Organisierte Kriminalität Mafia in Thüringen: Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf
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29. Juni 2021, 15:39 Uhr
In Erfurt hat sich am Dienstagmorgen der Mafia-Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag konstituiert. Die 13 Landtagsabgeordneten wollen nun klären, welche Kontakte die italienische 'Ndrangheta in Politik, Justiz und Verwaltung pflegte und warum ein viel versprechendes Ermittlungsverfahren gegen die Mafia-Gruppierung 2002 plötzlich beendet wurde.
Die erste Sitzung des Mafia-Untersuchungsausschusses des Landtages lief hinter verschlossenen Türen. Security bewachte die Eingangstüren zum großen Saal, ein Absperrband sollte mögliche Lauscher zusätzlich abhalten. Viele Vorsichtsmaßnahmen für eine eigentlich normale Arbeitssitzung eines Untersuchungsausschusses.
Wie konnte die 'Ndrangheta in Erfurt Fuß fassen?
Hinter den Türen haderten die Abgeordneten um einen Fahrplan für den Ausschuss. Die Zeit drängt. Spätestens mit der Konstituierung eines neuen Landtags nach den erwarteten Wahlen Ende September muss der Ausschuss einen Abschlussbericht vorlegen. Wenig Zeit für ein wichtiges Thema: Wie konnte die 'Ndrangheta in Erfurt Fuß fassen? Und: Warum durften Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt plötzlich nicht mehr weiter ermitteln, obwohl es ihnen gelungen war, mindestens einen verdeckten Ermittler an die 'Ndrangheta-Zelle heran zu schleusen?
Am Vormittag wurden erste Weichen für die Aufklärung gestellt. Im Vorfeld hatte es zwischen den rot-rot-grünen Fraktionen und der oppositionellen CDU geknirscht. Die rechtsextreme AfD gab sich per se skeptisch, was den Ausschuss anbelangt, und benannte erst sehr spät ihre Vertreter, so dass der Ausschussstart erst jetzt beginnen konnte.
Die CDU wollte eigentlich gar keine Beweisanträge von R2G tragen: eine gemeinsame Ansicht der MDR-Dokumentation (der Auslöser des Ausschusses) sei nicht notwendig; Sachverständige (Mafia-Experten) einzuladen sei nicht verhältnismäßig. Und die Akten aus den NSU-Untersuchungsausschuss seien viel zu umfangreich, um sie in der Kürze der Zeit noch studieren zu können. Letztendlich stimmten sie dann doch zu. Vielleicht auch, weil keine der Oppositionsparteien – CDU, AfD und FDP – eigene Beweisanträge eingebracht hatte.
Dennoch bezeichnete die Vorsitzende des Ausschusses, Dr. Iris Martin-Gehl (Die Linke) die Atmosphäre in der ersten Ausschusssitzung als sehr sachlich. Sie hoffe, daran werde sich nichts ändern, erklärte sie im MDR THÜRINGEN-Interview. Dennoch: Eine gemeinsame Presseerklärung gab es dann doch nicht. Vielmehr schickten die Fraktionen eigene Statements herum.
Nun werden die Thüringer Landesregierung und ihre nachgeordneten Behörden – von der Staatsanwaltschaft bis hin zum Landeskriminalamt – aufgefordert, sämtliche Akten den Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. Auch das Bundeskriminalamt wird darum gebeten.
Verdeckter Ermittler und CDU-Stadtrat von Mafia eingeladen
Dann müssen die Abgeordneten lesen – viel lesen, auch wenn wichtige Aktenbestandteile längst vernichtet sind. Wie die, die den Einsatz der Verdeckten Ermittler betreffen. Mindestens einer war derart nah an der 'Ndrangheta-Zelle dran, dass er von mutmaßlichen Mafiosi zu privaten Feiern in die Heimat der 'Ndrangheta - nach Kalabrien - eingeladen wurde. Er durfte nicht fahren.
Oder der CDU-Stadtrat, der ebenfalls auf einer Einladungsliste auftauchte – ohne dass dies jemals hinterfragt wurde. All das haben Recherchen von MDR THÜRINGEN und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ergeben. Wie auch offenbar enge Kontakte zwischen einigen Italienern und einem Richter in Erfurt, der immer wieder in den Telefonüberwachungsprotokollen auftauchte.
Erster Mafia-U-Ausschuss in bundesdeutscher Parlamentsgeschichte
Am 20. Juli ist die nächste Sitzung geplant. Dann sollen drei Sachverständige gehört werden: Zora Hauser, die zur 'Ndrangheta an der Universität Oxford forscht, Oliver Huth, ein Kriminalist aus Nordrhein-Westfalen sowie Sandro Mattioli vom Verein "Mafia, nein danke!" Das dann aber in öffentlicher Sitzung. Die Security wird dennoch im Einsatz sein. Sicher ist sicher – beim ersten Mafia-Untersuchungsausschuss überhaupt in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. Juni 2021 | 19:00 Uhr
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