Porträt eines blonden, jungen, lächelnden Mannes. 4 min
Der 24-jährige Niclas Lange will gemeinsam mit dem Verein Kultur(Güter)Bahnhof in Bad Schlema ein Begegnungszentrum schaffen. Mehr über das Engagement des jungen Erzgebirges hören Sie im Audio. Bildrechte: MDR/Michael Bartsch
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Der Student Niclas Lange will seine Heimat, das Erzgebirge, in kleinen Schritten verändern und verbessern, die Menschen vom rechten Rand holen und vor allem die Jugendliche erreichen. Ein Porträt von Michael Bartsch.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 07.08.2024 15:27Uhr 04:04 min

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Bad Schlema Erzgebirge: Student will Bahnhof zum Kulturzentrum für Jugendliche machen

08. August 2024, 03:00 Uhr

Im Erzgebirge fehlt es aus Sicht des Studenten Niclas Lange an kulturellen Orten für Jugendliche. In Bad Schlema will er deshalb gemeinsam mit einem Verein den alten verfallenen Güterbahnhof in ein Begegnungszentrum umwandeln. Der 24-Jährige möchte damit die Gemeinschaft unter den Menschen im Erzgebirge trotz politischer Differenzen stärken. Der Kulturbahnhof soll voraussichtlich nach der Landesgartenschau 2026 in Aue-Bad Schlema Gestalt annehmen.

Von Zukunftsängsten ist nichts zu spüren bei dem zur Jahrtausendwende geborenen Niclas Lange. Sein strahlendes Gesicht übertrifft noch das Dauerlächeln der erzgebirgischen Pyramidenenglein, die es zur Adventszeit selbstverständlich auch im Hause Lange gibt. Wenn er nicht in Jena im Master Veranstaltungstechnik studiert, ist er gern zu Hause in Lauter-Bernsbach nahe Aue und schaut hinüber zum 700 Meter hohen Spiegelwald.

Mein ursprünglicher Beweggrund war, dass es im Erzgebirge keine kulturellen Dinge für Jugendliche gibt, keine Räume, wo man feiern kann.

Niclas Lange vom Verein Kultur(Güter)Bahnhof Aue-Bad Schlema

"Es ist noch nicht klar, ob es immer das Erzgebirge bleiben wird, aber der Ort, wo ich wirken will, ist meine Heimat", bekennt der Student. Wie jede wahre Liebe ist die Liebe zu seiner "Haamit", wie die "Arzgebirger" sagen, aber auch eine kritische. Ausgelöst durch seine Erfahrungen in der aufgeklärten Universitätsstadt Jena, durch Verärgerung über Stadt-Land-Gegensätze generell und auch durch einen Aufenthalt in Australien vor zwei Jahren.

"Bei aller scheinbaren Gelassenheit werden die Erzgebirger aber auch schnell aggressiv und geraten in Wallung", beobachtet Lange. Aber wenn dann am Samstagmorgen in der Nachbarschaft die Rasenmäher oder Kreissägen starten und jeder seinem Tagwerk nachgehe, fühle er sich wieder ganz zu Hause: "Das sind Kontraste, die zusammengehören."

Blick auf die Stadt Bad Schlema.
Der erzgebirgische Student Niclas Lange will in Bad Schlema ein Begegnungszentrum schaffen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Kaum Orte für Jugendliche im Erzgebirge

Sie drängten ihn dazu, über die vertrauten, aber auch engen Konventionen hinauszuschauen: "Man kann alternative Modelle von außen hereinholen und so vielleicht konservative Strukturen aufbrechen. Es muss nicht alles schlecht sein, was neu oder anders ist", formuliert er als seinen Leitsatz.

Damit begab sich Lange auch auf eine Suche nach sich selbst und klaren Lebenszielen. Es ging nicht zuerst um Anfälligkeiten seiner Landsleute gegenüber rechten politischen Botschaften. "Mein ursprünglicher Beweggrund war, dass es im Erzgebirge keine kulturellen Dinge für Jugendliche gibt, keine Räume, wo man feiern kann. Wenn man irgendwo abseits der Kirchen hingeht, wird es meist unangenehm."

Ein "Kulturgüterbahnhof" für Bad Schlema

Niclas Lange sah sich um und stieß auf das Kompetenzzentrum für Gemeinwesenarbeit und Engagement (KGE) Erzgebirge. Mitarbeiter Felix Sell machte ihn auf den verfallenden alten Güterbahnhof in Bad Schlema aufmerksam. Der Student klemmte sich dahinter, scharte Gleichaltrige um sich: Daraus könnte man ein Jugendbegegnungszentrum machen!

"Ich habe manchmal das Gefühl, dass uns der Dorfkrug abhanden gekommen ist, sogenannte Dritte Orte, wie die Soziologen sagen." Deshalb schwebt ihm ein Ort des Miteinanders vor, eine "Mischung aus Links und Rechts, Jung und Alt, quatschen jenseits von Netz und Kleinstblase".

Stadtansicht mit Nikolaikirche in Aue-Bad Schlema
Aus Sicht von Niclas Lange fehlt es im Erzgebirge und Städten wie Bad Schlema an Orten für Jugendliche. Bildrechte: IMAGO / Hanke

Bahnhof soll Ort des Miteinanders werden

Gemeinsam mit der Stadt Aue geht es inzwischen voran. Aue saniert mit Städtebauförderung den alten Bahnhof und will ihn für die Landesgartenschau 2026 nutzen. Danach soll ihn der neue Verein von Niclas Lange übernehmen. Weit mehr als eine Disko mit Theke soll mit dem Projekt entstehen, eher ein Kulturgüterbahnhof. Gemeinschaftsbildend vor allem soll die Entwicklung des Gebäudes wirken.

Solche Menschen brauchen wir hier, die sich zu Hause fühlen, einbringen und etwas für die Gemeinschaft tun.

Annett Beier vom KGE Erzgebirge über Niclas Lange

Annett Beier vom KGE-Gemeinwesenzentrum schwärmt geradezu: "Niclas' positive Erscheinung strahlt. Er reißt Menschen mit und bringt neue Vereinsmitglieder. Solche Menschen brauchen wir hier, die sich zu Hause fühlen, einbringen und etwas für die Gemeinschaft tun."

Porträt eines blonden, jungen, lächelnden Mannes.
Niclas Lange reißt mit seinem Engagement im Erzgebirge andere Menschen mit. Bildrechte: MDR/Michael Bartsch

Blick auf Landtagswahlen in Sachsen

Am 1. Mai dieses Jahres wurden auch andere auf Niclas aufmerksam. Im Bürgergarten Aue gab es vor der Kommunalwahl eine Fragerunde junger Menschen an Politiker. Das sei für ihn ein Prüfstein gewesen, ob er sich so weiter engagieren solle, erklärt er.

Mit Widerständen auf diesem Weg ist zu rechnen. Aber persönlich attackiert worden ist Niclas Lange noch nicht. Er ist wohl auch zu klug, um plakativ zu agitieren: "Man darf die Menschen hier nicht erschlagen, muss sie langsam holen. Immer freundlich und gesprächsbereit sein, aber keine große Diskussion anzetteln."

Das gelte auch für die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, wo man nicht in letzter Minute das Steuer herumreißen könne. Beharrlich Bürger auf Illusionen hinweisen, lautet das Motto des erzgebirgischen Studenten: "Da kommt nicht der Heiland, den ihr gerade sucht, eine Ersatzreligion zur Lösung aller Probleme. Lasst uns lieber gemeinsam Wahlprogramme vergleichen!"

Redaktionelle Bearbeitung: vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 08. August 2024 | 08:40 Uhr

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