Blick auf ein altes Gehöft 4 min
In Bechstedtstraß zwischen Erfurt und Weimar leben nur 300 Menschen. Kultur und Kunst gibt es trotzdem, aber auch Probleme. Mehr dazu im Audio. Bildrechte: MDR/Blanka Weber
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MDR KULTUR - Das Radio Di 13.08.2024 10:31Uhr 04:02 min

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Bechstedtstraß in Thüringen Wenn Kultur auf dem Land zur Zerreißprobe wird

14. August 2024, 03:00 Uhr

Auf dem Land hat es die Kultur schwerer als in großen Städten. Doch auch hier engagieren sich Menschen. Sie haben dabei mit verschiedenen Schwierigkeiten zu rechnen: wenige Mitstreiter, fehlende Infrastruktur und politische Gräben. Ein Ortsbesuch im Thüringer Bechstedtstraß.

Zwischen Erfurt und Weimar liegt der kleine Ort Bechstedtstraß. 300 Einwohner leben dort, im Mittelpunkt steht die kleine Dorfkirche. Aus dem 13. und 14. Jahrhundert seien die Mauern, erzählt Jörg Ernst, der den Kirchbau- und Heimatverein Bechstedtstraß e.V. ins Leben rief.

Gemeinsam mit anderen hat er das alte Gebäude vor 20 Jahren restauriert, man traf sich, arbeitete gemeinsam, sammelte und organisierte Gelder. 300.000 Euro seien verbaut worden, sagt Ernst, ihm sei es immer wichtig gewesen, "nicht nur zu sanieren, sondern dem Bauwerk einen Sinn zu geben."

Heute strahlt im Innenraum eine rekonstruierte prächtige Orgel, die Jugenstil-Ornamente im Bogen des Innenraumes leuchten in grünen Tönen. Es ist ein Kleinod mitten in Thüringen. 

Ein altes Haus und eine Steinmauer in der Sonne
Kunst und Kultur in Bechstedtstraß: Dank des Heimatvereins gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Bildrechte: MDR/Blanka Weber

Vereinsarbeit braucht Engagement

Und doch hängt der Segen etwas schief, zumindest, was die Zukunft des Vereins betrifft. Nur wenige würden sich heute noch engagieren, richtig einbringen in Kultur und in ein Miteinander, bemängelt auch Vereinsmitglied Christiane Lindae: "Man muss es wollen – aber auch den ersten Schritt tun. Es kommen wenige aufeinander zu", sagte sie MDR KULTUR.

Fakten zum Heimatverein Bechstedtstraß Der Verein hat konstant 30 Mitglieder, also zehn Prozent der Einwohner des Dorfes. Das jüngste Mitglied ist Mitte 30, alle anderen sind im Rentenalter und weit über 70 Jahre alt. Gründung des Vereins war im Jahr 2004.

Wie kann man also Kultur aufs Land bringen und damit die Menschen wieder ein bisschen zusammen? Es sind Fragen, die sie umtreiben. Lindae sagt: "Wir haben einen Anspruch, den wir erfüllen möchten. Aber auch zu unseren Konzerten – selbst zu gut besuchten Konzerten – kommen wenige aus dem Dorf, die meisten von außerhalb. Und das ist sehr traurig!"

Zu unseren Konzerten – selbst zu gut besuchten Konzerten – kommen wenige aus dem Dorf, die meisten von außerhalb. Und das ist sehr traurig!

Christiane Lindae vom Verein Bechstedtstraß e.V.

Gerade jetzt, vor dem großen Jubiläumsfest am kommenden Wochenende, sei man gespannt, wer wirklich mitmachen möchte, um alles auf die Beine zu stellen. Und wer dann auch dabei sein will.

Politische Gräben erschweren Zusammenhalt

Doch nicht nur in Bechstedtstraß ist das so. Die Vereine ändern sich derzeit vielerorts und das Leben auf dem Land auch. Viele politische Gräben ziehen sich nicht nur quer durch die Köpfe, sondern eben auch durch die Gartenanlagen und über idyllische Dorfwiesen hinweg. Das Problem sind Politikverdrossenheit und Aggression.

"Es braucht Motivation, für alle etwas zu organisieren", sagt auch Cosima Göpfert. Sie lebt seit zehn Jahren in Bechstedtstraß und überlegt, was es manchmal so schwierig macht – trotz schöner Landschaft, saftiger Wiesen und dörflicher Stille. Mit Mitte 30 ist sie das jüngste Mitglied des Heimatvereins.

Eine junge Frau posiert mit einer Skulptur.
Cosima Göpfert arbeitet als Porzellankünstlerin und engagiert sich für Bechstedtstraß im Verein. Bildrechte: MDR/Blanka Weber

Als Porzellankünstlerin arbeitet Göpfert auch mit Konzeptkunst für Festivals, demnächst für das Kunstfest Weimar. Ihre Statements sind klar: gegen Extremismus und rechtes Gedankengut. Manche im Ort fremdeln damit. Und das macht für sie die Arbeit im Verein nicht leichter. Trotzdem sagt Göpfert, man wolle etwas bewegen, dem Ort und den Menschen etwas bieten – auch wenn viel Zeit im Hintergrund dafür notwendig ist. 

Ein Konzert als Experiment

Es sei ihr eine große Freude, sehr renommierte Musiker in ihr kleines Kirchlein zu bringen, sagt die Künstlerin. Und meint damit beispielsweise Carolina Eyck, die am kommenden Samstag in Bechstedtstraß auftreten wird. Auf dem Programm steht dann Musik, gespielt ohne Berührung – mit Bewegungen in der Luft gesteuert auf dem Instrument Theremin. Vielleicht ist auch das ein Experiment – doch eben auch etwas Besonderes.

"Angebote machen und durchhalten", so nennt es Lindae, die weiß: Kultur ist nicht jedermanns Sache und jeder definiert sie wohl auch anders. Was sie sich wünschen würde? "Mehr Miteinander, gemeinsames Tun", antwortet sie, ob im Verein oder am besten gleich im gesamten Dorf. 

Austausch ist wichtig

Konzerte, demnächst eine erste Ausstellung – das alles existiert und hebt den Stellenwert des kleinen Ortes. Das Nörgeln über Politik, der Frust, die Feindschaft und der Verdruss, damit könne man jedoch keine Zukunft bauen. Also sind Lösungen gefragt, wenn jene, die sich heute engagieren, auch weitermachen sollen.

Man müsse nicht mit jedem einer Meinung sein, sagt Cosima Göpfert. "Aber man kann sich dennoch auf gesunde Art und Weise miteinander austauschen. Und das ist schön."

Quelle: MDR KULTUR (Blanka Weber)
Redaktionelle Bearbeitung: op, lk

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. August 2024 | 07:50 Uhr

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