Netzwerk "F wie Kraft" Frauen in der Lausitz: Die Kraft, etwas zu bewegen
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17. August 2024, 04:00 Uhr
Abwanderung ist in der Lausitz seit 30 Jahren ein Problem – jetzt befürchten viele, dass mit dem Kohleausstieg die nächste Welle ansteht. Doch immer wieder entscheiden sich auch junge Frauen ganz bewusst für die Lausitz. Sie ziehen nicht nur in Städte wie Bautzen oder Görlitz, sondern auch aufs Land. Auf einer Radtour ihres Netzwerks "F wie Kraft" haben einige von ihnen MDR KULTUR Überraschendes erzählt: Denn die Lausitz bietet den jungen Frauen Möglichkeiten, die sie anderswo nicht hätten.
- In der Lausitz vernetzt die Online-Plattform "F wie Kraft" vor allem junge Frauen.
- Sie engagieren sich für ihre Wohnorte und sind begeistert davon, sich für die Gemeinschaft einzubringen.
- Trotz Schwierigkeiten wollen sie in der Lausitz bleiben.
Die Frauen fallen auf: Treffpunkt ist auf dem Bahnhofsvorplatz in Görlitz. Zwölf Frauen mit Fahrrad sind an diesem sonnigen Tag gekommen – alle etwa zwischen 25 und 45 Jahren alt. Jede hat ein blaues Fähnchen an ihrem Rad. Darauf steht: "F wie Kraft". Es ist der Name ihrer Vernetzungsplattform. Einige kennen sich bereits, wenn nicht persönlich, dann zumindest von Online-Meetings. Für andere ist die gemeinsame Tour ihr Einstand in dieser Initiative.
Zum Aufklappen: Was ist "F wie Kraft"?
"F wie Kraft" ist ein Netzwerk von Frauen für Frauen, die in der Lausitz leben und sich für ihre Region engagieren wollen – egal ob neu in der Lausitz oder hier verwurzelt. Ihr Selbstverständnis: "Mit Verständnis, Wertschätzung und Entschlossenheit stärken wir unsere Region." Sie seien kein exklusiver Klub. Jeder sei willkommen, der etwas beitragen möchte oder Gleichgesinnte sucht. Die Frauen möchten zeigen, wie lebenswert die Lausitz ist.
Aus Frankfurt und Berlin ins Dorf
Den Ausflug hat Steffi geplant. Die von ihr ausgewählte Strecke ist etwa 50 Kilometer lang und führt von Görlitz Richtung Norden nach Neuliebel. Dort ist sie seit 2011 auf einem backsteinernen Dreiseithof zu Hause.
Bevor Steffi ins kleine Neuliebel kam, lebte sie in Frankfurt (Oder) und Berlin. Anfangs war sie skeptisch, was sie in der Lausitz erwarten würde. "Aber ich wurde relativ schnell eines Besseren belehrt, dass hier doch so viele schöne Strukturen vorhanden sind, zwischenmenschlich, kulturell und auch landschaftlich", erzählte sie unterwegs.
Programmkino und Lesetreff in der Lausitz
In ihrer Gemeinde bringt sich Steffi auch selbst mit ein, unter anderem hat sie das soziokulturelle Zentrum "Kulturwerk Lausitzer Eck" im Nachbardorf Rietschen mit aus der Taufe gehoben. Dort arbeitet sie neben Job, Hof und Familie im Programmkino mit – wie auch Diana. Die Illustratorin und Grafikerin ist vor etwa zwei Jahren aus Leipzig in die Lausitz gezogen, mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie ist begeistert davon, was sie und die anderen Frauen hier bewirken können. "Selbst wenn es nur Kleinigkeiten sind: Man tritt Dinge los, die man in der Stadt einfach nicht lostritt, weil da ein Überangebot ist."
Selbst wenn es nur Kleinigkeiten sind: Man tritt Dinge los, die man in der Stadt einfach nicht lostritt, weil da ein Überangebot ist.
Hier könne sie jedoch Spuren hinterlassen. "Als Beispiel: Wir haben jetzt einen Lesetreff in Rietschen. Da treffen wir uns alle vier bis sechs Wochen und quatschen über Bücher", sagte Diana.
Die Radtour führt sie und die anderen an der Neiße entlang, später durch Wälder und kleine Dörfer, wie Mückenhain oder Kaltwasser. Am Waldsee in Biehain wird ein Badestopp eingelegt.
Frauenpower seit acht Jahren
Die Idee zu einer Radtour lag schon lange in der Schublade, erzählt Julia, Sozialwissenschaftlerin an der Hochschule Zittau/Görlitz. Sie hat "F wie Kraft" im Jahr 2016 mitgegründet. Unter anderem wollte sie herausfinden, was Frauen brauchen, um in der Lausitz zu bleiben. Denn Frauen hätten hier häufig das Gefühl, eher unsichtbar zu sein – oder sie hätten sich engagiert, aber trotzdem sei kein Miteinander entstanden. Das bietet ihnen "F wie Kraft": Die Frauen vernetzen sich und machen gleichzeitig auf sich als Gruppe aufmerksam.
Zum Aufklappen: Wie "F wie Kraft" genutzt wird
Frauen in der Lausitz nutzen das Onlineportal, um sich zu vernetzen – etwa beim Lausitzerinnen-Online-Stammtisch – und um für Frauen relevante Veranstaltungen zu empfehlen oder empfohlen zu bekommen. Es gibt Projekte und Konferenzen zu Themen wie dem Strukturwandel, damit die Perspektiven von Frauen künftig stärker berücksichtigt werden, und beispielsweise das Frauen.Wahl.Lokal Oberlausitz, das sich für mehr Frauen in den kommunalen Gremien einsetzt.
Sie sehen sich jedoch keinesfalls als benachteiligte Gruppe – das klingt in den Gesprächen immer wieder an. Julia verweist allerdings auch auf die Abwanderungszahlen: Insbesondere junge Frauen verlassen immer noch nach ihrer Ausbildung die Region und kehren meist nicht zurück.
Bleiben, auch bei Problemen
Für Lea, die aus Weißwasser stammt und in Görlitz studiert hat, fehlen in der Lausitz berufliche Perspektiven, auch das ist Thema. Trotzdem will sie bleiben. "Ich habe Soziale Arbeit studiert, das wird gesucht ohne Ende. Aber mit Management Sozialen Wandels, dem Master, den ich jetzt gemacht habe, ist es eher schwierig, Perspektiven zu finden." Doch sie sei kein Fan davon, einfach zu gehen.
Als gebürtige Lausitzerin ist sie die Ausnahme bei der Tour. Fast alle Frauen sind zugezogen, bei einigen stammen die Partner aus der Region. Doch für sie alle gibt es im Moment keinen Zweifel: Sie sind gekommen, um zu bleiben – im Netzwerk und in der Region.
MDR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: lk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. August 2024 | 08:45 Uhr