Netzausbau TEAG investiert Milliarden in Energiewende und Netzsicherheit
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01. Mai 2025, 05:00 Uhr
Die Thüringer Energie AG (TEAG) steckt so viel Geld wie nie zuvor in den Umbau des Stromnetzes - 340 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Vorstandschef Stefan Reindl erklärt, warum diese Investitionen notwendig sind, welche Folgen sie für die Strompreise haben und weshalb Thüringen trotz Energiewende gut gegen Blackouts geschützt ist. Zugleich warnt er vor ungerechten Stromrabatten für Großkonzerne und setzt weiter auf eine stabile Erdgasversorgung - mindestens für zwei Jahrzehnte.
- TEAG investiert Hunderte Millionen für den Netzausbau
- Strompreise bleiben vorerst stabil, trotz hoher Investitionen
- Thüringen fast schon stromautark
- Blackout wie in Spanien in Deutschland sehr unwahrscheinlich
- Erdgas bleibt noch zwei Jahrzehnte wichtig
TEAG-Vorstandschef Stefan Reindl kennt das Spannungsfeld, in dem sein Versorgungs-Unternehmen sich bewegt. Günstige Preise für Kunden, das Stromnetz muss deutlich ausgebaut werden, um für Solaranlagen, Gaskraftwerke, Windräder und Elektroautos so gerüstet zu sein, dass es die alten Kohlekraftwerke in wenigen Jahren gar nicht mehr braucht. Jahrelang investierte das Unternehmen stets etwas mehr oder weniger als 100 Millionen Euro pro Jahr. 2020 ging das erstmals deutlich nach oben, im Jahr 2024 waren es bereits 314 Millionen Euro. Dieses Jahr sollen es 340 Millionen sein.
"Ein System, das über 100 Jahre gewachsen ist, verändert sich gerade fundamental", sagt Reindl. Öl, Gas und Kohle würden gerade ersetzt. "Durch diese Phase müssen wir einmal durch." Das werde noch etwa zehn Jahre dauern. "Nach meiner Einschätzung haben wir die Hälfte des Weges schon hinter uns."
Ein System, das über 100 Jahre gewachsen ist, verändert sich gerade fundamental.
Stabile Strompreise trotz hoher Investitionen
Und natürlich spürt man diese hohen Investitionen ins Netz auch beim Strompreis. Aber nach Ablauf der zehn Jahre sei zu erwarten, dass die Investitionskosten wieder deutlich zurückgehen - und dann auch die Strompreise wieder sinken. Hinzu kommt die Erwartung, die der Koalitionsvertrag schürt. Fünf Cent weniger beim Strompreis pro Kilowattstunde für alle haben Union und SPD zugesichert. Wie das erreicht werden soll, "das werde spannend", so Reindl. Der Weg sei aktuell noch nicht klar.
Gegen Industriestrompreis für wenige Unternehmen
Einen vergünstigten Industriestrompreis lehnt das Unternehmen eher ab. "Wie sollen wir denn erklären, dass BASF einen Rabatt bekommt und der Metallbetrieb in Südthüringen mit seinen 100 Mitarbeitern nicht?", so Reindl. Immerhin, aktuell seien Preiserhöhungen unwahrscheinlich. Nach einer Preissenkung für Gas und Strom im vergangenen Jahr erwartet das Unternehmen erst einmal nur stabile Preise für die nächsten zwölf Monate. "Vielleicht gibt es auch ein Senkungspotenzial", sagt TEAG-Vorstand Christian Thewißen, der für den Vertrieb zuständig ist. Aber man hänge am Weltmarkt in der Energiebeschaffung - und da gebe es noch immer viel Bewegung nach oben wie nach unten.
