Gerichtsverhandlung Prozess um Kündigung: Erfurter Gleichstellungsbeauftragte will zurück in ihren Job

13. Dezember 2023, 07:34 Uhr

Am Dienstag hat am Erfurter Arbeitsgericht der Prozess um die Entlassung der Erfurter Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann begonnen. Sie war Anfang November fristlos gekündigt worden, nachdem sie sexuelle Übergriffe am Erfurter Theater öffentlich gemacht hatte.

Normalerweise kommen zu Arbeitsgerichtsprozessen keine Zuschauer. Im Saal 22 des Erfurter Justizzentrums war das am späten Dienstagnachmittag anders. Obwohl die Richterin schon den größten Saal gewählt hatte, reichten die Plätze nicht aus. Es passten gar nicht alle rein, die sich für den Kündigungsschutzprozess der ehemaligen Erfurter Gleichstellungsbeauftragten interessierten.

Sexuelle Übergriffe öffentlich gemacht

Bis Ende Oktober war Mary-Ellen Witzmann Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt. Anfang November wurde ihr fristlos gekündigt. Witzmann hatte sexuelle Belästigungen am Theater öffentlich gemacht. Damit habe sie gegen Dienstanweisungen verstoßen und in diesem Zusammenhang auch noch dienstliche Interna preisgegeben. Das Vertrauensverhältnis sei erschüttert, so die Begründung für Entlassung.

Witzmann erhob Klage zum Arbeitsgericht, am Dienstag traf man sich deshalb zum Gütetermin. Da geht es eigentlich nur darum, ob man sich irgendwie einigen kann. Zum Beispiel - einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung. Und eigentlich dauert so ein Gütetermin auch nicht lange. Die zuständige Richterin, die stehende Zuschauer zuließ - was keine Selbstverständlichkeit ist -  ließ in diesem Fall aber beide Seiten ausführlich zu Wort kommen.

Witzmann will Job zurück

Seine Mandantin wolle ihren Arbeitsplatz behalten, sagt Witzmanns Anwalt. Durch die Kündigung würde sie dafür bestraft, dass sie ihren Job ernst genommen habe. Dann beschrieb er ausführlich, wie Witzmann von den Belästigungsvorwürfen erfuhr, und dass die Stadt sie bei der Aufklärung überhaupt nicht unterstützte.

Konkret geht es um einen Anruf bei der Gleichstellungsbeauftragten, in dem von einem Übergriff bei den Domstufenfestspielen die Rede war. Der Ehemann der Betroffenen sei sogar im Theater vorstellig geworden, um dafür zu sorgen, dass das übergriffige Verhalten aufhöre. Eine Anzeige habe es nicht gegeben. Der Anrufer habe auch von länger zurückliegenden Vorfällen gesprochen, die der Stadt bekannt seien.

Gleichstellungsbeauftragte stößt auf ältere Vorfälle

Und tatsächlich habe seine Mandantin dann E-Mails von ihrer Vorgängerin aus dem Jahr 2019 gefunden. Darin schrieb diese einer damaligen Mitarbeiterin des Theaters, dass sie entsetzt sei vom Geschehenen und erfreut, dass sich die Frau gemeldet habe. Nun werde dafür gesorgt, dass dem Täter das Handwerk gelegt werde. "Geiler Arsch, geile Titten, aber singen kannst Du nicht", dieser Satz soll auf einer Probe gefallen sein. Passiert sei damals nichts, so der Anwalt.

Witzmann habe daraufhin die Stadtverwaltung informiert. Die habe gewollt, dass sie ihr Wissen aufschreibt - mit den Klarnamen aller Betroffenen. Die hätten ihrer Identifizierung aber nicht zugestimmt, sagt der Anwalt. Stattdessen hätten sie von Angst und Ohnmacht gesprochen. Auch heute befürchteten die Frauen, die nicht mehr in Erfurt arbeiten, noch Nachteile, wenn ihre Namen öffentlich gemacht würden. Witzmann habe dann das Gespräch mit dem Generalintendanten gesucht, das sei aber nicht zufriedenstellend verlaufen und habe neue Fragen aufgeworfen, so der Anwalt.

Streit um Presseanfrage

Dann sei eine Presseanfrage zu diesem Thema an Witzmann gekommen. Weil Öffentlichkeitsarbeit zu ihrem Job gehöre, habe sie Antworten formuliert und diese mit der Verwaltung absprechen wollen - habe aber zeitnah keine Reaktion erhalten.

Dem widersprach die Stadt. Man habe zu diesem Zeitpunkt nicht an die Öffentlichkeit gewollt. Das sei Frau Witzmann auch deutlich gesagt und geschrieben worden. Dass aus einer dieser Mails dann öffentlich zitiert wurde, sei ein weiterer Verstoß gegen die Dienstpflichten.

Nächster Verhandlungstermin für April 2024 geplant

Die Fronten sind also verhärtet. Die Richterin sprach von einem Spannungsfeld, über das man rechtlich ausführlich diskutieren müsse. Sie legte beiden Seiten ein so genanntes Güterichterverfahren ans Herz, da könne man sich ausführlicher austauschen.

Der nächster Termin am Arbeitsgericht ist für April 2024 geplant. Die Stadt Erfurt hat inzwischen eine Anwaltskanzlei beauftragt, die Belästigungsvorwürfe am Theater aufzuklären - sowohl die alten als auch die neuen.

 

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MDR (coh/cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

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