MDR-Anfrage nicht. Spricht aber allgemein von "begrenzten finanziellen Ressourcen" aufgrund der Haushaltslage. Möglich, dass die große Sicherheitsfirma also einfach ein günstigeres Angebot vorlegen konnte.

Generell wünscht sich die Stadt, "das Projekt der Erfurter Nachteulen fortzuführen und langfristig in der Landeshauptstadt Erfurt zu etablieren". Dafür soll es auch ein Dialogforum mit allen Beteiligten geben - auch mit Kulturakteuren um die SKV.

Sicherheitsfirma Guardian Force Security schmallippig

Am Rande der Demonstration am Mittwoch zeigten sich auch zwei Männer, die nicht ganz zum Rest des Publikums zu passen schienen. Einer von ihnen: der Chef von Guardian Force Security. Er hörte zu, ein wenig amüsiert.

Inwieweit seine eigenen Mitarbeiter fachlich für die Herausforderungen als Nachteulen geeignet sind - dazu wollte er nichts sagen. Auch auf eine schriftliche Anfrage ging das Unternehmen inhaltlich nicht ein. Mit Bezug auf das aktuell laufende Verfahren.

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 20. Februar 2025 | 06:30 Uhr

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