Thüringen fast autark bei Stromversorgung
Rein theoretisch sei Thüringen bereits heute an etwa 200 Tagen im Jahr in der Lage, sich autark mit Strom zu versorgen. "Da reicht die installierte Leistung bei erneuerbaren Energien", so Reindl. Um das komplett zu machen, sei neben dem bisher vorgesehenen Ausbau von Netz und erneuerbaren Energien auch ein größeres Gaskraftwerk nötig, das zunächst mit Erdgas funktioniert und später auf Wasserstoff umzustellen wäre. Ohnehin sieht die Kraftwerksstrategie der scheidenden Bundesregierung den Ausbau um 12,5 Gigawatt Leistung vor - das wären mehrere große Kraftwerke. Stünden 500 Megawatt davon in Thüringen, ließe sich der Freistaat nach Reindls Einschätzung komplett versorgen. Das sei aber ein theoretisches Szenario. Die TEAG sei ein großer Anhänger der europäischen Integration der Stromnetze.
Blackout wie in Spanien "unwahrscheinlich"
Dies sei ein Grund für die Sicherheit der Versorgung. Der Blackout in Spanien könne in Deutschland eigentlich nicht passieren. Spanien sei nur über eine Leitung mit Frankreich verbunden, Deutschland hingegen mit allen Nachbarländern über zahlreiche Leitungen. "Wenn wir hier an einer Stelle zu wenig Leistung haben wegen schlechten Wetters oder zu wenig Wind, helfen uns die europäischen Nachbarn aus - und umgekehrt", erläutert der Vorstandschef. In Spanien sei das noch nicht gegeben.
Die Einschätzung bestätigt der Professor Dirk Westermann, Fachgebietsleiter für elektrische Energieversorgung an der TU Ilmenau. Vollständige Sicherheit aber gebe es nirgendwo. Ein Inselbetrieb im Fall einer Störung für Thüringen aber werde erforscht. "Zumindest für eine gewisse Zeit" könne ein solches Netz autark betrieben werden, schreibt Westermann. Sinnvoll sei das aber nur, wenn Aufwand und Kosten in einem angemessenen Verhältnis stünden. Reindl sagte, mit einer Förderung von 150 bis 200 Millionen Euro durch den Freistaat über mehrere Jahre sei das schnell zu verwirklichen.
Zuverlässiges Netz trotz steigender Einspeisung
Was nun der Grund für den Stromausfall in Spanien sei, dazu wisse man noch nichts Genaues. "Aber hier in Mitteldeutschland sind wir so eng vernetzt, dass Probleme binnen Sekunden ausgeregelt werden können." Die mittleren Ausfallzeiten im Netzgebiet der TEAG-Tochter Thüringer Energienetze (TEN) lägen aber pro Kunde und Jahr in den letzten 15 Jahren stets bei weniger als 40 Minuten. Obwohl die Leistung erneuerbarer Energien stetig gewachsen sei und inzwischen bei mehr als 3,5 Gigawatt liege. Zum Vergleich - in den USA liegt die Ausfallzeit im Schnitt bei mehr als 5 Stunden pro Jahr.
In Mitteldeutschland sind wir so eng vernetzt, dass Probleme binnen Sekunden ausgeregelt werden können.
Erdgas-Versorgung noch für mindestens 20 Jahre
Reindl sieht die Energiewende jedenfalls auf einem guten Weg. "Die ist nicht gescheitert, sondern der Netzausbau - wegen Herrn Seehofer." Bayerische Landesregierungen hatten über Jahre verhindert, dass große Leitungen nach Süddeutschland verlegt werden - obwohl Atomkraftwerke abgeschaltet wurden und der Ausbau von Windkraft in Bayern eher schleppend verlief.
Beim Erdgas will das Unternehmen die Versorgung noch mindestens 20 Jahre aufrecht erhalten. Das sagte Vorstand Thewißen auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN. Einen Engpass wie 2022 erwartet das Unternehmen nicht mehr. "Wir haben früher nur zwei bis drei Lieferanten aus Deutschland gehabt. Inzwischen sind es 16 in ganz Europa", sagt Reindl. Flüssiges Erdgas sei aus zahlreichen Ländern verfügbar. Der Nachteil: So billig wie es Russland einst über Pipelines geliefert hat, werde es wohl nicht mehr werden. Im Gegenzug beziehe man auch nicht mehr mehr als die Hälfte des Gases von einem Lieferanten und sei damit weniger abhängig.
MDR (dkn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN – Das Radio | 30. April 2025 | 15:00 Uhr