Arbeitsstreit Scharfe Kritik an Erfurts Oberbürgermeister nach Entlassung der Gleichstellungsbeauftragten
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05. November 2023, 11:34 Uhr
Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) hat die Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann fristlos entlassen. Sie hatte zuvor öffentlich über mögliche sexuelle Übergriffe am Theater berichtet. Scharfe Kritik an der Entlassung gibt es im Stadtrat.
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Die fristlose Entlassung der Erfurter Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann hat in der Kommunalpolitik der Landeshauptstadt zu einem politischen Streit geführt. Im Stadtrat gibt es nun heftige Kritik an Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD).
Vier Erfurter Stadtratsfraktionen erklärten, dass Bausewein ein "verheerendes Signal" an Betroffene von sexualisierter Gewalt sende und die Aufklärung von Vorwürfen erschwere. Das teilten die Fraktionen von CDU, Linke, Grünen und Mehrwertstadt am Samstag in einem Schreiben mit.
Erfurter Fraktionen verlangen Opferanwältin
Die Entlassene könne so zu den Vorwürfen am Erfurter Theater nichts mehr beitragen, obwohl sie möglicherweise die Einzige sei, zu der Betroffene ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hätten. "Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum nach der Suspendierung der Gleichstellungsbeauftragten noch eine Kündigung erfolgt", heißt es in der Erklärung der vier Erfurter Stadtratsfraktionen. Sie sicherten Betroffenen von sexualisierter Gewalt und von Machtmissbrauch ihre Solidarität zu. Bausewein habe bisher solidarisches Verhalten für die Betroffenen vermissen lassen, hieß es weiter. Die vier Fraktionen verlangen vom Erfurter Oberbürgermeister, die Entlassung von Witzmann zu erklären. Außerdem wollen die Stadträte die fristlose Kündigung hinterfragen.
Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum nach der Suspendierung der Gleichstellungsbeauftragten noch eine Kündigung erfolgt.
Als Ergänzung zu der von der Stadt in dem Fall beauftragten Berliner Anwaltskanzlei fordern die Stadtratsfraktionen eine erfahrene Opferanwältin, damit Zeugen in einem geschützten Rahmen befragt werden können. Zudem solle allen Beteiligten psychologische Hilfe gewährt werden. Grundsätzlich begrüßen die vier Fraktionen die externe Untersuchung der Stadt. Diese hatte eine Berliner Kanzlei beauftragt, innerhalb von sechs Wochen die Vorwürfe zu untersuchen. Auch eine von der Stadt einberufene Kommission ist mit der Prüfung beauftragt.
Witzmann will gegen fristlose Entlassung vorgehen
Unabhängig davon hat laut "Thüringer Allgemeine" nach der Entlassung von Witzmann ihr Anwalt angekündigt, beim Arbeitsgericht dagegen vorzugehen. Vor einer Woche war die Erfurter Gleichstellungsbeauftrage beurlaubt worden.
Hintergrund ist, dass sie öffentlich über angebliche sexuelle Übergriffe auf sechs Personen am Erfurter Theater berichtet hatte. Die Vorfälle sollen teils aktuell sein, teils sollen sie vor mehreren Jahre stattgefunden haben. Aus Sicht der Stadt hat Witzmann dabei eigenmächtig gehandelt. Ihr Anwalt wies das gegenüber der "Thüringer Allgemeinen" zurück.
Landesfrauenrat und Linken-Politikerin fordern Aufklärung
Der Thüringer Landesfrauenrat hatte Anfang November eine umfassende Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe am Theater Erfurt gefordert. Zudem hatte der Rat noch vor der jetzt erfolgten Kündigung dafür plädiert, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt ihre gesetzlich definierte Arbeit machen könne, ohne eine Abberufung fürchten zu müssen.
Zudem hatte bereits Ende Oktober die gleichstellungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Karola Stange, die damalige Suspendierung der Erfurter Gleichstellungsbeauftragten infrage gestellt. "Ohne Partei für eine Seite ergreifen zu wollen, erachte ich ein solches Vorgehen als kontraproduktiv für die wichtige Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten. Weiterhin gerät durch die Suspendierung der eigentliche Grund - die Aufklärung der sexuellen Vorwürfe - in den Hintergrund", hatte Stange erklärt.
So finden von Gewalt Betroffene Hilfe und Rat:
Sie sind selbst von körperlicher Gewalt oder einer anderen Form von Missbrauch betroffen oder suchen persönlichen Rat? Die Ökumenische Telefonseelsorge Erfurt berät kostenfrei unter 0800-111 0 111 und 0800 -111 0 222.
Auch die Telefon-Hotline des Opferschutz-Vereins "Weißer Ring" ist täglich von 7 bis 22 Uhr zu erreichen. Anonym und kostenlos unter 116 006. Weitere Kontaktmöglichkeiten finden Sie im folgenden Link:
MDR (kh/rom)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 04. November 2023 | 13:00 Uhr